Wenn einer eine Rüge hat…
Die Hauptversammlung zieht sich hin, viele Stunden, ein Stoßseufzer: Endlich ist es vorbei! Doch halt: Denn jetzt geht es erst richtig los! Im Anschluss an die Hauptversammlung folgt entweder die Nachbereitung und Umsetzung der gefassten Beschlüsse oder die Auseinandersetzung mit etwaigen Anfechtungen dieser Beschlüsse. Aber was bedeutet das für die AG und wie läuft das in der Praxis eigentlich ab? Warum ist eine solche Klageerhebung so gefürchtet, unabhängig davon, ob an der Sache „etwas dran ist“ oder nicht? Schauen wir uns die Anfechtungsklage und deren Auswirkungen einmal näher an.
Eine Anfechtungsklage: Was ist das eigentlich?
Das Anfechtungsrecht basiert auf einem Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts: Die Aktie hat einen Eigentümer und dieser soll sein Eigentum schützen können. Fasst die Hauptversammlung einen Beschluss, der nicht im Einklang mit geltendem Recht steht, muss der Aktionär das nicht hinnehmen, sondern darf sich wehren. Er kann ein Gericht ersuchen, den Beschluss rückwirkend für nichtig zu erklären. Der Grundsatz ist: Zunächst einmal sind alle von der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse wirksam – auch solche, die fehlerhaft zu Stande kamen. Nur ganz schwerwiegende Rechtsverstöße, sogenannte Nichtigkeitsgründe, sorgen dafür, dass ein Beschluss von Anfang an unwirksam ist. Hierbei handelt es sich um Kardinalfehler, wie z.B. bestimmte Einberufungsmängel oder die fehlende ordnungsgemäße Beurkundung.
Die Rückwirkung einer Anfechtungsklage kann zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Wird z.B. ein Aufsichtsratsmitglied bestellt und dieser Wahlbeschluss nach mehreren Jahren für nichtig erklärt, so gab es die Wahl nie und das Amt hat nie begonnen. Das vermeintliche Aufsichtsratsmitglied hat also nicht wirksam an Beschlussfassungen teilgenommen. Das kann im Einzelfall desaströse Folgen haben. Daher ist eine der wichtigsten Maßnahmen bei Konfrontation mit einer Anfechtungsklage zu analysieren, welche Folgen die Klage – wenn sie erfolgreich wäre – für die Gesellschaft haben kann und geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen, damit das Unternehmen handlungsfähig bleibt. Im Fall der Aufsichtsratswahl wäre dies z.B. eine Amtsniederlegung durch das betroffene Aufsichtsratsmitglied und eine gerichtliche Bestellung dieses (oder eines neuen) Aufsichtsratsmitgliedes, wobei viele Gerichte sich weigern, denjenigen zu bestellen, dessen Wahl angefochten ist.
Dem Missbrauch sind Grenzen gesetzt – aber nur ganz weite
Bedauerlicherweise hat sich neben den berechtigten Auseinandersetzungen eine Missbrauchskultur entwickelt, in deren Rahmen sogenannte Berufskläger versuchen, aus der mit der Erhebung einer Anfechtungsklage geschaffenen Rechtsunsicherheit und Verzögerung einen Vorteil zu ziehen. Die Gerichte haben hier Grenzen gesetzt: Wird die Klage mit dem Ziel geführt, die verklagte Gesellschaft oder deren Hauptgesellschafter finanziell zu „erleichtern“, kann die Klage allein deswegen abgewiesen werden. Das Problem in der Praxis ist der Nachweis. Die Kläger haben sich hierauf eingestellt, so dass es selten gelingt, damit durchzudringen. Was also tun?