GoingPublic: Zwei Punkte standen konkret in der Kritik: das optisch hohe KGV und der hohe Anteil der Umplatzierung am Emissionserlös. Handwerkliche Ungenauigkeiten oder Schein-Riesen Ihrer Meinung nach?
Ganzer: Nein, keine handwerklichen Ungenauigkeiten. Den Umplatzierungsanteil haben wir gerade deshalb zur Verfügung gestellt, um auf einen Emissionserlös zu kommen, der die Investoreninteressen zur Wahrnehmung eines ausreichenden Platzierungsvolumens umfassend abdecken sollte. Dies konnten wir meines Erachtens plausibel darlegen. Das KGV dagegen war ein üblicherweise pflichtgemäß angesprochenes Thema im Rahmen von Bewertungsüberlegungen. Nun gab es dazu im Research, das wir haben anfertigen und zur Verfügung stellen lassen, eine Aussage zum Unternehmenswert nach dem Discounted-Casflow-Verfahren. Auf dieser Basis, 25% Abschlag auf den ermittelten fairen Wert, sahen wir uns gemeinsam in einem wirklich komfortablen Bereich mit der Bookbuilding-Spanne.
Jordan: Tatsächlich hatten wir damit begonnen, mit einem Emissionserlös auf Basis des vom Unternehmen benötigten Kapitals zu planen. Also knapp 10 Mio. EUR. Damit allerdings kann man heute kaum mal einen institutionellen Investor zu einer Präsentation locken. Insofern waren die Altaktionäre dazu aufgerufen, sich in punkto Eigenbestand auch ein wenig zu bewegen: für das Gesamtvolumen und für den Streubesitz. Auf den Roadshows haben wir dies den Investoren entsprechend erläutert. Diese sind das auch gewohnt und es kam kaum zu Kritik. Auch gegenüber den Medien, jedenfalls denen die mit uns in Kontakt waren, konnte das plausibel dargelegt werden.
GoingPublic: …heißt für Sie unter dem Strich was genau?
Jordan: Dass meines Erachtens das für 2019 noch hohe KGV als Aufhänger benutzt wurde, sich in einer defensiv geprägten Marktphase nicht unnötig exponieren zu wollen mit Entscheidungen, die man ggf. gegenüber Risikomanagern oder Anlageausschuss hätte verantworten müssen. Das Discounted-Cashflow-Verfahren indes war gut geeignet, nicht rein auf eine Rückspiegel-Betrachtung abzustellen. Selbst Investoren, die auch hohes Interesse hatten, mussten einräumen, dass dies gegenwärtig aufgrund ihrer internen Vorgaben nicht machbar sei – speziell nach den Erfahrungen 2018.
Ganzer: Das kann ich nur bestätigen. Selbst wenn der Teilnehmer an der Roadshow positiv interessiert war, kam häufig im Nachhinein ein Veto vom Risikovorstand oder Anlageausschuss. Das ist natürlich sehr unbefriedigend für alle Beteiligten.
GoingPublic: Das ist fast ja schon Verhaltenspsychologie: nach den Erfahrungen besonders im zweiten Halbjahr letzten Jahres bloß nicht aus dem Fenster lehnen.
Ganzer: Richtig, aber gezählt wird zum Schluss: Wir sind seit unseren Roadshows ja auf dem Radar von Investoren. Und das war durchweg sehr positiv. Ich möchte nicht glauben, dass eine Abkehr von kleineren Unternehmen wirklich permanent sein kann. Darauf aufbauend wollen wir unsere Gespräche führen und zum richtigen Zeitpunkt einen neuen Anlauf starten. Die onoff Group verbessert sich in der Zwischenzeit einfach weiter.
Jordan: Man sollte hier auch einen weiteren Aspekt nicht vergessen. Durch die weniger gute Börsenphase sind viele Unternehmen, die schon börsennotiert sind, auch deutlich günstiger geworden. Da halten sich Investoren gern mal an Emittenten, die sie schon kennen. Neuemissionen weht da zusätzlicher Wind entgegen: Ein Börsenaspirant muss erst einmal belegen, dass angekündigte Ziele auch umgesetzt werden können. Der Wettbewerb unter SmallCaps kam also als zusätzliches Thema hinzu.
GoingPublic: Und das Timing? Dem ersten Börsenaspiranten eines Jahrgangs fällt ja häufig die Rolle des ‚Eisbrechers‘ zu.
Ganzer: Diese Rolle kann positiv oder negativ wirken. Normalerweise hat man als erster Börsenaspirant eines Jahrgangs einen gewissen Aufmerksamkeitsbonus. Den haben wir mit der hohen Partizipation an den Roadshows auch durchaus wahrgenommen. Das würde gewissermaßen etwas Wasser unter dem Kiel bedeuten. Umgekehrt kann es sein, dass man auch etwas allein auf rauer See unterwegs ist. Das haben wir ebenfalls festgestellt.
GoingPublic: Nun ist die entscheidende Frage, ob ein zweiter Anlauf kommen soll und wovon genau der abhängen dürfte. Den Umplatzierungsanteil kann man leicht modifizieren, den möglichen Emissionspreis auch.
Das KGV heilt allerdings fast nur die Zukunft, denn ab 2020 scheint es sich innerhalb des grün-gelben Bereichs zu bewegen. Unter dem Strich also die Frage: Kam die Börsenplanung ggf. ein Jahr zu früh?
Ganzer: Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt kann man leider meist erst rückblickend beantworten. Die spätere Diskussion um das KGV war nach meiner Überzeugung auch nicht kriegsentscheidend. So hatten wir unseren gesamten Geschäftsbereich LNG [Liquid Natural Gas] gar nicht in den Zahlen berücksichtigt. Hätten wir machen können, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sich im Schiffsbau auch mal etwas verzögert. Dann hätte man womöglich eine Gewinnwarnung gehabt nach nur einem halben Jahr an der Börse. Das konnte es also auch nicht sein. Wenn wir jetzt mal einige Monate in die Zukunft schauen, sollte das vielleicht schon mehr für Klarheit sorgen.
GoingPublic: Herr Dr. Ganzer, Herr Jordan, besten Dank für Ihre Einblicke und Ihre Zeit direkt nach der Meldung der Verschiebung des IPO-Vorhabens am Mittwoch!
Interview: Falko Bozicevic