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Seit Juli 2016 ist in der Europäischen Union die Marktmissbrauchsverordnung (MMVO) in Kraft. Sie betrifft Emittenten an geregelten und ungeregelten Wertpapierbörsen auf dem gesamten Kontinent. Einer der Schwerpunkte der Gesetzgebung sind Wertpapiergeschäfte von Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen. Von Personen in Führungspositionen wird angenommen, dass sie am ehesten über Insiderinformationen verfügen, die für Marktmissbrauch verwendet werden könnten, oder regelmäßig Zugang zu solchen Informationen haben. Aus diesem Grund wurde in der MMVO auch eine Closed Period (oder auch ein ‚geschlossener Zeitraum‘) eingeführt.
Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, und mit ihnen eng verbundene Personen, darunter Ehepartner, unterhaltsberechtigte Kinder oder sonstige Verwandte und verbundene Personen, müssen alle Geschäfte über einer bestimmten durch die MMVO und die zuständigen nationalen Behörden festgelegten Schwelle melden. Die Closed Period gilt zusätzlich zu diesen Transparenzanforderungen.
In diesem Artikel erläutern wir, was eine Closed Period ist, wann sie beginnt und endet, und welchen Einfluss sie auf Eigengeschäfte von Personen hat, die Führungsaufgaben wahrnehmen. Wir hoffen, dass wir Sie damit bei der Einhaltung der EU-Marktmissbrauchsverordnung unterstützen können. Im Vereinigten Königreich ist die MMVO ebenfalls gesetzlich verankert und wird von der Financial Conduct Authority (FCA) überwacht.
Was ist eine Closed Period?
Als Closed Period gilt nach Artikel 19 (11) MMVO ein Zeitraum, in dem Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, keine Eigengeschäfte mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten tätigen dürfen. Dieses Verbot gilt auch für direkte oder indirekte Geschäfte für Dritte, die von Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, mit diesen Instrumenten getätigt werden.
Im Sinne der MMVO bezeichnet eine Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, eine Person, die eine Führungsposition innehat, etwa einen leitenden Angestellten, der regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen hat und befugt ist, unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven des Emittenten zu treffen.
Die wesentlichen Anforderungen der MMVO im Überblick
Zeitliche Festlegung der Closed Period
Eine Closed Period umfasst 30 Kalendertage (im Gegensatz zu Geschäftstagen) vor Ankündigung eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlussberichts, zu deren Veröffentlichung das Unternehmen gemäß den Vorschriften für den Handelsplatz oder gemäß nationalen Rechtsvorschriften in dem Land verpflichtet ist, in dem es börsennotiert ist.
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) bestätigte, dass der Zwischenbericht und der Jahresabschlussbericht in dem Moment als angekündigt gelten, in dem der Emittent der Öffentlichkeit den Inhalt bekannt gibt. Damit endet die Closed Period. Es gibt jedoch einige Ausnahmen von dieser Regel.
Ankündigung vorläufiger Ergebnisse
Bei der Veröffentlichung der MMVO waren sich einige Emittenten unsicher, ob ein geschlossener Zeitraum durch die Ankündigung vorläufiger Ergebnisse beendet würde. Diese Frage beantwortete die ESMA in ihren Fragen und Antworten zur Verordnung. Darin erklärte sie, dass ein Emittent mit der Veröffentlichung vorläufiger Ergebnisse, die vom Management verabschiedet wurden und in den endgültigen finanziellen Jahresabschlussbericht einfließen, das Ende der Closed Period einleiten kann.
Dies gilt nach Aussage der Behörde jedoch nur, „wenn die veröffentlichten vorläufigen Ergebnisse alle wesentlichen Informationen in Bezug auf die Finanzzahlen enthalten, die erwartungsgemäß im Jahresabschlussbericht enthalten sein werden“. Ändern sich die Informationen, die auf diese Weise veröffentlicht wurden, nach ihrer Veröffentlichung, wird dadurch keine neue Closed Period ausgelöst. In diesem Fall sollte der Emittent gemäß Artikel 17 MMVO verfahren, der die Veröffentlichung von Insiderinformationen betrifft.
