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Wie hoch ist der Wert aller börsennotierten österreichischen Unternehmen? Und wie groß ist ihre volkswirtschaftliche Bedeutung, gemessen an kumulierten Bilanzzahlen? Mit diesen Fragen setzte sich GoingPublic im Oktober 2024 im Rahmen einer Studie zum zweiten Mal auseinander.
Struktur des österreichischen Aktienmarkts
Die von GoingPublic und AfU Research zunächst ermittelte Grundgesamtheit umfasste mit 72 Unternehmen zum 30. September 2024 – eines weniger als 2023 (73) (siehe Abb. 1). Während im Dezember 2023 noch die RWT AG aus dem Salzburger Land im direct market plus debütierte, sind die Ottakringer Stamm- und Vorzugsaktien sowie die an der Nasdaq notierte Nabriva Therapeutics nicht mehr in unserer Untersuchung enthalten. Zu früh kam unsere Studie auch für die Steyr Motors AG, die am 30. Oktober an der Frankfurter Börse debütierte (siehe Kasten).
Börsenneuling Steyr Motors
Seit 30. Oktober ist die österreichische Steyr Motors AG (ISIN: AT0000A3FW25) im Segment Scale der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet. Das Unternehmen produziert Hochleistungsmotoren für militärische und zivile Anwendungen und ist weltweit aktiv. Aktuell (9. Dezember) ist die Aktie für unter 14 EUR zu haben, was einer Marktkapitalisierung von knapp über 70 Mio. EUR entspricht. Für das Gesamtjahr 2024 wird ein Umsatz von 41 Mio. bis 45 Mio. EUR und ein bereinigtes EBIT zwischen 9 Mio. und 11 Mio. EUR erwartet. Für das Jahr 2025 stehen ein Umsatzwachstum von über 40% und eine bereinigte EBIT-Marge von 20% bis 25% im Raum, dann ohne jede Bereinigung. In Zahlen: Aktionäre dürfen von einem 2025er Umsatz in Höhe von 57 Mio. bis 63 Mio. EUR und einem EBIT von 11 Mio. bis 16 Mio. EUR ausgehen. Mit dem Listing soll für Steyr die Basis für nachhaltig profitables Wachstum und eine weitere Steigerung des Unternehmenswerts geschaffen werden. Größter Aktionär von Steyr Motors bleibt Mutares mit einem Anteil von 70,9%, als Cornerstone-Investor mit einem Anteil von 9,9% stieg die bekannte österreichische Industrieholding B&C ein. Steyr Motors profitiert gerade von der „Superkonjunktur der Verteidigung“, so CEO Julian Cassutti gegenüber GoingPublic.
Neuzugang RWT
Die seit Ende 2023 im Marktsegment direct market plus notierte RWT AG ist Eigentümerin der RWT Hornegger & Thor GmbH aus dem Salzburger Land. Das noch junge Unternehmen ist auf die Herstellung von hochpräzisen und komplexen Teilen sowie Werkzeugen für die Kraftfahrzeug- und Luftfahrtindustrie spezialisiert und kommt zum 30. September 2024 auf einen Börsenwert von rund 44 Mio. EUR. Unter der Marke RWT Power stellt das Unternehmen unter anderem auch Teile für die Kultmotorradmarke Harley-Davidson her.
„16er Blech“ und ein weiterer Abgang
Auf den ersten Blick schmerzt den Betrachter das Delisting der Ottakringer Getränke AG, die nach rund 40 Jahren Ende 2023 der Wiener Börse den Rücken kehrte. Auf den zweiten Blick muss man feststellen, dass nur rund 3% der Ottakringer-Aktien im Streubesitz waren und kaum Börsenhandel stattfand. Den Aktionären des „16er Blechs“ – so nennt man in Wien das Ottakringer-Dosenbier wegen seiner Herkunft aus dem 16. Bezirk – wurde der Abschied von der Börse aber mit einer Abfindung von 85 EUR je Stamm- und 70 EUR je Vorzugsaktie versüßt. Die kumulierte Marktkapitalisierung der beiden Ottakringer-Aktiengattungen hatte in unserer letzten Untersuchung zum 30. September 2023 noch 440 Mio. EUR betragen; in dieser Hinsicht ein absoluter Verlust für den österreichischen Kapitalmarkt. Nabriva Therapeutics war einst als hoffnungsvolles österreichisches Biotech-Start-up an die Nasdaq gegangen und musste nun nach relativ erfolgloser Forschung nach den Antibiotika der Zukunft ihr Geschäft einstellen. Die logische Konsequenz war das Delisting im Herbst 2023.
Grundgesamtheit
58 Emittenten oder rund 80% sind in Österreich in den gesetzlich regulierten Marktsegmenten notiert:
- 42 im prime market, wovon 20 den
„Austrian Traded Index“ (ATX) bilden, und - 16 im standard market.
Weitere zehn finden sich in „Vienna MTF“, dem börsenregulierten Markt und vergleichbar dem deutschen Freiverkehr wieder, davon vier im „direct market“ und sechs im „direct market plus“. Darüber hinaus bilden wir im Rahmen unserer Untersuchung vier (Vorjahr fünf) österreichische Unternehmen ab, die ihr Primärlisting im Ausland haben. Neben ams-OSRAM, Kontron und Fabasoft zählt hierzu noch der verbliebene Biotechnologiewert Hookipa Pharma.
