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Der österreichische M&A-Markt hat sich 2023 auf leicht niedrigerem Niveau stabilisiert. Oft sind die Verhandlungen zu anberaumten Transaktionen zum Stillstand gekommen, weil die Preisvorstellungen von Verkäufern und potenziellen Käufern ob der unsicheren Marktlage schlicht zu weit auseinanderliegen. Ein Gespräch über die Unterschiede zwischen DACH- und CEE-Raum, die Kunst des geduldigen Wartens und die begründete Hoffnung auf ein besseres Umfeld 2024/25.

GoingPublic: Herr Dr. Imhof, Sie sind seit 25 Jahren im M&A-Geschäft tätig. Haben Sie ein derart unsicheres Umfeld schon einmal erlebt?

Dr. Imhof: Ja, leider schon. Insbesondere die letzten 15 Jahre waren von einigen sogenannten Black Swans geprägt, die das M&A-Umfeld massiv verändert haben: ­beginnend mit dem Lehman-Kollaps 2008, wo fast sämtliche M&A-Deals „on hold“ ­gestellt wurden, über die COVID-Phase 2020 bis 2022 bis hin zum Ukrainekrieg seit Februar des Vorjahres, der im Speziellen eine Kernregion des RBI-Konzerns wie auch die Bank selbst stark betraf und betrifft.

Unsicherheit führt generell vorübergehend zu einem geringeren Dealflow, bis sich die Marktteilnehmer an die neuen ­Gegebenheiten gewöhnt haben und auch wieder eine bessere Prognostizierbarkeit gegeben ist. Wir befinden uns gerade in ­einer wirtschaftlich und politisch fragilen Phase – dies sehen wir anschaulich an der Dealstatistik des ersten Halbjahres.

Was bedeutet dies konkret für die ­momentane Lage für Transaktionen in Österreich oder mit österreichischer Beteiligung? Wo steht der Markt im Vergleich zum Vorjahr?

In einigen Märkten in Mittel- und Osteuropa verringerte sich die Transaktionsanzahl, beginnend im zweiten Halbjahr 2022, 2023 um fast die Hälfte im Vergleich zum Rekordjahr 2021. Dagegen hielt sich Österreich – trotz steigender Outbound-M&A-Transaktionen österreichischer Unternehmen – mit einem Minus von etwa 10% ganz gut. Allerdings sind wir auch der kleinste M&A-Markt im DACH-Raum, um den Faktor drei bis vier kleiner als die Schweiz. Zudem sind wir ein mittelständisch geprägter Markt; es gibt meist nur wenige große Transaktionen, die dann auch gleich das Gesamtbild verzerren.

Insgesamt kann man sagen: Der österreichische M&A-Markt hat sich auf leicht niedrigerem Niveau stabilisiert. Mid-Cap-Deals sind weiterhin gut möglich, was unter anderem den geringeren Einbruch im Vergleich zu anderen Ländern erklärt. Vor allem die geografische Nähe zur Ukraine hat dem CEE-M&A-Markt sicher stärker geschadet und etliche Investoren waren und sind nun zurückhaltender. Oftmals sind auch Verhandlungen zum Stillstand gekommen, weil die Preisvorstellungen der Verkäufer und potenzieller Käufer inzwischen sehr weit auseinanderliegen und man lieber vorerst zuwartet – in der Hoffnung auf ein besseres Umfeld 2024/25.

Warum unterscheiden sich die ­Preisvorstellungen so stark?

Das liegt am allgemeinen Marktsentiment. Die Dynamik am M&A-Markt ist eng mit dem gegenwärtigen und prognostizierten Wirtschaftswachstum verknüpft, und das hält sich derzeit stark in Grenzen – die Prognosen für 2023 liegen bei unter 0,3% realem BIP-Wachstum für Österreich, in Deutschland sogar darunter, technisch gibt es ja bereits eine Rezession. In dieser Gemengelage verkauft nur, wer verkaufen muss, weil er mit einem Preisabschlag ob der moderaten Geschäftsaussichten veräußern müsste und das Käuferinteresse auch generell eher gering ist. Zudem: Übernahmen wollen auch finanziert werden, die Zinsen sind bekanntlich gestiegen. Und die Private-Equity-(PE-)Aktivitäten sind in den vergangenen 18 Monaten stark zurück­ge­gangen, was zwar weniger relevant für Öster­reich ist, da hier der PE-Transaktionsanteil traditionell gering ist, jedoch für Zentral- und Osteuropa insgesamt einen großen Unterschied macht.

Welche Deals in welchen Branchen ­stechen dennoch besonders hervor?

Nun, aufgrund der wirtschaftlichen Transformation gelten derzeit gewisse Branchen als besonders attraktiv – etwa Healthcare, Tech oder der Renewables-Sektor mit einer starken ESG-Komponente. Auf Deals in diesen Branchen stürzen sich dann viele M&A-Player, was natürlich die Preise treibt. In schwierigen Branchen wie der traditionellen Autozulieferindustrie, dem diskretionären Einzelhandel oder auch der Immobilienbranche finden Sie dagegen kaum nennenswerte M&A-Aktivitäten.

