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Der Prognosebericht zählt zweifellos zu den spannendsten Inhalten eines Geschäftsberichts. Seit 2005 untersuchen wir bei Kirchhoff Consult, wie transparent Unternehmen ihre Aussichten darstellen – und wie gut sie die tatsächlichen Ergebnisse prognostizieren.
Auch in unserer aktuellen Studie haben wir die qualitativen und quantitativen Angaben zur zukünftigen Geschäftsentwicklung in den Prognoseberichten der DAX30-Geschäftsberichte 2020 ausgewertet. Dabei haben wir den quantitativen Angaben zum Konzernergebnis und den Segmentergebnissen besonderes Gewicht zugemessen.
Abb. 1: Prognosequalität 2020 – drei Transparenzlevel
Es wird intransparenter
Ein zentrales Ergebnis unserer Untersuchung: Gegenüber der letzten Erhebung zum Geschäftsjahr 2018 ist die Transparenz der Prognoseberichte gesunken. Nur noch 14 Unternehmen (2018: 15) schaffen es in die beste Kategorie, nämlich „hohe Transparenz“. 13 Unternehmen (2018: 14) erreichten „mittlere Transparenz“, zwei Unternehmen (2018: null) weisen eine „niedrige Transparenz“ auf (Abb. 1).
Wie in den vorherigen Erhebungen ist der Umfang des Prognoseberichts kein Indiz für die Qualität und Transparenz der Prognose: In der Kategorie „hohe Transparenz“ finden sich Prognoseberichte zwischen zwei (Deutsche Post DHL, Deutsche Wohnen) und elf Seiten (Deutsche Telekom). Gleichzeitig erreicht die Deutsche Bank trotz eines neunseitigen Prognoseberichts nur eine niedrige Transparenz (Abb. 2).
Abb. 2: Umfang der DAX-30-Prognoseberichte
Insgesamt haben wir 15 Transparenzkriterien untersucht und ermittelt, ob die Prognose quantitativ oder qualitativ getroffen wurde. Neben den Ergebnisprognosen stehen bei vielen Unternehmen auch Aussagen zum gesamtwirtschaftlichen Umfeld und zur Branchenentwicklung auf dem Programm. Auch die Investitionssumme, das Segmentergebnis, die Finanzierung sowie der Konzern- und der Segmentumsatz werden von der Mehrheit der Unternehmen quantifiziert. Seltener finden sich Angaben zur Produktpolitik und zur Preisentwicklung (Abb. 3).
Abb. 3: Nur wenige Unternehmen prognostizieren ESG-Indikatoren
Auch die nicht-finanziellen Leistungsindikatoren sind bislang kein fester Bestandteil der Prognoseberichte; lediglich zwölf Unternehmen (2018: 14) haben entsprechende Angaben gemacht. Vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung dieser Informationen für die Finanzmärkte sind diese Ergebnisse bemerkenswert – schließlich machen immer mehr Investoren ihre Investitionsentscheidung von ESG-Kriterien abhängig. Nicht-finanzielle Leistungsindikatoren scheinen für die DAX30-Unternehmen hingegen noch nicht zu den wichtigsten Steuerungsgrößen zu gehören.
Unterschiedliche Treffsicherheit
Im Coronajahr 2020 standen die Unternehmen vor besonderen Herausforderungen bei der Prognose. Das zeigt sich bereits an der Vielzahl unterjähriger Prognoseanpassungen: Nur fünf DAX-Unternehmen behielten ihre ursprüngliche Prognose aus dem Geschäftsbericht 2019 bei. Gleichzeitig haben fünf Unternehmen ihre Prognose im Jahresverlauf komplett gestrichen; weitere 13 Unternehmen senkten ihre Prognose unterjährig. Das Thema Corona wird in allen Prognoseberichten aufgegriffen. Munich Re verwendet die Begriffe „Corona“, „COVID-19“ und „Pandemie“ im Verhältnis zur Textlänge des Prognoseberichts am häufigsten.
Abb. 4: Prognosen zu nicht-finanziellen Indikatoren
Bei den quantitativen Prognosen ist die Treffsicherheit auffällig niedrig. 21 Unternehmen (2018: 24) haben einen Soll-Ist-Vergleich zu den Prognosen aus dem Geschäftsjahr 2019 angestellt. Unterjährige Anpassungen wurden hierbei nicht berücksichtigt. Die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen hat ihre Prognose verfehlt und dies auch mit der Pandemie begründet (siehe Abb. 4).
Ein anderes Bild zeigt sich bei den fünf Unternehmen, die im Geschäftsbericht 2019 ausschließlich eine qualitative Prognose abgegeben hatten: Hier haben vier DAX-Unternehmen die Prognose erfüllt.
Best Practice: Deutsche Telekom
Der insgesamt beste Prognosebericht stammt erneut von der Deutschen Telekom. Wichtige Leistungsindikatoren zur Steuerung des Unternehmens werden quantitativ in Tabellen dargestellt. Darüber hinaus erläutert die Deutsche Telekom in Textform, wie die prognostizierten Kennzahlen zustande kommen. Die Prognosen werden auf Konzern- und Segmentebene sowie zusätzlich nach regionaler Verteilung aufgeschlüsselt. Zudem bietet der Bericht eine umfassende und detaillierte Darstellung von Prognosen über den gesetzlichen Berichtszeitraum von einem Jahr hinaus.
Auf lediglich zwei Seiten bringt der Prognosebericht von Deutsche Post DHL alle wichtigen Informationen unter. Der Text enthält quantitative Angaben zu Umsatz- und Ergebniskennzahlen auf Konzern- und Segmentebene und ist übersichtlich wie auch strukturiert aufgebaut. Tabellarische Darstellungen für eine noch kompaktere Ansicht „auf einen Blick“ bleiben jedoch aus – ebenso wie zusätzliche Erläuterungen.
Unsere Prognose zur Prognose
Das Pandemiejahr 2020 hat deutlich gezeigt, mit welch großer Unsicherheit Prognosen behaftet sind. Dennoch bleiben sie eine wichtige Orientierung für Aktionäre: Prognosen schaffen Vertrauen. Daher bleibt zu hoffen, dass die zukunftsgerichteten Aussagen bei unserer nächsten Untersuchung – dann im DAX40 – wieder unter solideren Vorzeichen erfolgen können. Mit Spannung erwarten wir auch die Entwicklung zu den ESG-Kennzahlen, denn die nachhaltige Leistung von Unternehmen sollte genauso messbar und prognostizierbar sein wie der finanzielle Erfolg.
Die vollständige Studie ist online verfügbar: https://bit.ly/3nhD6qh