Einordnung nach Marktkapitalisierung
Blickt man auf die Börsenwerte, so zeigt sich bei „Listed Austria“ auch 2024 eine große Konzentration auf die Large Caps (siehe Abb. 3). 26 (Vj. 28) bzw. 36,1% (Vj. 38,4%) der Emittenten weisen eine Marktkapitalisierung größer 1 Mrd. EUR auf, weitere acht (Vj. sechs) liegen zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. EUR (Kategorie „Mid Cap“, 11,1% nach 8,2% im Vorjahr). 16 Unternehmen liegen wie 2022 zwischen 100 Mio. und 500 Mio. EUR (Kategorie „Small Cap“). In die Kategorien Micro- (10 Mio. bis 100 Mio. EUR) und Nano Caps (unter 10 Mio. EUR) fallen 17 (23,6%, Vj. 19, 26,0%) respektive fünf (6,9%; Vj. 4, 5,5%) der gelisteten Firmen. Betrachtet man die absoluten Börsenwerte, so geben ganz klar die in den gesetzlich regulierten Segmenten gelisteten Emittenten den Ton an. Von der Gesamt-Marktkapitalisierung der „Österreich AG“ in Höhe von 145,3 Mrd. EUR (30. September 2024) entfallen 142,0 Mrd. EUR oder 97,7% auf sie (siehe Abb. 3). Im historischen Vergleich lag die Gesamtkapitalisierung aller österreichischen Unternehmen Ende 2021 mit 156,2 Mrd. EUR schon einmal um rund 8% höher als zum Ende des dritten Quartals 2024. Blickt man auf die Einzelwerte, so stechen in Sachen Börsenwert vor allem drei Werte heraus: VERBUND (25,9 Mrd. EUR Market Cap), Erste Group (20,7 Mrd. EUR) und OMV (12,6 Mrd. EUR). Alle drei zusammen vereinigen rund 42 Mrd. EUR Marktkapitalisierung auf sich und stehen für rund 41% der gesamten „Österreich AG“. Andritz als Nummer vier nach Market Cap liegt im Vergleich dazu nur noch bei rund 6,6 Mrd. EUR.
Stabile Beschäftigung, Umsatz- und Gewinnrückgang
Die 72 börsennotierten österreichischen Unternehmen erwirtschafteten im Jahr 2023 mit 584.000 Mitarbeitern (+1,6%) einen kumulierten Umsatz in Höhe von 156 Mrd. EUR (Vj. 172 Mrd. EUR). Das entspricht einem Umsatzrückgang von 9,4% gegenüber dem Jahr 2022. Allerdings ging allein der Umsatz der OMV AG aufgrund der gesunkenen Rohstoffpreise um über 22 Mrd. EUR zurück. OMV herausgerechnet, hätte der kumulierte Umsatz den Vorjahreswert locker übertroffen. Die Kennzahl „kumulierter Umsatz“ bildet insgesamt nicht perfekt die Leistungsfähigkeit von „Listed Austria“ ab, da elf der 72 Aktien Banken oder Versicherungen sind – davon allein fünf im ATX 20. Der kumulierte Jahresüberschuss belief sich 2023 auf rund 13,6 Mrd. EUR (Vj. 17,5 Mrd. EUR), was einem Minus von 22,5% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Hier erklärt sich der Rückgang durch die Gewinneinbrüche bei OMV, Raiffeisenbank International und ams-OSRAM (kumuliert 4,6 Mrd. EUR). Der kumulierte Umsatz von „Listed Austria“ entspricht rund einem Drittel (33,0%) des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2023 in Höhe von 473 Mrd. EUR, auch wenn man das aufgrund der teils hohen im Ausland erwirtschafteten Umsatzanteile nicht eins zu eins der anteiligen Wirtschaftsleistung des Landes zurechnen kann. Die 584.000 Mitarbeiter bei börsennotierten österreichischen Unternehmen (die nicht alle im Inland arbeiten) würden auf Basis des Jahres 2023 rund 13% aller Erwerbstätigen (4,5 Mio.) ausmachen. Es wurden hier im Betrachtungszeitraum immerhin rund 9.000 neue Jobs geschaffen.
Bilanzverlängerung und Plus beim Eigenkapital
Die Bilanzsumme der börsennotierten Österreich AG, Sinnbild des gesamten Vermögens, „verlängerte“ sich um 0,2% oder 1,8 Mrd. EUR auf 946 Mrd. EUR. Das Eigenkapital legte um 5,9% auf 163 Mrd. EUR zu. Die so pauschal errechnete, von 16,3% auf 17,2% verbesserte Eigenkapitalquote spiegelt allerdings nicht das wahre Bild wider. Verantwortlich hierfür wieder die starke Bank- und Versicherungswirtschaft mit traditionell niedrigem Eigenkapital in Relation zur Bilanzsumme.
Fazit
Das ist die börsennotierte Österreich AG: 72 Unternehmen erwirtschafteten im Jahr 2023 mit 584.000 Mitarbeitern einen kumulierten Umsatz von 156 Mrd. EUR sowie einen Jahresüberschuss in Höhe von 13,6 Mrd. EUR. Ihr kumulierter Börsenwert lag Ende des dritten Quartals 2024 bei rund 45 Mrd. EUR. Die Bilanzsumme der 72 börsennotierten österreichischen Gesellschaften (946 Mrd. EUR) nähert sich weiter der Marke von 1 Bio. EUR, das Eigenkapital zeigt sich auf 163 Mrd. EUR verbessert. Trotz der großen Potenziale des Kapitalmarkts für Unternehmensfinanzierung und Altersvorsorge liegt die Marktkapitalisierung der österreichischen Aktienemittenten nur bei rund 30% des Bruttoinlandsprodukts, was angesichts der Wirtschaftskraft zu niedrig erscheint.
Autor/Autorin
Markus Rieger ist Gründer und Vorstand der GoingPublic Media AG. Als „Brückenbauer“ zwischen Unternehmen und Investoren ist er gelegentlich auch als Autor von Analysen und Beiträgen tätig.