Der Nutzfahrzeugzulieferer SAF-HOLLAND hat sich das Thema Digitalisierung besonders auf die Fahnen geschrieben. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erläutert CFO Dr. Matthias Heiden u.a., welche Digitalisierungsstrategie das Unternehmen verfolgt, wie das Geschäftsjahr 2018 bislang gelaufen ist und was auf der diesjährigen IAA für Nutzfahrzeuge präsentiert wird.
GoingPublic: Herr Dr. Heiden, Mitte Mai 2018 wurde bekannt, dass Sie einen Großauftrag für Achssysteme aus den USA erhalten haben. Was bedeutet dieser Auftrag für Ihr Unternehmen?
Dr. Heiden: Den Auftrag sehen wir als Leuchtturmprojekt für Nordamerika. Wir haben bereits damit begonnen, Nordame- rikas größten Mietflottenbetreiber mit komplett ausgestatteten Achssystemen in Kombination mit moderner Scheiben- bremstechnologie zu beliefern. Das Liefer- volumen bewegt sich zunächst bei rund 6.000 Trailern. Dies stellt einen weiteren Meilenstein auf dem Weg von der Trom- melbremse hin zur leistungsfähigeren und effizienteren Scheibenbremstechnologie dar. Für Achsen mit Scheibenbremstech- nologie sind wir in den USA bekannt. Das ist sozusagen unser Spezialgebiet. Das Besondere daran ist, dass wir damit mehr Umsatz je Trailer erzielen und gleichzeitig eine gute Grundlage für das Wachstum des Ersatzteilgeschäfts in den kommen- den Jahren legen.
Ist denn die Beziehung zu den USA generell schwieriger geworden durch die Politik des US-Präsidenten? Und was wäre bei einem Handelskrieg zu erwarten?
SAF-HOLLAND ist im Jahr 2006 aus der Fusion zwischen der US-amerikanischen HOLLAND und der deutschen SAF entstanden. Wir sind sozusagen ein deutsch-amerikanisches Unternehmen. Dies kann in einer solchen Atmosphäre durchaus hilfreich sein. Von den bisher eingeführten Zöllen sehen wir uns relativ wenig betroffen. Wir kaufen weitestgehend in den Staaten ein, in denen wir produzieren, und grenzen so Währungskurseffekte und Zollthemen weitestgehend ein. Belastend wirken die in den USA massiv gestiegenen Stahlpreise. Dies führt auch bei den von uns eingekauften Komponenten zu Preis- anstiegen. Wir haben zwar – was sehr vor- teilhaft ist – in der Regel mit den Kunden Preisgleitklauseln. Die Preisanpassungen haben allerdings einen Nachlauf von bis zu sechs Monaten, sodass wir uns zunächst mit hohen Materialvorleistungen konfrontiert sehen.
Stichwort E-Mobilität und autonomes Fahren – welche Bedeutung hat das für Sie und die Nutzfahrzeugindustrie?
Wir verfolgen eine klare Innovationsstrategie, die sich Smart Steel nennt und ein wesentlicher Bestandteil unserer Wachstumsstrategie 2020 ist. Wir haben in diesen Bereich bereits viel Geld investiert. Dies wird auch in Zukunft ein großes Thema für uns bleiben. Wir glauben, dass das intelligente und digitale Trailer- Management ein zentrales Thema für unsere Kunden und uns als Zulieferer darstellt. Ein Teil der Projekte entfällt auf die Entwicklung elektrisch angetriebener Achskonzepte. Zum Beispiel arbeiten wir hier an Speziallösungen, die für Bergbau- und Baufahrzeuge infrage kommen, wenn keine Stickoxide ausgestoßen werden dürfen. Aber es geht nicht nur um E-Mobilität, sondern vielmehr um intelligente Lösungen und Technologien, die für autonomes Fahren hilfreich sind. Das heißt aber auch, dass Zugmaschinen und Trailer in Zukunft vollautomatisch verbunden bzw. gekuppelt werden müssen. Das macht heute noch der Fahrer manuell. Auf der IAA Nutzfahrzeuge im Septem- ber dieses Jahres werden wir eine ganze Anzahl von neuen Produkten und Lösungsansätzen zu einigen dieser und weiteren Themen vorstellen.
Was bedeutet Digitalisierung und Inno- vation ganz konkret für SAF-HOLLAND?
