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In der kommenden HV-Saison müssen viele börsennotierte Gesellschaften den Aktionären das Vergütungssystem turnusgemäß erneut zur Billigung vorlegen. Die Praxis zeigt, dass es hinsichtlich der Vorstandsvergütung an einigen Stellen hakt. Nun bietet sich die Gelegenheit zum Nachbessern. Da die Vorstandsvergütung nach wie vor im Visier der Investoren ist, sind auch 2025 kritische Diskussionen rund um Vergütungssystem und -bericht zu erwarten. Welcher Handlungsbedarf besteht, was erwarten die Investoren?

Die ersten Vorstandsvergütungssysteme weisen Schwachstellen hinsichtlich der notwendigen Flexibilität auf. Die anstehende erneute Billigung bietet eine Gelegenheit, diesen Mangel zu beheben. Dazu könnten beispielsweise Sondersituationen eine größere Beachtung finden. Typische Fälle sind die Erweiterung des Spielraums bei Neubestellungen, insbesondere durch die Möglichkeit von Sign-on-Boni, oder atypische Tätigkeiten wie Interimsfunktionen und Auslandstätigkeiten. Noch mehr Flexibilität bieten umfassende Abweichungsklauseln (zur Kritik von Investoren dazu sogleich).

Flexibilisierungspotenzial besteht auch bei der Festlegung des Verhältnisses der Vergütungsbestandteile. Im Vorstandsvergütungssystem sind unter anderem alle festen und variablen Vergütungsbestandteile sowie der jeweilige relative Anteil an der Vergütung auszuweisen. Gibt das ­Vergütungssystem feste Werte vor, sind Aufsichtsräte bei der Ausgestaltung bzw. Anpassung der Vergütung stark eingeschränkt und die einzelnen Vergütungskomponenten können nicht „atmen“. Bei der Festlegung des Verhältnisses der ­Vergütungsbestandteile zueinander empfiehlt es sich daher, statt eines Fixwerts maßvolle Prozentspannen festzulegen, ­innerhalb derer sich die Vergütung bewegen kann. Den Gesetzesmaterialien zufolge ist hierbei eine feste Kenngröße für den variablen Vergütungsbestandteil zu bestimmen, das heißt z.B. die Zielgesamtvergütung oder die Maximalvergütung.

Ähnliches gilt für die Festlegung der relevanten Leistungskennzahlen („KPIs“) ­unter den variablen Vergütungsbestandteilen. Hier kann es ratsam sein, einen Pool möglicher KPIs im Vergütungssystem vorzusehen, aus dem der Aufsichtsrat wählen kann. Dabei sollte darauf geachtet werden, welche KPIs die Gesellschaft intern tatsächlich erfasst und dass die gewählten KPIs im Hinblick auf das Geschäft der ­Gesellschaft aussagekräftig sind. Bei der Auswahl von KPIs wie beispielsweise EBITDA oder Umsatz, welche den in der Kapitalmarktkommunikation (z.B. Prognosen, Jahres- und Mittelfristplanung) verwendeten Werten entsprechen, müssen Gesellschaften im Hinterkopf behalten, dass der Aufsichtsrat die vergütungsbezogenen KPIs bereits vor Beginn des Geschäftsjahres festlegen soll (vgl. Empfehlung G.7 des Deutschen Corporate Governance Kodex). Die Gesellschaft wird etwaige Prognosen oder Budgetplanungen jedoch regelmäßig erst im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres vorweisen können, sodass der Aufsichtsrat auch erst dann die konkret zu erreichenden Ziel-, Maximal- und Mindestwerte unter den ausgewählten KPIs festlegen kann.

Kritik von Investoren

Dem Bedürfnis nach Flexibilisierung stehen die folgenden Kritikpunkte von Investoren gegenüber:

  • Einräumung von freien Ermessensspielräumen mit der Möglichkeit der Gewährung von unspezifischen Sonderboni und der Anwendung von Multi­plikatoren bei der Anpassung von Auszahlungsbeträgen,
  • keine ausreichende Beachtung des Prinzips „Pay for Performance“,
  • unangemessene Caps,
  • Regelungen zur vorzeitigen Unverfallbarkeit („accelerated vesting“) von Aktien­optionen,
  • Unangemessene Auswahl der herangezogenen Peergroup und
  • „Golden Handshake“ bei Beendigung der Vorstandstätigkeit.

