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Schwebezustände sind immer unbefriedigend. Ein anschauliches Beispiel aus der HV-Saison 2024 ist die CSRD, die bis 6. Juli 2024 in nationales Gesetz umgesetzt werden müsste. Wie umgehen mit einer Regelung, zu der es keine Übergangsfristen, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine Gesetzesgrundlage, zum Zeitpunkt der HV-Einberufung keine Entscheidungsgrundlage gibt, es jedoch aufseiten der Emittenten einer Entscheidung bedarf?

Die neue Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die aufgrund der Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen entsteht, soll in Deutschland gemäß dem am 22. März 2024 vorgelegten Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums schrittweise ausgerollt werden. Für das erste Geschäftsjahr 2024 gilt die Nachhaltigkeitsberichterstattung nur für große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern (was aber die meisten börsennotierten Gesellschaften umfassen wird). In den nachfolgenden Geschäftsjahren werden bis 2028 stufenweise weitere Gruppen von Unternehmen einbezogen. Der größte ­Zuwachs ist für das Geschäftsjahr 2025 zu erwarten, wenn erstmals auch nicht-kapitalmarktorientierte, aber bilanzrechtlich große Unternehmen einbezogen werden. Von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung werden nach derzeitiger Schätzung insgesamt rund 13.000 deutsche Unternehmen betroffen sein – insbesondere Kapitalgesellschaften, haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften.

Umsetzungsgesetz in der ­HV-Saison

Nun ist die Umsetzung der EU-Richtlinie aus dem Jahr 2022 sehr spät in Angriff genommen worden, sodass zu befürchten ist, dass eine Implementierung nur sehr kurzfristig vor dem 6. Juli 2024 möglich sein wird oder gar nicht fristgerecht erfolgt. In jedem Fall ist dann die HV-Saison 2024 schon fast am Ende und die Möglichkeit vertan, Beschlüsse zu einem Nachhaltigkeitsberichtsprüfer in der HV auf Basis eines Gesetzes zu fassen. Die im nun vorliegenden Referentenentwurf genannten Übergangsvorschriften sind auch nicht befriedigend und greifen zu kurz:

Die Unternehmen, deren HV vor Inkrafttreten des Gesetzes stattgefunden hat, können den gewählten Abschlussprüfer für den Jahres- und Konzernabschluss auch zum Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts 2024 nehmen. Die dezidierte Wahl hat dann im Geschäftsjahr 2025 stattzufinden. Nachdem jedoch das Datum des Inkrafttretens noch nicht feststeht, befürchten viele Emittenten, die zur ersten Gruppe von Unternehmen zählen und für die somit das Gesetz gilt, dass sie von der Übergangsfrist keinen Gebrauch machen können. Somit wird vorsorglich ein Prüfer mit den Parametern gewählt, die für den Abschlussprüfer gelten und die aus dem Entwurf des Umsetzungsgesetzes herauszulesen sind.

Aber auch das birgt Risiken, denn ein Referentenentwurf ändert sich in der Regel im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, selbst wenn man meint, eine EU-Richtlinie gäbe einen festen Rahmen vor. Inwiefern also ein HV-Beschluss, der dem verabschiedeten Gesetz nicht entspricht, Anwendung finden kann, ist unklar. Im Prinzip müsste der Gesetzgeber auch diese Fälle in die Übergangsvorschriften aufnehmen. Dass ein Unternehmen wegen der Wahl eines Nachhaltigkeitsprüfers eine außerordentliche Haupt­ver­samm­lung abhalten muss, kann jedenfalls nicht das Mittel der Wahl sein.

Derzeitiger Stand der Übergangsvorschrift

„Als Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts eines im Sinne des Abs. 1 berichtspflichtigen Unternehmens, der sich auf ein Geschäftsjahr bezieht, das vor dem 1. Januar 2025 beginnt, gilt, wenn der Prüfer des Jahresabschlusses vor dem …[einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 32 Absatz 1 dieses Gesetzes] bestellt wurde und kein Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts bestellt worden ist, der Prüfer als bestellt, der für die Prüfung des Jahresabschlusses bestellt worden ist, sofern der Prüfer vor dem 1. Januar 2024 für die Durchführung von Abschlussprüfungen zugelassen oder anerkannt wurde. Die Vorschriften der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.“

(Originaltext aus dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz)

Plan B

Alternativ bliebe eine gerichtliche Bestellung des Nachhaltigkeitsprüfers. Diese ist jedoch erst nach Abschluss des Geschäftsjahres möglich und kann ggf. dazu führen, dass sich die Prüfung verzögert, wenn die Bestellung zu spät erfolgt oder ein Prüfer bestellt wird, der das Unternehmen noch gar nicht kennt.

Dabei wäre die Lösung ganz einfach: Ist ein Unternehmen prüfungspflichtig und wurde im Rahmen der HV 2024 kein Prüfer gewählt, so kann der gewählte Abschlussprüfer die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Jahr 2025 übernehmen. Ist dieser dazu nicht in der Lage oder willens, muss der Prüfer gerichtlich bestellt werden.

Fazit

Zahlreiche Stellungnahmen zum Gesetzentwurf weisen genau auf diesen Umstand hin, dass eine handhabbare Übergangsfrist für die betroffenen Emittenten dringend geboten ist. Diese sollte nunmehr auch die Fälle unzutreffender HV-Beschlüsse wegen des Fehlens einer rechtlichen Leitschnur berücksichtigen.

Autor/Autorin

Bernhard Orlik

Head of Client Services, Computershare Deutschland GmbH & Co. KG

Daniela Gebauer

Senior Consultant, Computershare Deutschland GmbH & Co. KG.