2022 und 2023 ist es bei den Unternehmensbewertungen von Start-ups und Wachstumsunternehmen zu einer starken Marktkorrektur gekommen. Die Preisvorstellungen ihrer Gesellschafter trafen auf eine neue Realität. Investoren waren nicht mehr bereit, die hohen Bewertungen zu akzeptieren. Dies führte zu einem illiquiden Markt: Verkäufer warteten auf wieder steigende Bewertungen, Käufer auf weiter fallende Preise. Trade Sales und IPOs gab es kaum. Die Lösung könnten VC-Secondaries sein, wie ein hochkarätiges Panel der Investmentbanken Bryan Garnier und Stifel in den Räumen der Kanzlei POELLATH am 20. Februar deutlich machte.

Start-up-Gründer, Early-Stage-Investoren sowie Mitarbeiteraktionäre eines Start-ups hoffen darauf, dass sie für ihren Einsatz belohnt werden durch einen Börsengang des Unternehmens oder den Verkauf an einen größeren Konzern. Dann fließt als Belohnung Geld in die persönliche Kasse. Aber da Fusionen und Übernahmen erheblich zurückgegangen sind und die IPO-Pipeline auf ein Rinnsal geschrumpft ist, fällt diese Option oftmals praktisch aus. Und die sinkenden Unternehmensbewertungen machen auch einen Verkauf des Unternehmens schwierig. Gesellschafter sind somit  immer häufiger gezwungen, ihre Anteile länger als ursprünglich geplant zu halten.

Es müssen also neue Wege gefunden werden, um Liquidität für Aktionäre und Mitarbeiter von Start-ups zu generieren. Auch die investierten VC-Funds brauchen in bestimmten Fällen Liquidität, um notwendige Ausschüttungen vornehmen zu können. Auf jeden Fall gilt es auch zu verhindern, dass durch kurzfristige Alleingänge bei Teilverkäufen neue Investoren mit an Bord kommen, deren Einstellung im Widerspruch zur längerfristigen Strategie des Startups stehen. Synchron denkende und kooperierende Anteilseigner im Cap-Table sind für junge Unternehmen wichtig.

Was ist ein Secondary Deal?

Eine Lösung für die kontrollierte und strategisch geplante Generierung von Liquidität für Gesellschafter von Startups sind sogenannte VC Secondary Deals.  Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Fundraising-Maßnahme besteht das Ziel eines Secondary Offering nicht (ausschließlich) darin, dem Unternehmen neue Finanzmittel für sein Wachstum zur Verfügung zu stellen. Stattdessen soll den bestehenden Aktionären oder Mitarbeitern freie Liquidität verschafft werden. Oftmals bietet sich zusätzlich eine hervorragende Gelegenheit, einen neuen Investor zu gewinnen, der möglicherweise stärker mit der langfristigen Vision des Unternehmens übereinstimmt. Gerade bei wachstumsstarken Unternehmen kann es im Verlauf von mehreren Finanzierungsrunden passieren, dass der Gesellschafterkreis und damit das Cap-Table immer heterogener wird und so eine gemeinsame Vorgehensweise behindert.

Serge Licht, Director Private Capital Markets bei Bryan, Garnier & Co. (ganz rechts) moderierte das hochkarätige Panel. Foto: © GoingPublic Media AG

Über einen Secondary kann das Management auch dies  aktiv weiter gestalten. „Wir sehen in Secondaries für Startup-Gründer eine hervorragende Chance, dass sie den Kreis der Anteilseigner und Investoren strategisch beeinflussen können. Auf diese Weise halten sie das Ruder weiter fest in der Hand“, erklärt Serge Licht, Director Private Capital Markets bei Bryan, Garnier & Co. in München. Ein weiterer Vorteil: das Secondary-Vehikel kann deutlich schneller aufgesetzt werden als eine neue Finanzierungsrunde. Zudem werden die nicht verkaufswilligen Gesellschafter nicht verwässert. Wer im Rahmen der der Secondary-Transaktion veräußert, kann die Wertentwicklung seiner Beteiligung nun real zeigen und den Ertrag auch an seine Investoren auskehren. Bei einem ausgetrockneten Markt für Exits eine willkommene Liquiditätsspritze.