Selbst wenn es in diesem Fall keine Closed Period gibt, dürften Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, Zugang zu Insiderinformationen über die Ergebnisse des Emittenten haben. In diesem Fall dürften sie keine Geschäfte mit Wertpapieren des Emittenten tätigen, da ihre Anlageentscheidungen durch diese Informationen beeinflusst werden könnten. Dies würde als Insiderhandel gelten.
Geschäfte während der Closed Period
Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, dürfen während der Closed Periods keine Eigengeschäfte oder direkte oder indirekte Geschäfte für Dritte im Zusammenhang mit den „Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten oder damit verbundenen Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten“ tätigen.
Insiderinformationen
Die Einführung von Closed Periods hebt das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen durch Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, nicht auf. Erhalten sie beispielsweise Zugang zu Finanzinformationen, deren Veröffentlichung sich auf den Aktienkurs des Emittenten auswirken würde, könnten sie auf Grundlage dieser Informationen ausgeführte Eigengeschäfte nicht rechtfertigen, selbst sie außerhalb einer Closed Period getätigt würden.
Artikel 19 hat keinen Einfluss auf die Anforderungen der MMVO im Hinblick auf die Vermeidung von Insidergeschäften und die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen.
Gibt es Ausnahmeregelungen?
In Artikel 19 (12) sind begrenzte Umstände aufgeführt, unter denen Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, während einer Closed Period Geschäfte mit Wertpapieren eines Emittenten tätigen dürfen. Dazu gehören:
Grund | Beschreibung |
Außergewöhnliche Umstände | In bestimmten Situationen, beispielsweise wenn eine Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, schwerwiegende finanzielle Schwierigkeiten hat, die den unverzüglichen Verkauf von Anteilen erforderlich machen, kann der Emittent solche Geschäfte erlauben. Dies gilt sowohl für Eigengeschäfte als auch für direkte und indirekte Geschäfte für Dritte. Solche Geschäfte sollten auf Einzelfallbasis geprüft werden. |
Handelsmerkmale | Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, können während dieses verbotenen Zeitraums bestimmte Geschäfte tätigen, darunter solche, die im Rahmen von Belegschaftsaktien oder einem Arbeitnehmersparplan, von Pflichtaktien oder von Bezugsberechtigungen auf Aktien oder Geschäfte getätigt werden, wenn sich die nutzbringende Beteiligung an dem einschlägigen Wertpapier nicht ändert. |
Auch in diesem Fall hebt keiner dieser Umstände die Verpflichtung der betreffenden Personen auf, keine Insiderinformationen offenzulegen und keinen Marktmissbrauch durch Insiderhandel zu begehen.
Beispiele für Sanktionen gegen Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen
Die zuständigen nationalen Behörden verhängten 2019 (im letzten Jahr, für das Zahlen vorliegen) in der EU und im Vereinigten Königreich 60 strafrechtliche Sanktionen und 279 verwaltungsrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen die MMVO. Die Geldstrafen beliefen sich in diesem Jahr auf insgesamt 88 Millionen Euro.
Neben strafrechtlichen Sanktionen drohen Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, bei einem Verstoß gegen Artikel 19, einschließlich der Anforderung, keine Eigengeschäfte mit Wertpapieren des Emittenten zu tätigen, auch finanzielle Konsequenzen:
Höchstbetrag der Sanktionen | |
Natürliche Person | Geldbuße bis zu 500.000 Euro |
Juristische Person | Geldbuße bis zu 1.000.000 Euro |
Häufig gestellte Fragen
Sollten Sie während einer Closed Period auf Erklärungen verzichten?
