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Nachdem die Pandemie im Vorjahr die Prognosesicherheit beeinträchtigt hatte, sind die Rahmenbedingungen heuer mit dem Russland-Ukraine-Krieg noch instabiler geworden. Viele Unternehmen haben sich dennoch quantitative Prognosen zugetraut.
Die Prognosen des Managements über die zukünftige Geschäftsentwicklung sind für Aktionäre und potenzielle Investoren eine wichtige Richtschnur für die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens – doch die höchste Inflation seit den 1970er-Jahren, steigende Zinsen, unterbrochene Lieferketten, der Russland-Ukraine-Krieg und die Folgen der Coronapandemie beeinträchtigen die Prognosefähigkeit. Die Rahmenbedingungen erschweren die ohnehin herausfordernde Aufgabe weiter, eine möglichst transparente und genaue Aussage über die zukünftige Unternehmensentwicklung zu treffen.
Wie gehen Unternehmen mit diesen Unsicherheiten bei der Erstellung ihrer Prognosen um? Leidet die Transparenz in der Kommunikation? Diesen Fragen ist Kirchhoff Consult zusammen mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) in der diesjährigen Ausgabe der Prognoseberichtsstudie nachgegangen. Untersucht wurden die Prognoseberichte der DAX40-Unternehmen hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Angaben zu 15 Kriterien. Nach der Indexreform der Deutschen Börse waren erstmals 40 Unternehmen Teil dieser Untersuchung. Insgesamt zwölf Unternehmen sind neu in den DAX aufgestiegen. Anhand der Analyse wurden die DAX-Unternehmen in die drei Transparenzkategorien „hoch“, „mittel“ und „gering“ eingruppiert. Quantitative Angaben zum Konzernergebnis und zu den Segmentergebnissen fielen dabei besonders positiv ins Gewicht.
Transparenz der Prognoseberichte auf stabilem Niveau
Vor dem Hintergrund der beschriebenen hohen Marktunsicherheiten und der Neuzusammensetzung des DAX ist das zentrale Ergebnis dieser Ausgabe bemerkenswert. Die Transparenz der Prognoseberichte ist insgesamt auf einem stabilen Niveau. Zahlreiche Unternehmen haben das Transparenzniveau des Vorjahres bestätigt oder sogar erhöht; nur zwei schnitten schlechter ab. Dennoch haben viele DAX-Unternehmen noch weiteres Potenzial bei der Transparenz der Prognoseberichte.
Insgesamt haben 16 der untersuchten Unternehmen das Prädikat „hohe Transparenz“ für ihre Prognoseberichterstattung erhalten (siehe Abb. 1). Dabei stammten die beiden besten Berichte von der Deutschen Telekom und Fresenius. In die Kategorie „mittlere Transparenz“ fallen 20 der DAX-Unternehmen. Merck ist in diesem Jahr das einzige Unternehmen in der Kategorie „niedrige Transparenz“: Lediglich Merck hat das Konzernergebnis weder auf Konzern- noch auf Segmentebene quantifiziert. Delivery Hero und insbesondere die Deutsche Bank, die beide im vergangenen Jahr Schlusslichter der Untersuchung waren, haben in ihren Prognoseberichten einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht.
Das wichtigste Kriterium in der Untersuchung sind die Ergebnisprognosen. 36 der 37 analysierten Unternehmen quantifizierten in den Geschäftsberichten 2021 ihre Ergebnisprognose auf Konzern- und/oder auf Segmentebene. Trotz der unsicheren Rahmenbedingungen mit Inflation, steigenden Zinsen, Russland-Ukraine-Krieg, Pandemie und Problemen in den Lieferketten zeigt sich damit ein leichter Fortschritt. Eine mittelfristige Ergebnisprognose über den Zeitraum von einem Jahr hinaus haben allerdings nur sechs Unternehmen veröffentlicht.
Nachholbedarf bei ESG-Prognosen
Abstriche machten die Unternehmen dagegen bei der Einbindung von Prognosen zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren im Prognosebericht. Obwohl diese Aspekte für Unternehmen eine immer größere Rolle spielen, stellen nur sieben eine quantitative Prognose für die nichtfinanziellen Leistungsindikatoren bereit und damit vier weniger als im Vorjahr – trotz der Erweiterung des DAX. Vier weitere Unternehmen treffen qualitative Aussagen. Dieser rückläufige Trend ist angesichts der steigenden Bedeutung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren am Kapitalmarkt verwunderlich, denn auch eine wachsende Zahl von Investoren berücksichtigt ESG-Faktoren als zwingendes Kriterium für eine Investmententscheidung. In den Prognoseberichten sollte die zukünftige Unternehmensentwicklung anhand wichtiger Steuerungsgrößen transparent vorhergesagt werden. An nichtfinanziellen Leistungsindikatoren führt dabei kein Weg vorbei.
Prognosen schaffen Vertrauen. Dieser Grundsatz gilt auch in unsicheren Zeiten. Wie gut die DAX-Unternehmen ihre Prognosen tatsächlich treffen werden, wird sich im Jahresverlauf zeigen. Viele Unternehmen haben ihre Prognosen bereits anpasst. Die Herausforderung für die Unternehmen wird daher sein, auch bei schlechten Nachrichten gut zu kommunizieren – nur so kann das Vertrauen der Investoren dauerhaft erhalten werden. Insbesondere in unsicheren Zeiten ist eine kurz- und längerfristige Orientierung für die Investoren wichtig. Daher ist es sehr wünschenswert, wenn die Unternehmen auch im kommenden Jahr keine Abstriche bei der Transparenz machen. Es bleibt abzuwarten, ob das Umfeld dann wieder ruhiger ist und die Aufgabe der Ausarbeitung einer transparenten und treffenden Prognose wieder etwas einfacher wird.