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2020 war für IPO-Investoren das ertragreichste Jahr seit 1999: An zahlreichen Fronten brachen die Rekorde. Und selbst in den für gewöhnlich ereignisarmen Monaten zum Jahresauftakt setzt sich die Dynamik unverändert fort.
Wie bereits in der letzten Ausgabe vorbedeutet, hat sich die IPO-Aktivität im Dezember nochmals beschleunigt und mit 27 Börsengängen bei einem Emissionsvolumen (EV) von 12,4 Mrd. USD für einen Rekordmonat zum Jahresausklang gesorgt. Damit wurde dem IPO-Jahr 2020 die Krone aufgesetzt. Seit unserer Aufzeichnung hatte es eine solche Anzahl im Dezember nur in den Jahren 2004 und 2006 mit 29 IPOs gegeben, die aber beide jeweils „nur“ ein EV von 5,1 Mrd. USD aufwiesen.
Hierfür waren in etwa zur Hälfte die beiden Schwergewichte Airbnb und DoorDash verantwortlich, die mit einem EV von je rund 3,3 Mrd. USD aufschlugen. Damit haben der weltgrößte Wohnraumvermieter und der größte Essenslieferant in Nordamerika auch das bislang volumenstärkste Jahres-IPO, nämlich Snowflake vom September, knapp abgelöst. Beide konnten ihre Zeichnungsgewinne (ZGs) von 113% resp. 86% bislang auch ausbauen, womit sich ihr Börsenwert nun auf 130 Mrd. bzw. 68 Mrd. USD beziffert.
Stellare IPO-Performance
Bezüglich der ZGs war der Dezember ebenso außergewöhnlich: Ganze 68% im Monatsdurchschnitt sind bislang einmalig. Normalerweise sind zweistellige ZGs für einen Monat schon ordentlich; selbst der seither beste Dezember (2019 mit 37%) fällt dagegen bereits deutlich ab. Ursächlich waren z.B. der Proteom-Analytiker Seer (197%), der die biomedizinische Forschung mit seiner Nanopartikeltechnologie beliefern will. Die KI-basierte Medikamentenentwicklungsplattform AbCellera (195%) analysiert in ihrer Datenbank eine Vielzahl von Immunsystemen, um passende Antikörper zu finden.
Bemerkenswert auch der Start von: Indoor-Gartenbauanbieter (vor allem Cannabis) Hydrofarm Holdings Group (160%), 908 Devices (145%), Entwickler von Massenspektrometriegeräten insbesondere für die Forensik, und Wunong Net Technology (142%), einem chinesischen Online-Lebensmittelanbieter, der in den Tagen nach Handelsstart sogar bis zum 15-Fachen zulegte und damit zwar die beste Wochenperformance 2020 ablieferte, mittlerweile jedoch wieder merklich abflachte. Das erinnert schon stark an das aktuelle Tradingphänomen via Social-Media-Apps bei GameStop & Co.
Mehr zum US-IPO-Markt 2020 lesen Sie hier.
Bestes Jahr seit der Jahrtausendwende
Angesichts der Coronapandemie und der Tatsache, dass sich die grundsätzlichen makroökonomischen Konditionen seit geraumer Zeit nicht wesentlich verändert haben, dürfte sich der geneigte Beobachter verwundert die Augen reiben. Nach einer kurzen Delle im März und April zog es die Unternehmen sogleich in Scharen an NASDAQ & NYSE, sodass zum Ende des Jahres insgesamt 220 Börsenneulinge ihren in den allermeisten Fällen erfolgreichen Einstand feiern konnten. Das sind knapp 40% mehr als im bereits guten IPO-Jahr 2019; der Zuwachs beim EV beträgt sogar satte 50% auf 80 Mrd. USD.
Hierbei stellten Technologie- und Biotechnologieunternehmen fast drei Viertel aller IPOs. Auch 20 IPOs mit EVs jenseits von 1 Mrd. USD bedeuteten einen Jahresrekord. Die in unserer Statistik nicht aufgeführten Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) brachen ebenso alle Dämme: 248 vollzogen ihr Börsendebüt und sammelten dabei 76 Mrd. USD ein.
2021 geht es nahtlos weiter
Wenn man nun denkt, das war’s erst mal, setzt das Marktgeschehen aktuell noch einen drauf: Im Januar versammelten sich 24 Unternehmen zum Börsendebüt und emittierten dabei 13,4 Mrd. USD – ein weiterer Rekordmonat. Es kam selbst in den USA schon vor, dass der stets ereignisarme Januar kein einziges IPO hervorbrachte. Hier liegen die Aspiranten, wenn überhaupt, normalerweise nur im niedrigen einstelligen Bereich.
Allein sechs IPOs lagen über der Mrd.-USD-Schwelle: Der Anbieter von Solarmodulkomponenten Shoals Technologies Group (1,9 Mrd.), der Entwickler von Casino-Spiele-Apps Playtika (1,9 Mrd.), Managementsoftwareplattform und SAP-Spin-off Qualtrics International (1,6 Mrd.), der chinesische E-Zigaretten-Produzent RLX Technology (1,4 Mrd.), der In-vitro-Diagnostiker Ortho Clinical Diagnostics (1,2 Mrd.) sowie der Kreditvermittler für Onlinekäufe Affirm Holdings (1,2 Mrd.).
Die ZGs lagen im Januar mit 39% dann zwar wieder unter ihren Dezemberpendants, stellen aber dennoch einen weiteren historischen Monatsbestwert dar. Besonders hervorgehoben haben sich dabei RLX Technology mit einem Plus nach dem ersten Handelstag von 145% sowie die E-Commerce-Plattform für Mode Poshmark mit 142%.
… und auch Februar bislang furios
Stand Mitte Februar rollt die IPO-Welle unaufhaltsam weiter: Bis jetzt haben bereits 31 IPOs stattgefunden! Müßig zu erwähnen, dass dies schon jetzt einen weiteren Rekordwert abzeichnet.
Das größte IPO vollzog der Online-Dating-App-Entwickler Bumble mit 2,1 Mrd. USD. Der IT-Services-Anbieter TELUS International erbrachte 920 Mio. USD. Erwähnenswert auch der Börsengang der deutschen Atotech (500 Mio.). Dabei handelt es sich um einen der führenden Anbieter von Spezialchemielegierungen für die Elektronikindustrie, welcher der Galvanotechniksparte von Schering entstammt. Eigentlich schade, dass Atotech nicht den Gang an die hiesige Börse vollzog. Das IPO mit dem bis jetzt höchsten ZG ist der chinesische Anbieter von B2B-Kommunkationsservices Cloopen Group (200%).
Fazit
Man fragt sich nun, ob diese IPO-Stampede nicht allmählich auslaufen sollte. Vereinzelte Marktteilnehmer weisen darauf berechtigterweise reflexartig hin. Diese sind aber in der deutlichen Minderheit. Der allgemeine Markttenor sieht derzeit keine zwingenden Hinweise auf ein Ende der Aktivität. Das Makroumfeld gilt als stabil, allgemein wird mit einer allmählich abflauenden Pandemie gerechnet und auch die zunehmende Partizipation privater junger Investoren via Trading-Apps wird größtenteils erst als der Anfang eines neuen Phänomens wahrgenommen. Und so ist auch die IPO-Pipeline offenbar schon jetzt vollgelaufen
Autor/Autorin
Ike Nünchert
Ike Nünchert ist freier Autor für das GoingPublic Magazin sowie für GoingPublic Online.