„Unternehmen saniert sich in Eigenverwaltung“ oder „Konzern schlüpft unter den Schutzschirm“ – solche Meldungen sind derzeit immer häufiger zu lesen, denn vor allem für mittelständische und größere Unternehmen ist das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eine gute Alternative. 

2012 ist das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Kraft getreten. Es soll Unternehmen eine zweite Chance geben. Hierfür wurden Anreize für eine frühzeitige Sanierung geschaffen. Die Besonderheit bei der Eigenverwaltung: Die Geschäftsführung bleibt im Amt, führt das Unternehmen mit Unterstützung von Sanierungsexperten selbst fort und behält so die unternehmerische Verantwortung. Ein bestellter Sachwalter wahrt die Interessen der Gläubiger. Im Verfahren werden Sanierungsmaßnahmen umgesetzt und der Betrieb wird wieder zukunfts- und wettbewerbsfähig aufgestellt.

Wesentliche Änderungen durch das SanInsKG

Im Herbst 2022 hat der Bundestag ein ­Gesetz zur Änderung des Insolvenz- und Sanierungsrechts beschlossen. Das „Gesetz zur vorübergehenden Anpassun­g sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisen­folgen (Sanierungs- und insolvenzrecht­liches Krisenfolgenabmilderungsgesetz – SanInsKG)“ ist am 9. November 2022 in Kraft getreten.

So wurden die Planungszeiträume für Eigenverwaltungsplanungen gemäß § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO von sechs auf vier Monate verkürzt, wodurch der Zugang zu einem Verfahren in Eigenverwaltung erleichtert wird. Zudem hat der Gesetzgeber die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung abgemildert. Dazu wurde der Prognosezeitraum für eine positive Fortbestehensprognose bei der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 Abs. 2 InsO von zwölf auf vier Monate verkürzt.

Die Maximalfrist für Insolvenzanträge wegen Überschuldung wurde von sechs auf acht Wochen erhöht. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Insolvenzantragsgrund der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO durch die Neuregelungen nicht berührt wird. Hier bleibt es bei der bisherigen Gesetzeslage. Die Geschäftsführung muss demnach bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Wochen, einen Insolvenzantrag stellen.

Durch die Änderungen soll vermieden werden, dass Unternehmen vorschnell in eine Insolvenzantragspflicht geraten – was angesichts der aktuellen Prognoseschwierigkeiten aufgrund der Energiekrise und des Ukrainekriegs zu begrüßen ist. Die neu geschaffenen Regelungen sind zunächst bis zum 31. Dezember 2023 befristet.

Höhere Anforderungen an die Eigenverwaltung

Bereits Anfang 2021 hat der Gesetzgeber wichtige Änderungen bei der Insolvenzordnung für die Eigenverwaltung eingeführt. Die Eingangsvoraussetzungen für das Eigenverwaltungsverfahren sind strenger und klarer geregelt (vgl. Kasten unten). Der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung muss über eine vollständige und schlüssige Eigenverwaltungsplanung verfügen. Eine umfangreiche Vorbereitung ist unerlässlich. Daher sollten sich Geschäftsführer frühzeitig externe Beratung ins Haus holen, die bei der Antragstellung unterstützt.

Die Eigenverwaltung ist als Sanierungsinstrument deshalb so interessant, weil damit sämtliche Sanierungsinstrumente des Insolvenzrechts offenstehen, und dies bereits frühzeitig, nämlich im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit – ein Zeitpunkt, bei dem in aller Regel noch sehr gute Voraussetzungen für einen nachhaltigen Turnaround bestehen.

Die Mitarbeiter erhalten im vorläufigen Verfahren für bis zu drei Monate Insolvenzgeld. Das entlastet Unternehmen von den Personalkosten und verschafft finanziell Luft, um notwendige Sanierungsmaßnahmen umzusetzen. Weitere Aspekte sind die Vorschriften über die zeitnahe Beendigung von ungünstigen Verträgen (§§ 103 ff. InsO), wie ungünstige Lieferverträge, Verträge mit Kunden oder Mietverträge.

Pflicht zum Dual-Track-Verfahren

Als nachhaltige Lösung für das Unternehmen bestehen zwei Möglichkeiten: Die Firma kann sich mit den Gläubigern im Rahmen eines Insolvenzplans einigen oder einen Investorenprozess einleiten, bei dem die Vermögensgegenstände und der Geschäftsbetrieb an einen neuen Eigentümer verkauft werden. Sanierungsexperten prüfen beide Vorgehensweisen und verfolgen diese parallel im Zuge eines Dual-Track-Verfahrens.

Bislang ist es gängige Praxis, sofort relevante Gläubiger zu kontaktieren und einen Investorenprozess anzustoßen – und das in der Regel unabhängig davon, wie wahrscheinlich eine Einigung mit den Gläubigern im Zuge eines Insolvenzplans ist. Diese Pflicht zum Dual Track ist anerkannt. Der Grund für dieses Vorgehen: Wie bei jedem Insolvenzverfahren stehen auch in der Eigenverwaltung die Gläubigerinteressen nach § 1 InsO im Vordergrund. Daher überwiegt die Auffassung, dass es eine Pflichtverletzung des Schuldners darstellen könnte, wenn kein M&A-Prozess angestoßen wird.

Die Insolvenzordnung spricht von einem „Schlechterstellungsverbot“. Demnach dürfen die Gläubiger im Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden als in einem Regelverfahren, wenn beispielsweise eine übertragende Sanierung stattfinden würde. Ein Investorenprozess stellt zudem einen plausiblen Markttest für den Wert des betroffenen Unternehmens dar und gilt zugleich als Rückfalloption, falls sich die Beteiligten nicht auf einen Insolvenzplan einigen können.

Fazit

Gerade für Unternehmen, die durch die aktuelle Krise vor wirtschaftlichen Herausforderungen stehen, kann ein Verfahren in Eigenverwaltung der richtige Weg für einen Neuanfang sein. So können Betriebe frühzeitig bei ihrer Restrukturierung unterstützt und durch die Krise begleitet werden. Die Regelungen gehen mit einer umfangreichen Vorbereitung einher – die Prüfung von Maßnahmen sollte lieber zu früh als zu spät erfolgen.

Autor/Autorin

Dr. Maximilian Pluta

Dr. Maximilian Plutaist Managing Partner derPLUTA Rechtsanwalts GmbHund Geschäftsführer derPLUTA ManagementGmbH. Er leitet den Geschäftsbereich Sanierung und Restrukturierung. Der Rechtsanwalt, Steuerberater und Diplomkaufmann begleitete bereits zahlreiche größere Unternehmen bei der Sanierung in Eigenverwaltung. PLUTA hilft Unternehmen in rechtlich und wirtschaftlich schwierigen Situationen. Die Restrukturierungsgesellschaft beschäftigt rund 500 Mitarbeiter.