Kaum ein aktuelles Thema des Aktien- und Kapitalmarktrechts weist eine ähnliche politische Brisanz auf wie die im März beschlossene Frauenquote für Aufsichtsräte und die weiteren in diesem Rahmen geschaffenen Pflichten für börsennotierte Unternehmen. Wenn das Gesetz in Kürze in Kraft getreten ist, wird die Frage, was zur Umsetzung der neuen Regelungen zu tun ist, stärker in den Fokus der Unternehmen geraten.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Frauenanteil in börsennotierten Unternehmen auf zwei Wegen erhöht werden: Durch eine Frauenquote für paritätisch mitbestimmte börsennotierte Gesellschaften und durch Pflichten zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, im Vorstand und in weiteren Führungspositionen (vgl. Abb. 1).
Frauenquote im Aufsichtsrat
Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, müssen vom 1. Januar 2016 an die Frauenquote von 30% im Aufsichtsrat beachten. Hiervon sind nur etwas mehr als 100 Unternehmen betroffen, vor allem da die paritätische Mitbestimmung nur für Unternehmen gilt, die regelmäßig mehr als 2.000 bzw. (im Bereich der Montan-Mitbestimmung) 1.000 Mitarbeiter haben. Kleinere börsennotierte Unternehmen sind von der fixen Frauenquote somit meist nicht erfasst.
Die Frauenquote wird nicht dazu führen, dass amtierende Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt verlieren. Allerdings sind die nach dem 1. Januar 2016 frei werdenden Aufsichtsratssitze sukzessive mit Frauen zu besetzen, bis besagte Quote erfüllt ist. Diese Vorgaben sind bereits bei den Wahlvorschlägen des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung zu beachten. Eine Ausnahme für den Fall, dass ein Unternehmen keine geeignete Kandidatin findet oder ein männlicher Kandidat deutlich besser als seine weiblichen Mitbewerber qualifiziert ist, sieht das Gesetz übrigens nicht vor. Es gilt der Grundsatz: Quote ist Quote.
Wie viele Sitze im Aufsichtsrat quotengemäß zu besetzen sind, bestimmt sich grundsätzlich nach der sogenannten Gesamtlösung. Danach ist die Quote durch den gesamten Aufsichtsrat zu erfüllen und nicht durch die Anteilseigner- und die Arbeitnehmerbank separat. Unproblematisch ist diese Regelung jedoch nicht: Aktionäre und Arbeitnehmer wählen nämlich nicht gleichzeitig. Daher kann die Gesamtlösung dazu führen, dass die zuerst wählende Seite mehr Frauen bestellen muss als 30% ihrer Mitgliederzahl. Um dem vorzubeugen, sieht das Gesetz ein Widerspruchsrecht vor, durch das die Quote getrennt auf jede Seite angewandt wird (Trennungslösung). Wegen der mit der Gesamtlösung verbundenen Unwägbarkeiten ist davon auszugehen, dass die Trennungslösung in der Praxis dominieren wird.