Bildnachweis: Foto: Personio.
Was haben Techfirmen wie SHARE NOW und ABOUT YOU, etablierte Mittelständler wie Heidelberg Engineering und Lautsprecher Teufel oder NGOs und Unternehmen des öffentlichen Sektors wie die UNO-Flüchtlingshilfe oder die Gemeinde Haar gemeinsam? Einfache Antwort: Sie alle nutzen die Personalsoftware der Personio SE aus München. Das 2015 gegründete Unternehmen denkt und bearbeitet das Thema umfassend und nennt die Software deshalb People Operation System. In einer neuen Serie stellt GoingPublic deutsche Unicorns vor, die man sich künftig auch an der Börse wünscht.
Vier Freunde müsst Ihr sein
Personio wurde im August 2015 von Hanno Renner, Roman Schumacher, Arseniy Vershinin und Jonas Rieke gegründet. Als Brutkasten fungierte das Center for Digital Technology & Management (CDTM) in München. Die Einrichtung, eine gemeinsame Institution der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Technischen Universität München (TUM), bietet ein interdisziplinäres Add-on-Programm für Studierende, das Teil des Elitenetzwerks Bayern ist. Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen mit Unternehmergeist finden dort Zugang zu Tools, um ihre Ideen in Business zu transformieren. Die Idee des Gründungsquartetts basierte auf der Erfahrung eines Kommilitonen. Dieser jobbte in einem etablierten Betrieb mit gut 100 Beschäftigten – und war damit ausgelastet, die Personalangelegenheiten über Excel-Tabellen abzuwickeln.
Natürlich gab es bereits seinerzeit HR-Software, allerdings ausgelegt auf Großunternehmen. Für den Mittelstand fehlte eine passgenaue Lösung. In diese Marktlücke ist das Quartett mit großem Erfolg gestoßen. Rein rechnerisch hat Personio seit Gründung jeden einzelnen Tag mehr als drei neue Kunden gewonnen. Die bedient das Unternehmen mit einer cloudbasierten Software, was Kosten für Hardware minimiert. Mit intelligenter Architektur und Features nutzt Personio den Vorteil, nicht auf bestehende Legacy-Systeme aufbauen oder Rücksicht nehmen zu müssen.
Stolze 715 Mio. USD Wachstumskapital eingeworben
Wachstum kostet Geld – das ist auch bei Personio nicht anders. Die ersten Monate verbrauchte das Team Eigenmittel (sogenanntes Bootstrapping), im Juli 2016 folgte eine Seed-Finanzierung über 2,1 Mio. USD. In drei Finanzierungsrunden 2017, 2019 und 2020 sammelte Personio 127 Mio. USD bei internationalen Investoren ein. Der Schritt zum Unicorn ergab sich 2021 mit einer Series-D-Finanzierungsrunde über 125 Mio. USD. Daraus errechnete sich eine Bewertung von 1,7 Mrd. EUR.
Im Juni 2022 wurde der geplante zweite Abschluss einer Series-E-Finanzierungsrunde bekannt gegeben, in deren Zuge das im Oktober 2021 eingesammelte Kapital um weitere 200 Mio. USD auf insgesamt 470 Mio. USD aufgestockt wurde. Die Unternehmensbewertung erhöhte sich gleichzeitig auf 8,5 Mrd. USD. Personio gehört damit zu den wachstumsstärksten und wertvollsten Software-Start-ups weltweit. Investoren in der frühen Phase waren Picus Capital, Index Ventures, Northzone und Global Founders Capital. Später kamen Namen wie Lightspeed und Greenoaks hinzu. Aktuell sind 16 Private-Equity-Gesellschaften und acht Business Angels investiert.
Die erneute Finanzierungsrunde wurde von Bestandsinvestor Greenoaks angeführt, der damit Personios ambitioniertes Ziel, Personalprozesse kleiner und mittelständischer Unternehmen in Europa zu digitalisieren, weiter unterstützt. Das Investment folgt auf die erfolgreiche Geschäftsentwicklung mit anhaltendem jährlichem Wachstum, großem Expansionspotenzial und einem resilienten Geschäftsmodell, von dem KMU auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten profitieren. Das Kapital wird die Entwicklung von People Workflow Automation, Personios Vision zur team- und applikationsübergreifenden Automatisierung von Personalprozessen, weiter vorantreiben. 1 Mrd. Datenaktualisierungen wurden so bereits 2022 bei Personio-Kunden automatisiert, wodurch HR-Teams von aufwendigen manuellen Aufgaben befreit werden.
