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Der Herbst ist traditionell die Zeit, die vergangene HV-Saison Revue passieren zu lassen. Offensichtlich war 2024 durch die Häufung der Feiertage im Mai besonders herausfordernd – aber es lassen sich noch zahlreiche weitere Lehren ziehen. Im Folgenden stellen wir unsere Analyse von über 200 Hauptversammlungen vor und leiten aus den Erkenntnissen Empfehlungen für 2025 ab.

Zur Auswertung der HV-Saison 2024 wurden die Hauptversammlungen des ersten Kalenderhalbjahres herangezogen, die Computershare in Deutschland betreut hat. Ausgewertet wurden dabei alle Hauptversammlungen, unabhängig davon, ob nur wenige oder mehrere Tausend Aktionäre teilgenommen haben. Aufgrund der Vielzahl der berücksichtigten Unternehmen kann die Auswertung als repräsentativ angesehen werden.

Format- und Perspektivenwechsel

In der vergangenen Saison haben knapp 5% der Gesellschaften von Präsenz auf ein virtuelles Format gewechselt, 5,5% wiederum wechselten von virtuell auf Präsenz. Dabei betonten alle Kunden, dass das aktuelle Format nicht als ein Indiz für die Durchführungsform der kommenden Hauptversammlung gewertet werden kann. Die Hintergründe des Formatwechsels waren vielfältig und unternehmensindividuell. Sie reichten von mehr Aktionärsnähe bis zu Sicherheitsaspekten bei der Durchführung der Versammlung. Für die kommende Saison wollen sich die Gesellschaften alle Optionen offenhalten; dies insbesondere, um sich anhand der zu erwartenden Tagesordnung, der all- gemeinen Unternehmenslage sowie der Reaktionen aus dem Aktionariat jedes Jahr neu entscheiden zu können. Die in der kommenden Saison anstehenden Verlängerungen der Satzungsklauseln für die Ermöglichung einer virtuellen Hauptversammlung werden voraussicht- lich fester Bestandteil der meisten Tagesordnungen – nicht zuletzt, weil Gesellschaften die Möglichkeit haben müssen, um auch zukünftig auf pandemische oder ähnliche Herausforderungen reagieren zu können. Der Gesetzgeber hat bereits angekündigt, dass er nach Schaffung des gesetzlichen Rahmens keine weiteren Notgesetze erlassen wird. Die meisten Gesellschaften werden wahrscheinlich eine Satzungsermächtigung für fünf Jahre zur Abstimmung stellen. Bemerkenswert ist, dass der Wechsel der Durchführungsform zu keinem einheitlichen Muster bezüglich der Teilnehmerzahl führt. Nur bei rund der Hälfte der Unternehmen, die auf ein virtuelles Format gewechselt haben, sank die Teilnehmerzahl, dies allerdings in erheblichem Umfang. Umgekehrt stieg die Zahl der Teilnehmer bei einem Wechsel von virtueller Hauptversammlung in die Präsenzform bei 72% der Wechsler, und das deutlich spürbar – in einem Fall hat sich die Teilnehmerzahl sogar verdreifacht. Hinweis: Bei der Auswertung wurden keine Zahlen zur Nutzung eines etwaig vorhandenen öffentlichen Streams berücksichtigt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass etliche Aktionäre diesen barrierefreien Weg genutzt haben. Auch haben wir keinerlei Besonderheiten in der Tagesordnung, bei der Bewirtung oder sonstige Effekte berücksichtigt.

Präsenzentwicklung sehr stabil

Die Auswertung ergab, dass die Durchführungsform der Hauptversammlung keinen erkennbaren Einfluss auf die Präsenzen hatte. Die Differenz lag bei unter fünf Prozentpunkten. Sondersituationen der Gesellschaften haben in beiden Formaten zu deutlich höheren Präsenzen geführt. Gleichzeitig haben Gesellschaften mit einem gestiegenen Anteil an Retailinvestoren einen Rückgang der Präsenz verzeichnet.

HV-Dauer – noch Fragen?

Im Mittel dauerten Hauptversammlungen in der vergangenen Saison knapp vier Stunden. Interessanterweise lag der Mittelwert der Dauer einer virtuellen Hauptversammlung bei 4 Stunden und 31 Minuten, der von Präsenz-HVs hingegen nur bei 3 Stunden und 33 Minuten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die längsten Hauptversammlungen in Präsenzform stattfanden und bis zu knapp 14 Stunden gedauert haben.

