Bildnachweis: S. Klimpt.
Die HV-Saison 2025 in Österreich startet anspruchsvoll: Das Allzeithoch des ATX Total Return verdeckt einige Probleme, bei der Regierungsfindung bilden Kapitalmarktbedingungen bisher nur ein politisches Randthema. Die Hauptversammlungssaison selbst beginnt mit einer hybriden Großveranstaltung, doch die Präsenz-HV wird dominieren. Auch 2025 sind die großen HV-Themen: Vorstandsvergütung, Nachhaltigkeitsberichterstattung und Standortpolitik.
Die Hauptversammlungssaison startet mit guten Nachrichten für Österreichs Aktionäre: Es ist nur wenige Wochen her, dass der ATX Total Return sein Allzeithoch erreichte. Es handelt sich dabei um diejenige Berechnung des Indexes, welcher die gezahlten Dividenden miteinschließt und somit als Vergleichsindex zum DAX herangezogen werden kann. „Faschingskritiker“ würden unken, dass es sich bei dem jetzigen Umstand um die für Österreich typische Verspätung von weltwirtschaftlichen Entwicklungen handelt – gerade in Bezug auf das aktuell bereits 17. Allzeithoch des DAX. Doch die Kritik hinkt: Die Zusammensetzung des ATX legt starkes Gewicht auf Banken und Versicherungen. Insbesondere die Erste Group und BAWAG Group legten innerhalb der letzten Monate kräftig zu. Die Dividendenwerte sind in Wien traditionell sehr stark. Eine Zugpferdwirkung für den ATX ist daraus leicht ableitbar. Eine breite Abhängigkeit von weltwirtschaftlichen Entwicklungen, die der DAX zuweilen genießt, gibt es in Wien nur marginal.
Konjunkturschwäche trübt Aussichten
Die Allzeithochfreude ist allerdings nicht nur durch den zeitlichen Versatz, sondern auch durch vielerlei Binnenwirtschaftsprobleme getrübt. Österreich und Deutschland führen die Gruppe der Konjunkturschwachen in der Eurozone an. Realwirtschaft und Börsenwirklichkeit klaffen somit auseinander. Österreichs Industrieproduktion schrumpft am stärksten in der Eurozone (-9,5%). Zumindest was die volkswirtschaftlichen Rahmendaten angeht, sind die Aussichten für Aktionäre weniger erfreulich. Immerhin: Die starke Ausrichtung der österreichischen Wirtschaft nach Osteuropa „rettet“ einige Ergebnisse.
Politisch kaum Kapitalmarktthemen
Eine zusätzliche Schwierigkeit ist die unsichere politische Zukunft. Bald vier Monate nach der Wahl zum Nationalrat konnte sich bisher keine Regierungskoalition finden. Kapitalmarktrelevante Themen für Aktionäre sind Mangelware. Die Rückkehr der kapitalertragsteuerbefreienden Behaltefrist von Aktien war in den bisherigen Verhandlungen auf einem guten Wege. Dabei geisterten mehrere Varianten durch die Medien: Von einer einfachen Rückkehr zu einer einjährigen Behaltefrist bis hin zu einem komplizierten Ansparkontomodell über zehn Jahre wurde alles diskutiert. Insofern nährt sich die Hoffnung, dass in Zukunft durch Transaktionen eine guteAktienperformance erzielt werden kann. Die Details und eine grundsätzliche Realisierung waren jedoch noch nicht fixiert.