Aus RBI-Sicht ist vor allem der Bereich ­Renewables in Südosteuropa besonders dynamisch und lukrativ. Dies passt sehr gut zu unserer Bank und glücklicherweise sind wir hier seit einigen Jahren einer der Topspieler in der Transaktionsberatung und Finanzierung, nun auch im Greenfield-­Bereich. Deals finden hier nach wie vor zu ausgezeichneten Preisniveaus statt, und es besteht Bieterwettbewerb. Eine weitere grüne Initiative unserer Bank ist der Themenbereich „Climate/Carbon M&A“. Es ist ein ESG-Nischenthema, das wir auf der M&A-Seite verstärkt anbieten möchten.

 

 

 

Welche Rolle spielt das Engagement von Private-Equity-Gesellschaften im österreichischen M&A-Markt, wer sind hier die größten Akteure und wie richten diese sich momentan aus?

Wie bereits erwähnt ist der Anteil der Transaktionen mit Private-Equity-Beteiligung am Gesamtdealvolumen leider noch immer recht gering, er dürfte bei rund 15% bis 20% liegen; in CEE ist er doppelt so hoch. Der österreichische Markt hat hier reichlich Upside-Potenzial und vor allem bezüglich der Nachfolgethematik im industriell geprägten Mittelstand gibt es viele Ansatzpunkte.

Ich treffe jedes Jahr Vertreter zahlreicher PE-Fonds aus Deutschland, die großen Appetit auf ein erstes Investment in Österreich haben, aber keinen Zugang finden oder oft bei einer Transaktion nicht zum Zug kommen – es besteht nach wie vor bei vielen Unternehmern eine gewisse Skepsis, vor allem gegenüber internationalen PE-Fonds. Fonds mit österreichischem Background sind hier oft erfolgreicher und flexibler in der Dealstrukturierung.

Generell sind die präferierten Sektoren von Finanzinvestoren Wachstumsbranchen wie Healthcare, Digital, Business Services oder Renewables. In Österreich sind Transaktionen im Industrie- und Digitalsektor dominant.

Mit einem Team von 40 M&A-Fachleuten ist die RBI auch für ihre Expertise in Osteuropa bekannt. Wie ist hier die Lage im Vergleich zum DACH-Raum?

Das ist richtig, das Gros unserer M&A-Fachleute sitzt auch nicht in Wien, sondern in unseren Tochterinstituten in den jeweiligen Ländern in Zentral- und Osteuropa. Das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern war in den vergangenen Jahren zumeist um 1,5 bis zwei Prozentpunkte ­höher als im DACH-Raum. Das makroökonomische Sentiment ist somit besser, daher rührt sich dort auch mehr. Die Märkte sind in vielen Sektoren oft auch nicht so kompetitiv und konsolidiert, was mehr Spielraum für Wachstum zulässt.

Zusätzlich herrscht dort oft eine ausgeprägte Händlermentalität; man gibt auch kleinere, im Familienbesitz befindliche Unternehmen schneller extern weiter als hierzulande oder auch in Deutschland. Dies trifft vor allem auf die Unternehmergeneration zu, die nach der Wende Anfang der 1990er-Jahre ihre Unternehmen gegründet oder übernommen haben. Dafür suchen die Unternehmer derzeit eher häufig einen bilateralen Abschluss – Auktionsverfahren wie im klassischen M&A-Geschäft sind nur bei größeren Transaktionen mit internationaler Ausrichtung üblich. Entsprechend geringer ist auch die Quote an Deals, bei denen wir oder andere M&A-Banken beteiligt sind.

Das Jahr 2022 am M&A-Markt war also mau, 2023 hat auch keine wesentliche Besserung gebracht, wie Sie dargestellt haben. Wagen Sie für uns noch einen Ausblick auf 2024, für Österreich und Osteuropa?

Ich denke, dass – ähnlich wie im späteren Verlauf der COVID-Phase – die meisten Marktteilnehmer sich nun langsam auf die neue Situation einstellen und, sofern keine neuen politischen Krisenereignisse hinzukommen, dies im Jahr 2024 wieder zu einem Anstieg der M&A-Aktivität führen kann. Dies auch, weil aus heutiger Sicht die Wachstumsprognosen für 2024/25 wieder nach oben gehen. Zusätzlich gibt es einen gewissen Rückstau an Deals, die bereits in den vergangenen 18 Monaten auf den Markt hätten kommen sollen. Aufgrund der gestiegenen Finanzierungskosten sollten strategische Käufer mit soliden Bilanzen gewisse Vorteile haben, nachhaltig zu wachsen. Ich sehe daher 2024 vorsichtig optimistisch.

Herr Dr. Imhof, herzlichen Dank für diese interessanten Einblicke!


Zum Interviewpartner

Klaus Imhof
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Dr. Klaus Imhof ist Group Head M&A bei der Raiffeisen Bank International (RBI) und blickt auf 25 Jahre Erfahrung in diesem Markt zurück. Er ist spezialisiert auf Trans­aktionen in Zentral- und Osteuropa.

Dieses Interview erschien in der Special-Ausgabe Kapitalmarkt Österreich 2023.

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.