Quelle: Eigene Erhebung

Die Ursachen für die längere HV-Dauer liegen zum einen in der Anzahl und Dauer der Pausen, die während der virtuellen Hauptversammlung für Fragenbeantwortungen, die Einreichung von Widersprüchen oder Onboardings, also die Zuschaltung des Mediendienstleisters für eine virtuelle Wortmeldung inklusive Technikcheck, gemacht werden. Virtuelle Hauptversammlungen (vHVs) pausieren häufiger und länger: Im Mittel betrug die Pausendauer bei der vHV 36 Minuten, wohingegen sie sich bei Präsenz-HVs auf durchschnittlich 20 Minuten belief. Diese Diskrepanz scheint mit der Anzahl der gestellten Fragen zusammenzuhängen: Während bei der virtuellen Hauptversammlung im Mittel fünf Fragende 66 Fragen stellten, waren es bei der Präsenz-HV zwar ebenfalls fünf Fragesteller, jedoch nur 48 Fragen.

Ein Blick auf die Fragesteller bei den DAX40-HVs dieses Jahres zeigt, dass die Aktionärsvereinigungen DSW und SdK zwischen fünf und 35 Fragen stellten, große deutsche institutionelle Investoren derweil fünf bis 30. Zudem kristallisierten sich in der vergangenen Saison zwei Redner heraus, die, wenn sie anwesend waren, mit jeweils zehn bis 35 Fragen die Versammlungsdauer erheblich beeinflussten.

Speed up your AGM oder warum weniger durchaus mehr ist

Die Schlussfolgerungen aus der vergangenen HV-Saison sind wenig überraschend: Eine gute Vorbereitung zahlt sich aus. Das fängt mit der Auswahl der Durchführungsform an, geht über die Sicherung von Mehrheiten bis hin zu einer geflissentlichen Vorbereitung auf zu erwartende Fragen – denn nur durch das perfekte Zusammenspiel der einzelnen Faktoren kann eine Hauptversammlung schnell, sicher und effizient durchgeführt werden.

Die Entscheidung, ob eine HV virtuell oder in Präsenz stattfinden soll, wird voraussichtlich auch 2025 die Zahl der Teilnehmer beeinflussen. Die Dauer der Versammlungen wird dagegen maßgeblich vom Inhalt der gestellten Fragen gesteuert. Insbesondere unerwartete Fragen können zu zahlreichen enervierenden Pausen auf der HV führen. Die Themen der vergangenen HV-Saison – ESG, Cybersecurity, Weltlage – werden mit Sicherheit auch für die kommende Saison relevant sein. Das Update der Antworten sollte daher ein fester Bestandteil bei der HV-Vorbereitung sein.

Darüber hinaus sollte für virtuelle Hauptversammlungen unbedingt bedacht werden, ob sämtliche im Leitfaden vorgesehenen Pausen wirklich notwendig sind. Mittlerweile nutzen zahlreiche Mediendienstleister Systeme, die eine Verzögerung (Latenz) von unter 15 Sekunden bei der Übertragung der virtuellen Hauptversammlung ermöglichen. Hier scheint sich die vorherrschende Meinung durchzusetzen, dass man diese Zeitspanne in Kauf nehmen kann und ein separates Onboarding-Fenster nicht nötig ist. Ebenso bewährt sich, den Wortmeldetisch bereits vor Beginn der HV zu öffnen. Die Aktionäre können die Hauptversammlung auch aus dem virtuellen Warteraum ohne jegliche Einschränkungen verfolgen.

Die zahlreichen kleinen Pausen, die man eigentlich nur bei vHVs kennt – z.B. eine Pause für die Einreichung eines Widerspruchs oder eine Pause für den Antrag auf Verlesung der Langverkündung, also der ausführlichen Erläuterung der Ergebnisse –, können durch eine entsprechende Gestaltung des Leitfadens vermieden werden.

Fazit

Helmut Poellinger, Geschäftsführer DACH, Computershare und Christof Schwab, Director Business Development, Computershare Deutschland

Auch wenn die Hauptversammlungssaison noch nicht ganz abgeschlossen ist, sollten die Gesellschaften bereits die ersten Weichen für ihre HV 2025 stellen. Je frühzeitiger mit der Vorbereitung angefangen wird, desto besser lassen sich Änderungen in den Abläufen und bei der Organisation umsetzen. Wieso also nicht schon jetzt starten?

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Autor/Autorin

Helmut Poellinger
Geschäftsführer DACH at Computershare
Christof Schwab

Christof Schwab ist Director Business Development bei Computershare Deutschland. Er verantwortet die Weiterentwicklung des gesamten Leistungsportfolios, von der Aktienregisterführung über Versammlungsservices bis hin zu Proxy-Solicitation-Maßnahmen und Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (Employee Equity Plans).