Hybrides Format der RBI
Gegen Ende März beginnt die HV-Saison traditionell mit der Aktionärsversammlung der Raiffeisenbank International (RBI) in Wien. Dabei handelt es sich um ein Kick-off-Highlight, welches sich nicht nur vieler Aktionäre erfreut, sondern auch im hybriden Format nach dem österreichischen virtuellen Gesellschafterversammlungengesetz stattfindet – eine einzigartige Veranstaltung dieser Art in Österreich. Größte Besonderheit ist sicherlich, dass Aktionäre rein virtuell oder in Präsenz teilnehmen können und mit ihrem jeweiligen Ad-hoc-Stimmverhalten erfasst werden. Den technischen und administrativen Schwierigkeiten hat sich RBI bereits zur Einführung des virtuellen Formats gestellt und führt diese Art der Versammlung nun schon zum vierten Mal durch. Das hybride Format wird von Aktionären zwar nicht durchgehend positiv bewertet, gibt ihnen aber die Wahl, entweder selbst zu erscheinen oder virtuell teilzunehmen. Eine zusätzliche Stimmrechtsvertretung durch den IVA – Interessenverband für Anleger wird ebenfalls angeboten.
Kaum virtuelle Versammlungen
In Bezug auf das HV-Format hat sich in Österreich ein eindeutiger Trend herausgebildet: Weit über 90% der börsengelisteten Unternehmen führen eine Präsenzveranstaltung durch. Für viele Gesellschaften lohnt die virtuelle Durchführung nicht, zudem wird sie von Investoren nicht positiv goutiert. Eine rein virtuelle HV wird als Zeichen schlechter Governance gedeutet. Unternehmen, die dennoch ins virtuelle Format gehen, stecken in oft in Problemsituationen. Beispielsweise bei zeitlich engen Restrukturierungen kann eine außerordentliche, virtuelle Hauptversammlung angezeigt sein.
Themen der Saison
Aufgrund der sprachlichen und ökonomischen Nähe sind die Themen der HV-Saison mit denen in Deutschland vergleichbar. Neben der klassischen Überprüfung von Vorstandsvergütungen und deren Verbindung mit Nachhaltigkeitszielen sowie einer wiederholten Say-on-Climate-Diskussion werden auch Themen wie Cybersicherheit oder geopolitische Resilienz des Geschäftsmodells zur Sprache kommen.
Die Zusammensetzung von Aufsichtsrat und Vorstand im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter wird ein weiteres Thema sein, da Österreich die entsprechende EU-Richtlinie über den Regelungsinhalt der Richtlinie hinaus in nationales Recht umsetzen möchte. Ähnlich zu Deutschland bewegt sich die Geschlechtergleichstellung am unteren Ende der Richtlinienvorgabe. Insbesondere in Vorständen von österreichischen Börsengesellschaften ist der Anteil weiblicher Manager marginal.
Die Aktionärsversammlung der Raiffeisenbank International (RBI) in Wien – eine einzigartige Veranstaltung dieser Art in Österreich.
Im Hintergrund schwelt weiter eine Standortdebatte in Österreich. Lohn-Preis-Spirale und hohe Energiekosten haben die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts gesenkt. Diverse Planspiele, um aus dieser Lage herauszukommen, versanden politisch. Währenddessen entscheiden sich Börsengesellschaften immer wieder gegen Investitionen in der Heimat.
Rechtliche Baustellen
Offen zu Beginn der HV-Saison ist weiterhin eine rechtssichere Bestellung von Nachhaltigkeitsberichtsprüfern. Der österreichische Nationalrat hatte es über ein Jahr versäumt, entsprechende Regeln zu erlassen; immerhin: Ein Entwurf liegt vor. Die Unsicherheit besteht daher weiter. Sie wurde in der Vergangenheit durch eine vorsorgliche Beschlussfassung auf der Tagesordnung abgebildet und war ein weitgehend unproblematischer Abstimmungspunkt.
Fazit
Österreich steht vor einer verhältnismäßig „normalen“ Hauptversammlungssaison. Die geowirtschaftlichen und politischen Einflüsse trüben die Aussichten auf eine solide Dividendenperformance. Banken und Versicherungen ziehen den Index nach oben und hoffen auf ein weiterhin positives politisches Anlageklima. Steuerliche Impacts werden eher für die nächste Saison Relevanz haben. Für Aktionäre stellt die Hauptversammlung in Präsenz eine rechtssichere Plattform für Diskussionen dar.
Autor/Autorin
Florian Beckermann LL.M.
Vorstandssprecher, IVA – Interessenverband für Anleger, Wien