Bereits viele große Transaktionen in Europa

Fabian Zimmer, Managing Director DACH bei Stifel; Foto: © GoingPublic Media AG

Mit den Marktchancen und der Umsetzbarkeit von VC Secondary Deals setzte sich ein hochkarätig besetztes Event in den Münchner Kanzleiräumen von POELLATH auseinander. Sprecher auf dem Podium waren unter anderem Christian Tönies, Partner bei POELLATH, Falk Mueller-Veerse, Partner bei Bryan, Garnier & Co. und Fabian Zimmer, Managing Director DACH bei Stifel. Dabei wurde deutlich: In der jüngeren Vergangenheit gab es einige größere Secondary-Transaktionen in Europa. Dazu gehörten Vinted mit einem Volumen von rund 340 Mio. EUR, Moneybox mit einem Volumen von 70 Mio. Pfund sowie Monzo, Revolut und GoCardless. Ein stattliches Volumen von 100 Mio. EUR hatte zum Jahresende 2024 auch das Secondary-Funding des Berliner Geldanlage-Startups Raisin. Als Käufer treten in diesen Transaktionen zumeist Sekundärfonds, Family Offices und Pensionsfonds auf, die nach vergünstigten Vermögenswerten suchen. Die Höhe der offerierten Beteiligungen liegt zumeist zwischen 10 Mio. und 300 Mio. USD.

Julien Polenne, Head of Private Capital Markets bei Bryan, Garnier & Co. Foto:© GoingPublic Media AG

Ausführlicher dargestellt wurde bei dem Event von Julien Polenne, Head of Private Capital Markets bei Bryan, Garnier & Co., die Secondary-Transaktion von Back Market im vergangenen Jahr. Der weltweit führende Marktplatz für generalüberholte Elektronik erreichte 2024 die Gewinnschwelle auf EBITDA-Basis. Eine Gruppe von Mitarbeitern und Aktionären beauftragte Bryan Garnier mit dem teilweisen Verkauf ihrer Anteile. Das Team strukturierte die Transaktion und bereitete die Platzierung innerhalb von kürzester Zeit gezielt vor. Ein Konsortium interessierter Investoren wurde angesprochen und in die Strukturierung der Sekundärinvestition eingebunden. Die hohe Nachfrage führte zu einer Überzeichnung, so dass weitere Anteilseigner in den Deal integriert werden konnten. Der gesamte Prozess kannte innerhalb von nur vier Monaten abgeschlossen werden. Das Volumen der Transaktion lag bei rund 70 Mio. EUR.

Fairer Umgang bei den Bewertungen wichtig

Alberto Chalon, Founding Partner, Giano Capital, und Kristaps Ronis, Partner, Ion Pacific. Foto: © GoingPublic Media AG

An der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Serge Licht, beteiligten sich Alberto Chalon von Giano Capital, David Laroque von Bryan Garnier, Christian Tönies von POELLATH, Kristaps Ronis von Ion Pacific und Oliver Würtenberger von der Investmentgesellschaft AF1.VC. Alberto Chalon nahm in seinem Statement den potenziellen Verkäufern die Angst vor zu großen Abschlägen. In Europa sei zu beobachten, dass sich beide Seiten um einen fairen Umgang bemühten. Überdurchschnittliche Abschläge seien bei einem Secondary Deal nicht zu befürchten. David Laroque wies darauf hin, dass inzwischen praktisch nur noch investiert wird, wenn Unternehmen auch schwarze Zahlen vorweisen könnten. Darauf müssten sich die Start-ups einstellen.

Fazit: Es wird mehr Deals geben

Anschließendes Networking: v.li.n.re.: Lucerito Valencia, Bryan, Garnier & Co., Regine Petzsch, Bryan, Garnier & Co., Fabian Zimmer, Managing Director DACH, Stifel, Falk Müller-Veerse, Partner DACH, Bryan, Garnier & Co., Eva Rathgeber, GoingPublic Media AG, Karin Hofelich, VentureCapital Magazin. Foto: © GoingPublic Media AG

Oliver Würtenberger, Founding Partner von AF1.VC, verwies darauf, dass es seiner Erfahrung nach für verschiedene Ticketgrößen auch jeweils die passenden Investmentfonds gebe. Er lege gerade selbst einen Fonds für kleinere Transaktionen auf und spüre bereits eine erfreuliche Nachfrage. Christian Tönies sorgte für Schmunzeln mit seiner Aussage, dass in den Jahren 2020 und 2021 eigentlich kaum jemand eine ausführliche Due Diligence vor einem VC-Investment durchgeführt habe. Hier hätten sich die Zeiten gründlich geändert. Secondary-Deals sind nach Tönies´ Erfahrung in Deutschland allerdings etwas komplizierter als in anderen europäischen Ländern. Das habe mit einigen spezifischen juristischen Regelungen zu tun, die die Flexibilität einschränken. Gemäß Alberto Chalon schlägt hier die Stunde der erfahrenen Berater, was die Zusammenstellung der notwendigen Informationen angehe. Sie sicherten auch eine effiziente Daten-Nutzung während der Strukturierung der Transaktion. Einig waren sich alle Podiumsteilnehmer darin, dass es in Zukunft deutlich mehr VC-Secondary Deals geben werde. Eine interessante Marktperspektive, auch aus Sicht von GoingPublic Media und ihren Medien!

Autor/Autorin

Alexander Görbing

Als Redakteur der Schwesterpublikation Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.