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Mit einer Perception Study kann ein Unternehmen effizient und punktgenau prüfen, ob die Equity Story am Kapitalmarkt verstanden und unterstützt wird. Die Ergebnisse geben Auskunft darüber, welche Anforderungen das Unternehmen im Idealfall noch erfüllen sollte, um eine angemessene Bewertung der Aktie sicherzustellen. Was sich einfach liest, hat jedoch mehrere Fallstricke.

Es war kurz nach halb fünf als für Simon G. (Name geändert), Leiter Investor Relations eines SDAX-Unternehmens, fast eine Welt zusammenbrach. Der Capital Markets Day ist gut gelaufen, die Veranstaltung war gut besucht, die Diskussionen waren konstruktiv und die Vortragenden hatten sich an das festgelegte Skript gehalten. Simon war recht zufrieden. Und dann das: Beim Verabschieden mokierten sich gleich drei Investoren darüber, dass die aus ihrer Sicht wichtigsten Themen nicht angesprochen wurden. Zurück im Büro, begann sich Simon zu hinterfragen: War die Kritik gerechtfertigt? Welche relevanten Themen fehlten? Wie konnte es zu den abweichenden Erwartungen kommen? Und natürlich: Wie stelle ich sicher, dass das nicht wieder passiert?

Ähnliche Erfahrungen haben bereits viele IR-Verantwortliche machen müssen. Eine Perception Study hätte Abhilfe schaffen können. Sie gibt systematisch darüber Auskunft, welche Erwartungen und Wünsche die Ansprechpartner am Kapitalmarkt haben. Die Perception Study liefert Mehrwert für die tägliche Arbeit und die Prioritätensetzung, nicht nur bei einem Capital Markets Day, sondern auch für die Equity Story, die Roadshow-Präsentation, die IR-Webseite und die Veröffentlichung von Zahlen. Die Ergebnisse können Investor Relations und Vorstand dabei helfen, die IR-Arbeit noch besser auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe auszurichten.

Eine Perception Study birgt jedoch auch ein Risiko. Wenn sie konzeptionelle Fehler enthält oder schlecht durchgeführt wird, können falsche Rückschlüsse für die IR-Arbeit gezogen werden. Nur eine konzeptionell und handwerklich gut gemachte Perception Study hilft den Entscheidungsträgern im Unternehmen. Es gibt also mehrere Punkte, die beachtet werden sollen.

Wann?

Es gibt konkrete Anlässe, bei denen die Durchführung einer Perception Study einen großen Mehrwert bieten kann – beispielsweise bei einem Vorstandswechsel, einer grundlegend überarbeiteten Equity Story oder einer geschäftsverändernden Akquisition. Die Durchführung einer Perception Study auf einzelne Ereignisse zu reduzieren, würde jedoch zu kurz greifen. Es empfiehlt sich, auch bei „normalem“ Geschäftsverlauf in regelmäßigen Abständen anonymes, dezidiertes Feedback vom Kapitalmarkt zu sammeln. Dies erfolgt oftmals entweder vor dem Capital Markets Day oder zum Jahresende, um die Erkenntnisse in die ohnehin anstehende Überarbeitung der Investoren-Präsentation einfließen zu lassen.

Welche Fragen?

Die Fragen müssen nicht nur auf das jeweilige Unternehmen ausgerichtet sein, sondern sollten auch alle kritischen Themenbereiche abdecken. Der Fragenkatalog sollte in manchen Punkten konkrete Auswahlmöglichkeiten beinhalten, um eine dezidierte Auswertung sicherzustellen, und in manchen Bereichen offene Antworten ermöglichen, um ausführlicheres Feedback zu erhalten. Absolut entscheidend für die Qualität der Erkenntnisse ist, dass bei Kernthemen und offenen Fragen im richtigen Moment nachgehakt wird. Daher sollte die Perception Analyse auch nicht in Form einer klassischen digitalen Umfrage durchgeführt werden, sondern als Gespräch anhand des Fragenkatalogs von einem externen Fragensteller. Dabei sollte der Fragenkatalog dem Fragensteller eine ausreichende Flexibilität eröffnen und eine ausgewogene Mischung von vorgegebenen Antwortmöglichkeiten und individuellen Feedback enthalten.