Viele Unternehmen verzichten während einer Closed Period ganz darauf, Erklärungen abzugeben, weil sie ihren Aktienkurs vor Veröffentlichung eines Finanzberichts nicht beeinflussen wollen. Ist die Erklärung nicht dringend, geben sie sie entweder vor oder nach dem betreffenden Zeitraum ab. Muss ein Unternehmen jedoch wichtige Neuigkeiten mitteilen, zum Beispiel zu einem Vorfall, der die Geschäfte des Unternehmens beeinträchtigt, sollte es dies unabhängig davon tun, ob es in einer Closed Period ist oder nicht. Ein Verzicht auf die Abgabe von Erklärungen in einem geschlossenen Zeitraum ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Welchen Einfluss haben Closed Periods gemäß der MMVO auf bedingte Wertpapiergeschäfte?
Ein Wertpapiergeschäft darf während einer Closed Period ausgeführt werden, wenn Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen:
- vor der Closed Period ein bedingtes Wertpapiergeschäft abschließen,
- keine Kontrolle über die Bedingungen haben
- und die Bedingungen während der Closed Period erfüllt werden.
In diesem Fall haben die Personen während der Closed Period keine Eigengeschäfte durchgeführt. Die Wertpapiergeschäfte unterliegen daher nicht dem Verbot für Closed Periods.
Während einer Closed Period dürfen sie kein bedingtes Wertpapiergeschäft abschließen. Darüber hinaus sollten sie zu keinem Zeitpunkt ein Wertpapiergeschäft tätigen, wenn sie im Besitz von Insiderinformationen sind, die sich in erheblichem Maße auf den Kurs des betreffenden Wertpapiers auswirken könnten.
Unterliegen Emittenten Closed Periods gemäß der MMVO?
Die Closed Period bezieht sich auf Eigengeschäfte von Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, oder auf Geschäfte für Dritte. Der Emittent ist davon nicht betroffen, wenngleich die Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, für Managemententscheidungen wie die Einleitung von Aktienrückkäufen, die Zuteilung von Aktien im Rahmen von Arbeitnehmerbeteiligungsplänen und ähnliche Transaktionen verantwortlich sind. Sie tun dies in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer oder Mitglied der Geschäftsleitung. Allerdings gelten für Marktteilnehmer dennoch die üblichen Anlegervorschriften zum Insiderhandel.
Sollten Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, Nachweise erbringen, wenn sie um Erlaubnis bitten, Wertpapiergeschäfte zu tätigen?
Gemäß der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522 müssen Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, nachweisen können, dass ein zulässiges Wertpapiergeschäft während eines geschlossenen Zeitraums – wie in Artikel 19 (12) erwähnt – zu einem bestimmten Zeitpunkt im Kalenderjahr ausgeführt werden musste.
Bei Wertpapiergeschäften, die unter außergewöhnlichen Umständen zulässig sind, sollten Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, einen schriftlichen Antrag an den Emittenten stellen. Darin müssen sie erläutern, warum das Wertpapiergeschäft mit den Aktien des Emittenten zu diesem Zeitpunkt stattfinden muss, um nach dessen Ermessen eine Genehmigung zu erhalten. Dabei kann es sich um schwerwiegende finanzielle Schwierigkeiten oder einen anderen angemessenen Grund handeln, der einen sofortigen Verkauf von Aktien erfordert.
Fazit
Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, müssen ebenso wie Emittenten verstehen, was eine Closed Period nach der MMVO ist. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der MMVO kann erhebliche Sanktionen nach sich ziehen. Sie sollten bereits über Systeme verfügen, die den Umgang mit Insiderinformationen regeln und Insidergeschäfte verhindern. Durch genaue Kenntnis Ihrer Verpflichtungen in Bezug auf Closed Periods können Sie dafür sorgen, dass Sie die Börsenzulassungsvorschriften und die Bestimmungen der MMVO einhalten.
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Autor/Autorin
Wolfgang Güssgen
Wolfgang Güssgen verfügt über langjährige Investor Relations-Erfahrung, die er branchenübergreifend gesammelt hat. Seit Februar diesen Jahres macht er Organisationen im deutschsprachigen Raum mit unserer kompletten Palette an IR-Lösungen, Webcasting-Diensten, Sitzungsmanagement-Software und digitalen Compliance-Tools vertraut. Kontaktieren Sie ihn, um mehr zu erfahren.