„Ein IPO ist für uns ein natürlicher Schritt“
Im Gespräch mit Hanno Renner, CEO, Personio SE
Going Public: Für welchen Zeitpunkt streben Sie als Gründer und die Investoren das IPO an?
Renner: Ein IPO ist für uns kein Ziel, sondern ein natürlicher Schritt in der weiteren Entwicklung des Unternehmens. Im Moment konzentrieren wir uns auf unser weiteres Wachstum und investieren nach wie vor stark in unser Produkt, um den Nutzen für die Kunden weiter zu steigern. Der spezifische Zeitpunkt hängt von externen Marktbedingungen und internen Entscheidungen ab.
An welche Handelsplätze denken Sie?
Als führendes Softwareunternehmen, das speziell auf die Bedürfnisse europäischer KMU ausgerichtet ist, sind wir stolz auf unsere europäische Identität. Daher würden wir auch eine Notierung an einer der europäischen Börsen bevorzugen. Letztendlich wird der Handelsplatz jedoch von einer Vielzahl an Faktoren und den spezifischen Marktbedingungen abhängig sein.
Welche Meilensteine soll Personio bis dahin erreichen, wann würden Sie von Börsenreife sprechen?
Seit unserer Gründung unterstützen wir kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre HR-Prozesse zu digitalisieren. Heute vertrauen bereits über 10.000 Organisationen, die insgesamt über eine Million Mitarbeiter auf sich vereinen, den Lösungen von Personio. Gemeinsam schaffen all diese Organisationen einen enormen Wert für die europäische Wirtschaft sowie für die Unternehmen, Organisationen und Menschen, die ihre Produkte und Dienstleistungen nutzen. Für Personio bedeutet das, dass wir uns insbesondere damit beschäftigen, wie wir KMU – das Rückgrat unserer Wirtschaft – unterstützen können, damit sie jetzt und in Zukunft erfolgreich sind.
Worauf legen Sie aktuell den Fokus?
Unser Marktpotenzial ist enorm und wir stehen erst am Anfang unserer Reise. Der Fokus liegt darauf, den Mehrwert für unsere Kunden weiter auszubauen und gleichzeitig strategische Investitionen in das Wachstum und in Produktinnovationen wie Personio Payroll zu tätigen.
Bieten Sie ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm an?
Wir sind der festen Überzeugung, dass jeder Mitarbeiter, über alle Level und Unternehmensbereiche hinweg, als Anteilseigner vom langfristigen Erfolg des Unternehmens profitieren soll. Deshalb bieten wir allen Kollegen einen Virtual Employee Stock Option Plan (VESOP).
Herr Renner, vielen Dank für diese Einblicke.
Das Interview führte Stefan Preuß.
Börsengang logische Entwicklung
Angesichts dieser Finanzierungslage erscheint ein IPO zu gegebener Zeit geradezu logisch. Bis dahin müsse sich Personio aber noch weiterentwickeln, sagt Gründer Renner (siehe Interview). Die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen sind bereits geschaffen, denn Anfang 2023 wandelte sich das Unternehmen in eine Societas Europaea (SE) um. „Dieser Schritt spiegelt die bisherige starke Entwicklung von Personio wider und liefert die Voraussetzungen für weiteres europaweites Wachstum und einen mittelfristigen Börsengang“, hieß es seinerzeit. Renner unterstreicht die Bedeutung dieses Schritts: „Die Kunden von Personio sind europäische kleine und mittelständische Unternehmen, die wir über unsere sieben Büros in fünf europäischen Ländern unterstützen. Jetzt haben wir auch die Rechtsform, die eindeutig demonstriert, dass Personio ein wirklich europäisches Unternehmen ist.“
Fazit
Personalsoftware zählt zu den klassischen „Must-haves“ jedes Unternehmens. Derzeit verfügt Personio über 10.000 Kunden, die Zahl der Zielunternehmen wird allein in Europa auf ca. 1,7 Mio. geschätzt. Das sagt alles über das Wachstumspotenzial aus, auch wenn der jüngste im E-Bundesanzeiger verfügbare Jahresbericht noch einen deutlichen Jahresverlust aufweist. Das ändert freilich nichts an der beeindruckenden Story, der internationale Investoren schon einen Wert von über 8 Mrd. USD beimessen. GoingPublic wird die Personio-Story weiterverfolgen – vielleicht in den kommenden Jahren auch als Erfolgsgeschichte an der Börse!
Autor/Autorin
Stefan Preuß
Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".