Wer wird befragt?

Um eine aussagekräftige Perception Analyse zu erhalten, ist es selbstverständlich wichtig, die richtigen Gesprächspartner auszuwählen. Dabei sollten möglichst alle Analysten einbezogen werden, die wichtigsten Investoren aus verschiedenen Ländern und bewusst auch kritische Stimmen nicht außen vorgelassen werden. Es kann auch sinnvoll sein, Fremdkapitalvertreter auf die Liste zu nehmen, wenn diese eng am Unternehmen sowie entsprechend einflussreich sind und von der IR-Abteilung betreut werden. Darüber hinaus können Finanzjournalisten, die regelmäßig über das Unternehmen schreiben, wertvolle Gesprächspartner sein. Je diverser die Zielgruppe ist, desto sinnvoller ist es später, die Auswertungsergebnisse nach den verschiedenen Stakeholder-Gruppen zu clustern. Beispielsweise zeigen sich oftmals deutliche Unterschiede bei der Wahrnehmung von Investoren aus Kontinentaleuropa und den USA.

Quelle: Kirchhoff Consult AG

Wie wird gefragt?

Natürlich sollte eine gute IR-Abteilung regelmäßig mit den wichtigsten Teilnehmern des Kapitalmarkts sprechen und einschätzen können, wie die allgemeine Erwartungshaltung an das Unternehmen ist. Allerdings bleiben in Conference-Calls, eng getakteten One-on-Ones oder themenspezifischen Gesprächen, oftmals wichtige Punkte unausgesprochen. Diese können sensibel sein und sollten vertrauensvoll gehandhabt werden. Genau deshalb sollte die Perception Study von externen Fachleuten unter Zusicherung absoluter Anonymität erfolgen. Um das Maximum aus den Gesprächspartnern herauszulocken, ist es für den Erfolg unerlässlich, dass erfahrene Kapitalmarktpraktiker mit dem Gespür für kritische Themen die Fragen stellen und an den entscheidenden Punkten nachhaken. Ein Beispiel: Bei der Frage zur Verwendung des Bilanzgewinns ist für die IR-Arbeit und die strategische Unternehmensführung mit der Antwort „Verwendung für M&A“ wenig gewonnen. Den entscheidenden Mehrwert kann ein erfahrener Interviewer durch Nachfragen gewinnen: „In welchem Bereich sollte zugekauft werden?“, „Wie wichtig ist, dass der Zukauf accretive ist?“, oder „Welche Kennziffern sind für Sie dabei entscheidend?“ Wird da nicht nachgehakt, verschenkt man wichtige „Insights“.

Wie sieht die Auswertung aus?

Der Mehrwert durch gutes Fragen und Nachfragen muss sich auch in der Auswertung widerspiegeln. Natürlich genügt bei vielen Fragen, gerade bei unkritischen Themen, eine einfache, grafische Darstellung der Antworten – idealerweise aufgegliedert nach Analysten, Investoren und jeweils nach Regionen. Anekdotisch: Manchmal ist es sehr spannend zu sehen, wie sehr sich die Anforderung angelsächsischer Analysten von ihren deutschen oder französischen Kollegen unterscheiden.

Fazit

Eine gute Perception Study liefert insbesondere zu kritischen Themenbereichen, die meist die Themen Equity Story, M&A und Vertrauen in den Vorstand betreffen, umfassende und ungefärbte  Aussagen – auch wenn sie hin und wieder weh tun. Was wichtige Investoren oder Analysten sagen, sollte anonym weitergegeben werden. Hier können zielgruppengerechte Exzerpte der Präsentation an Vorstand und Aufsichtsrat geleitet werden. So führt eine gut aufgesetzte, professionell gemachte Perception Study dazu, dass der nächste Capital Markets Day genau die Themen umfasst, die von der Zielgruppe gewünscht sind. Und Simon G. das verdiente Lob seines Vorgesetzten erhält.

Autor/Autorin

Jens Hecht

Jens Hecht, CFA, ist Managing Partner von Kirchhoff Consult und berät seit über 25 Jahren mittelständische Unternehmen bei der Vorbereitung und Durchführung von Börsengängen sowie in den Bereichen Investor Relations, ESG und Finanzberichterstattung.