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Der Berufsverband der Investment Professionals DVFA hat seine Mitglieder zu den neuen geldpolitischen Strategien der Zentralbanken in den USA (Fed, Federal Reserve) und im Euroland befragt. Sehr entschieden halten die Befragten die aktuelle geldpolitische Ausrichtung für zu locker, sind aber auch der Ansicht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts der hohen Verschuldung im Euroraum auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird, die Zinsen angemessen anzuheben.
Mit großer Mehrheit befürchten die Investment Professionals längerfristig eine Überforderung der Institutionen mit den Zielfunktionen eines flexiblen durchschnittlichen Inflationsziels (Fed) oder eines symmetrischen Inflationsziels (EZB) und den zusätzlichen Aufgaben wie die Förderung des Beschäftigungswachstums, Finanzstabilität und Klimapolitik.
Auf die Frage des DVFA, ob die geldpolitische Ausrichtung angemessen sei, antworteten 26 % der Befragten mit Ja. Mehr als zwei Drittel (67 %) waren dagegen der Ansicht, sie sei zu locker. In den Kommentaren wurde darauf verwiesen, dass die einerseits zu lockere Geldpolitik, die mit negativen Effekten wie Vermögensinflation oder möglichen Fehlallokationen aufgrund reduzierter Risikoaufschläge einhergehe, andererseits das Risiko von Staatspleiten abgewendet habe und somit ohne Alternative war.
Verschuldung limitiert Zinserhöhungsspielräume
Angesichts der hohen Verschuldung im Euroraum – kann die EZB überhaupt die Zinsen anheben? Eine deutliche Mehrheit von 65 % der Befragten ist der Ansicht, dass die EZB die Zinsen unter den gegebenen Umständen nicht adäquat anheben wird. 33 % sind gegenteiliger Auffassung. In den Kommentaren zu dieser Frage werden immer wieder Zweifel am Handlungsspielraum der EZB und ihrer politischen Unabhängigkeit geäußert. Ursache für diese Zweifel seien die erheblichen Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften im Euroraum.
Sehr ausgeglichen ist das Meinungsbild bei der Frage: Finden Sie die neuen Zielfunktionen von Fed (Flexible Average Inflation Targeting) und EZB (Symmetrisches Inflationsziel) gelungen? Fast ausgeglichen sind hier die Ja- und Nein-Antworten (39 % bzw. 41 %). Ein Fünftel der Befragten hatte dazu keine Meinung. Allerdings sei es zu früh, um die Auswirkungen der neuen Geldpolitik einschätzen zu können, hieß es in den Kommentaren der Befragten.
Klimapolitik keine Aufgabe der Notenbank – Überforderung befürchtet
Ergänzend zu den Zielfunktionen wurden auch andere Aufgaben der Zentralbanken (inklusives Beschäftigungswachstum, Finanzstabilität und Klimapolitik) bestätigt, respektive neue aufgenommen. Der DVFA wollte wissen, ob seine Mitglieder dies für sinnvoll halten. Auch hier ergeben die Antworten ein gemischtes Bild: 32 % antworteten mit Ja, 24 % mit Nein und 43 % mit „teilweise“. Ganz klar dagegen waren die häufigen Kommentare: Finanzstabilität sei ein legitimes Ziel der Notenbank. Andere Ziele seien Aufgabe der politischen, demokratisch legitimierten Mandatsträger. Klimapolitik und Nachhaltigkeit sollten nicht über die Zentralbanken gesteuert werden.
Einmütig wie selten waren die Antworten auf die Frage: Befürchten Sie längerfristig eine Überforderung der Zentralbanken mit diesen Zielvereinbarungen? 70 % der Investment Professionals antworteten mit Ja und 26 % mit Nein. Einige Kommentatoren sehen die Notenbank schon heute überfordert, andere verweisen auf mögliche Zielkonflikte etwa zwischen Arbeitslosigkeit / Wachstum einerseits und Preisstabilität / Inflation andererseits. Dies führe zu Unklarheiten, wann und wie sich die jeweilige Notenbank im Einzelfall entscheidet. Es drohe der Verlust von Reputation und Glaubwürdigkeit.
Für die Unabhängigkeit der Notenbanken sehen die DVFA Mitglieder in Zukunft schwarz. Befragt, ob die Zentralbanken 2030 de lege noch unabhängig seien, antwortete nicht mal ein Drittel (27 %) mit Ja. Fast die Hälfte (47 %) ist der gegenteiligen Auffassung. 26 % sind der Meinung, das könne man nicht sagen.
„Die Umfrageergebnisse sind ein klares Signal des Unbehagens unserer Mitglieder“, sagt Ingo Mainert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des DVFA. „Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Notenbank ist schon heute stark angegriffen. Die fiskalische Notwendigkeit niedrigster Zinsen wegen der hohen Verschuldungsniveaus dominiert und begrenzt die „Beinfreiheit“ der Zentralbanken. Durch zusätzliche Aufgaben droht eine Überforderung und Überfrachtung des geldpolitischen Mandates. Dies wird nach Ansicht vieler Investment Professionals die Glaubwürdigkeit dieser so wichtigen Institution weiter untergraben.“