Je weiter Automatisierung und Digitalisierung voranschreiten, desto wichtiger wird die Sicherheit als Business Case. Um dies zu gewährleisten, verbinden wir unser Mechanik-Know-how mit Sensoren und neuen elektronischen Lösungen. So können wir zukünftig Sattelkupplungen oder Achs- und Federungssysteme anbieten, die ihren eigenen Zustand laufend über- wachen. Zudem geht es darum, mit den Daten neue Funktionen zu ermöglichen, z.B. eine vorausschauende Wartung. Gera- de bei der Dateninterpretation können wir helfen und wollen über Algorithmen die notwendigen Wartungsschritte und -intervalle prognostizieren. Den Flottenbetreibern ermöglichen wir damit, ihre Fahrzeuge effizienter und kostengünstiger zu betrei- ben. Dazu verstärken wir unser Inhouse- Digital-Team und bauen Know-how im Bereich Software und Programmierung auf. Wir beobachten aber auch sehr aktiv die Gründerszene, um unser Geschäft zum Beispiel im Bereich digitales Trailer- Management mit ergänzenden Tech-Akquisitionen schneller voranzubringen. Darüber hinaus analysieren wir ständig, wie Digitalisierung die Geschäftsmodelle in der Logistik verändert und wo sich dadurch für uns neue Chancen ergeben können.
Und wie laufen die Geschäfte aktuell? Sie haben erst vor Kurzem Ihre Zahlen zum ersten Halbjahr veröffentlicht. Wie sieht die Prognose für das zweite Halbjahr aus?
In den USA haben wir im letzten Jahr unseren Werksverbund von sieben auf fünf Werke konzentriert und uns näher am Kunden aufgestellt. Aufgrund der noch notwendigen Mehraufwendungen für den Anlauf des neuen Produktionsverbunds in einem wider Erwarten boomenden Markt und eines gleichzeitigen, starken Preisanstiegs für Stahl und Komponenten in Amerika mussten wir unseren ursprünglichen Ausblick für das Geschäftsjahr 2018 bei der bereinigten EBIT-Marge auf 7% bis 8% leicht anpassen. Unverändert erwarten wir aber eine sukzessive Ergebnisverbesserung in der Region Amerika in den nächsten Quartalen. Die Marge dürfte für das Jahr 2019 also deutlich besser ausfallen. Neben Kostenoptimierungen und Preiserhöhungen soll u.a. die bessere Verzahnung der Kapazitätsplanungs- und Logistikprozesse dazu beitragen. Gleichzeitig konnten wir die Umsatzprognose für den Gesamtkonzern für das Jahr 2018 deutlich nach oben nehmen, denn unsere Produkte sind weltweit gefragt. Wir sehen jetzt ein über den ursprünglichen Erwartungen liegendes organisches Umsatzwachstum, das im Gesamtjahr 2018 bei 5% bis 7% liegen soll. Die neu zugekauften Gesellschaften – der Kupplungsspezialist V.Orlandi, Italien, und der indische Marktführer bei Trailer- achsen, YORK, – laufen gut. Sie werden 2018 voraussichtlich zusätzliche 60 Mio. EUR zu den Konzernumsatzerlösen beisteuern – und damit 10 Mio. EUR mehr als ursprünglich geplant.
Und was erwarten Sie mittelfristig?
Mit Blick auf die Mittelfristziele der Strategie 2020 können wir das Ziel einer bereinigten EBIT-Marge von mindestens 8% bestätigen. Für das Geschäftsjahr 2019 gehen wir davon aus, dass wir, wenn die aktuelle Marktsituation so bleibt, bei der bereinigten EBIT-Marge auf Konzernebene wieder im Bereich von 8% bis 9% liegen werden.
Herr Dr. Heiden, vielen Dank für das Gespräch und vor allem viel Erfolg auf der IAA.
Dr. Matthias Heiden ist seit März 2017 CFO von SAF-HOLLAND. Hier will er vor allem die Digitalisierung des Konzerns vorantreiben. Zuvor bekleidete er verschiedene Führungspositionen im SAP-Konzern: Unter anderem war Dr. Heiden CFO der SAP Deutschland.
Der Artikel erschien zuerst in der August-Ausgabe des GoingPublic-Magazins. Das Interview führte Svenja Liebig.
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