“It was twenty years ago today, Sgt. Pepper taught the band to play.” Mit dieser Zeile fängt einer der besten und erfolgreichsten Popsongs aller Zeiten an. Was mich hingegen heute umtreibt, hat zwar auch etwas mit Pfeffer zu tun, liegt jedoch erst exakt zehn Jahre zurück. Erinnern wir uns zurück: Der „Sommer der Aktienliebe“ 1998. Da schossen überall die Notierungen in die Höhe, da gab es beinahe täglich Neuemissionen, mit denen die wenigen Glücklichen, die diese erfolgreich zeichnen – oder sich gar vorbörslich schon bedienen konnten – sehr viel Geld verdienen konnten.
In diesem heißen Sommer 1998 begann für mich auch meine berufliche Selbstständigkeit. Da bin ich im August herunter gefahren nach Wolfratshausen und habe mich mit einem Herren namens Markus Rieger getroffen, der gerade vorher die erste Ausgabe des – damals noch sehr dünnen – „Going Public Magazins“ heraus gegeben hat, die ich als Souvenirstück mir bis heute aufgehoben habe. Im Anschluss daran betreute ich dann die Internetpräsenz dieses Magazins, die damals noch auf einer ganz anderen Seite lief, mit der ich dann ebenfalls anbandelte … Und heute nun schreibe ich wieder hier. Was durchaus ein paar sentimentale Gefühle weckt, in der Hauptsache jedoch ein sehr exaktes Verständnis der Zeitabläufe erlaubt.
Die Veränderungen, die sich in den Märkten in den letzten zehn Jahren ergeben haben, sind sicherlich gewaltiger als jemals zuvor in einer vergleichbaren Zeitspanne. Damals die große Euphorie – und heute wieder einmal eine ziemlich ausgeprägte Depression unter den Börsianern. Doch das ist nur der Begleiteffekt. Ich denke, die wirklichen Veränderungen liegen tiefer, liegen unter der Oberfläche und sind weit gravierender. Und sie beziehen sich im Wesentlichen auf das Verhalten der Notenbanken.
In den 80er und 90er Jahren haben die Notenbanken angefangen, sich im Krisenfall gegen die „reine Lehre“ zu wenden und im Notfall ihre Geldmengenregel vergessen und sehr flexibel auf die Märkte reagiert, indem sie Liquidität zur Verfügung gestellt und ihre Funktion als „Lender of last resort“ in bester Weise ausgefüllt und damit Schlimmeres verhindert haben. Doch dies war erst die „erste Stufe“. In den 00er Jahren des neuen Jahrhunderts haben die Notenbanken gleichsam eine „zweite Stufe“ gezündet und in noch verstärkterer Weise gegen die „reine Lehre“ verstoßen, indem sie nämlich notleidende Wertpapiere aus dem Subprime-Bereich in ihr Portfolio genommen haben.
Bezogen sich die Veränderungen der „ersten Stufe“ nur auf die Passivseite der Notenbankbilanz, so wird jetzt auch die Aktivseite tangiert. Denn jetzt ist unser Geldumlauf nicht mehr im vollen Umfang durch werthaltige Aktive gedeckt, sondern es befinden sich in der „Deckungsmasse“ auch Papiere zweifelhafter Bonität. Würde dieses Verhalten der Notenbanken auf lange Sicht so weiter gehen, würde man damit die Grundlagen unserer Währung gefährden, wenn nicht gar vernichten. Doch es gibt gute Gründe, daran zu glauben, dass die Notenbanken auch hier durchaus klug und weise gehandelt und damit Schlimmeres und sogar das Schlimmste verhindert haben.
Wenn es jetzt gelingt, die Papiere zweifelhafter Bonität langsam wieder in den Markt zu geben und durch andere mit bester Bonität zu ersetzen, dann war auch hier die Politik der Notenbanken vorbildlich. Doch es bleibt auf jeden Fall zu konstatieren, dass das Finanzsystem mit den Jahren immer fragiler wird. Der Zyklus aus Übertreibung und Untertreibung in der Preisbildung wird weiterhin Bestand haben. Ihn gab es so wie heute auch schon hundert oder zweihundert Jahre vorher. Doch der institutionelle Rahmen wirkt zerbrechlicher denn je. Überall sind riesige Türme auf schwachen Fundamenten gebaut worden. Und da bräuchte es nur einen starrköpfigen Notenbankpräsidenten, einen Vertreter der „reinen Lehre“, der das alles zum Wackeln bringen könnte. Gottlob ist Ben Bernanke noch nicht einer von ihnen.
Bernd Niquet
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