Zusätzlich erwarten Investoren vielfach, dass das der HV neu zur Billigung vorgelegte Vergütungssystem auch in laufenden Vorstandsverträgen umgesetzt wird, was die (freiwillige) Mitwirkung der betroffenen Vorstandsmitglieder erfordert. Der Wunsch nach mehr Flexibilität und die ­Kritik der Investoren sollten rechtzeitig vor der HV in ein ausgewogenes Verhältnis ­gebracht werden.

Dauerthema ESG

Vor dem Hintergrund der Corporate Sustain­ability Reporting Directive (CSRD) sind ­Gesellschaften gut beraten, die konkrete Ausgestaltung ihrer ESG-Komponenten kritisch zu überprüfen. Die CSRD verankert das Prinzip der sogenannten doppelten Wesentlichkeit. Danach müssen Unternehmen beurteilen, welche Nachhaltigkeitsthemen wesentlich sind, und diese im Nachhaltigkeitsbericht benennen. Die im Rahmen der Vergütung ausgewählten ESG-Ziele sollten diese Themen abdecken. Einige institutionelle Investoren haben bereits angekündigt, ausdrücklich auf eine solche Kongruenz zu achten.

Vergütungsbericht: „Red Flags“

Investoren und Stimmrechtsberater störten sich im abgelaufenen Jahr insbesondere an der fehlenden Offenlegung der angewendeten Leistungskriterien und der definierten Ziel-, Maximal- und Schwellenwerte sowie an fehlenden Details zur tatsächlichen Zielerreichung im Rahmen der variablen Vergütung. Auch hagelte es Kritik, wenn der Vergütungsbericht für signifikante Gehaltserhöhungen (ab ca. 10%) keine ­inhaltliche Begründung lieferte. ­Inves­toren fordern typischerweise, dass Gehaltssteigerungen in wesentlichen Änderungen der ­Geschäftstätigkeit des Unternehmens oder umgestalteten Aufgabenbereichen oder Verantwortlichkeiten des Vorstands begründet liegen.

Erneut war auch die betriebliche Altersversorgung im Fokus institutioneller Inves­toren. Exzessive Beitragszahlungen, die nicht im Verhältnis zur allgemeinen Belegschaft oder der Festvergütung stehen, stoßen auf Ablehnung. Gesellschaften sind daher gut beraten, von zu üppigen Versorgungszusagen abzusehen, welche keine Anreize zu einer nachhaltigen Unternehmensführung erkennen lassen.

HV-Einladung wird wieder schlanker

Mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz müssen Vergütungssystem und Vergütungsbericht nicht mehr in die HV-Einladung aufgenommen werden. Nach dem neu eingefügten § 124a Satz 1 Nr. 4 AktG genügt es, wenn beides alsbald nach der Einberufung auf der Internetseite der ­Gesellschaft veröffentlicht wird. Damit endet eine kurze Episode des umständ­lichen Übertragens von Text und Grafiken in ein für den Bundesanzeiger verarbeit­bares Dokument. Zugleich wird das Timing der Einladungsveröffentlichung wieder planbarer, da der Bundesanzeiger durch diese Änderung stark entlastet wird und die Seitenzahlen wieder deutlich unter 100 Seiten sinken dürften.

Fazit

Bekannte Themen stehen in der Kritik: „Pay for Perfomance“, Transparenz und konkrete Vergütungshöhe bleiben die wichtigsten Merkposten. Eine gründliche Vorbereitung und ein proaktives Einbinden aller wichtigen Investoren und Stimm­rechtsberater bereits jetzt, also noch vor Beginn der HV-Saison, können maßgeblich dazu beitragen, die Vorstandsver­gütung erfolgreich durch die HV zu bringen. Kritisches Investorenfeedback sollte ernst genommen und der Vergütungsbericht als Chance verstanden werden, mit einer verständlichen ­sowie transparenten Darstellung der Vorstandsvergütung Investoren auf die Seite der Gesellschaft zu holen.

Autor/Autorin

Paula Paprocki

Rechtsanwältin | Senior Associate, Morrison Foerster