Die Geschichte geht so: Der Chef einer großen Bank aus dem großen Amerika schreibt seinen Mitarbeitern, dass die ersten beiden Monate des Geschäftsjahres ganz gut gelaufen seien. Der Gewinn ist zwar nicht rekordverdächtig, aber ganz nett. In Zeiten, in denen die Milliardenverluste nur so durchrattern, insbesondere im Bankensektor, wirkt so etwas richtig sexy. Die Mail landet rein zufällig in der Redaktion eines Reichweite starken Wirtschaftsjournals, dessen Redaktion die Steilvorlage mit einer Vorab-Meldung volley verwandelt. Motto: Mail and the Citi.
Citi und Milliarden-Gewinn, daran können sich nur noch die Älteren unter den Lesern erinnern. Hört sich irgendwie nach schöner, alter Bankenwelt an. Aus einer guten, alten Zeit, als Witwen- und Waisenpapiere noch in der Finanzbranche zu finden waren. Aber warum landet eine interne Mail des Chefs der ehedem größten Bank der Welt in der genau passenden Redaktion? Und warum wird sie auch noch veröffentlicht? Nutzt der Chef nicht so einen E-Mail-Footer, in dem drin steht, dass die Mail nur für die rechtmäßigen Adressaten bestimmt ist und jede Verwendung durch Menschen, die nicht rechtmäßig des Inhaltes der Mail teilhaftig werden, eine rechtliche Konsequenz heraufbeschwört? Kurzum: Solche Zufälle wie diesen gibt es sonst nur in Schmonzetten wie „Schlaflos in Seattle“ oder so.
Wie auch immer: Der Chef der großen Bank hat die Märkte gestern um fünf bis zehn Prozent in die Höhe gehievt. Weil die Anleger der süßen Nachricht nach all den Kursmassakern glauben wollen. Und die Wirklichkeit verdrängen. Eine Wirklichkeit, in der die allermeisten Banken nur deshalb nicht pleite sind, weil sie von staatlicher Seite gestützt werden. Und woher die Gewinne stammen, kann man sich auch denken: Wohl kaum von den vorbildlichen ihre Hypotheken bedienenden amerikanischen Häuslebauern. Vielmehr aus staatlich garantierten Anleihen. Das ist nicht eben die hohe Kunst des Bankings. Und überhaupt: Werden jetzt immer nach zwei Monaten Wasserstandsmeldungen abgegeben und damit die Quartalsberichterstattung ersetzt? Hat jemand die Zahlen geprüft? Und, Chancengleichheit für alle: Kann man sich irgendwo in den E-Mail-Verteiler eintragen?
Kein Zweifel: Wir haben es hier nicht mit einer Glanzleistung des Bankings, sondern des Marketings zu tun. Pennystocks, und zu dieser Gattung war die Citibank zwischenzeitlich zu zählen, sind übrigens für Guerilla-Marketing bekannt
Stefan Preuß
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