Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich im Dezember 2016 auf neue Vorschriften zur Überarbeitung des Prospektrechts verständigt. Ausgangspunkt war die Konsultation der EU-Kommission in 2015 zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, das sogenannte Grünbuch. Ziel ist unter anderem eine effizientere Gestaltung der Unternehmensfinanzierung durch Erschließung kapitalmarktbasierter Finanzierungsquellen. Speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen Erleichterungen beim Kapitalmarktzugang geschaffen werden. Von Ingo Wegerich und René Krümpelmann.
Die USA und Asien dienen hier als Vorbild – dort finanzieren sich die Unternehmen – anders als in Europa – deutlich stärker über die Kapitalmärkte. Dies soll sich durch die Kapitalmarktunion zukünftig ändern.
Die neue Prospektverordnung sieht Erleichterungen und Kosteneinsparungen bei der Kapitalaufnahme von KMUs vor – nach Einschätzung der Kommission würden jährlich 320 KMU-Prospekte hiervon profitieren, was im Jahr unionsweit zu Einsparungen von 45 Mio. EUR führen würde. Die vorgesehenen Erleichterungen für Sekundäremissionen würden jährlich sogar 700 von 935 Dividendenprospekten (z.B. Aktien) betreffen und damit unionsweit gar zu Einsparungen von 130 Mio. EUR im Jahr führen.
Die Prospektverordnung wird wahrscheinlich noch im ersten Halbjahr dieses Jahres in Kraft treten. Einige wenige Regelungen werden dann unmittelbar gelten. Einige neu vorgesehene Schwellenwerte als Ausnahmen von der Prospektpflicht sollen nach zwölf Monaten gelten, während das Gros der Regelungen erst 24 Monate nach Inkrafttreten Anwendung finden wird.
Erweiterte Ausnahmen von der Prospektpflicht
Das neue Prospektrecht sieht erweiterte und auch neue Ausnahmen von der Prospektpflicht vor. So ist die neue Prospektverordnung nicht anwendbar auf öffentliche Angebote von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert in der Union von weniger als 1 Mio. EUR (über einen Zeitraum von zwölf Monaten) – bisher sah das Wertpapierprospektgesetz lediglich eine Schwelle von 100.000 EUR vor. Darüber hinaus wird den Mitgliedsstaaten nun auch erstmals für nationale öffentliche Angebote von Wertpapieren bis zu einem Gesamtgegenwert von 8 Mio. EUR in der Union (über einen Zeitraum von zwölf Monaten) die Möglichkeit eröffnet, diese von der Prospektpflicht auszunehmen. Dies hat primär KMUs im Blick, für die die Kosten und der Aufwand einer Prospekterstellung im Vergleich zu der geringen Höhe der Kapitalaufnahme unverhältnismäßig erscheinen.
Auch die Ausnahme von der Prospektpflicht für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt wird erheblich erweitert: Nach dieser Ausnahme für sog. „Kleinstemissionen“ war es bisher möglich, Aktien, die weniger als 10% der bestehenden zugelassenen Aktien ausmachten, prospektfrei zum Handel zuzulassen. Zukünftig wird diese Ausnahme allgemein auf Wertpapiere erweitert und soll sich nunmehr auf ein Volumen von weniger als 20% erstrecken.