Gudrun Moll, Legal Director, Pinsent Masons Germany LLP
Gudrun Moll, Legal Director,
Pinsent Masons Germany LLP

Mit der ordentlichen Hauptversammlung der Osram Licht AG am 16. Februar 2016 hatte die noch junge HV-Saison bereits ihren ersten „Eklat“. Völlig unerwartet hatte der Vertreter der Aktionärin Siemens AG, die nach eigenen Angaben immerhin noch rd. 17,5% der Aktien an Osram hält, im Rahmen der Generaldebatte angekündigt, den Vorstandsvorsitzenden Olaf Berlien nicht zu entlasten. Hintergrund war offensichtlich ein Streit, der sich an dem im November letzten Jahres durch den Vorstand von Osram überraschend verkündeten Strategiewechsel entzündet hatte.

In der diesbezüglichen Medienberichterstattung kam in diesem Zusammenhang mehrfach Verwunderung über die Verärgerung bei Siemens zum Ausdruck, hatte doch der Osram-Aufsichtsrat, in dem auch der Siemens-Vorstand Roland Busch als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender vertreten ist, den Strategieschwenk – offenbar mit der Stimme von Busch – abgesegnet. Siemens sei, so die unterschwellige Annahme, daher doch in den Strategiewechsel eingebunden, zumindest jedoch hierüber im Vorfeld informiert gewesen.

Dem war Siemens selbst bereits in einer Pressemitteilung vom 23. Dezember 2015 entgegengetreten, in der mitgeteilt wurde, dass der Siemens-Vorstand im Vorfeld der Osram-Ad-hoc-Kommunikation im November 2015 nicht über deren Inhalte oder Zeitpunkt informiert war. Wörtlich heißt es hier weiter:

Als Vertreter von Siemens im Osram-Aufsichtsrat hat Roland Busch sein Handeln an den Interessen von Osram auszurichten und hält die gesetzlichen Regeln trennscharf ein. Gemäß Aktiengesetz und Coporate Governance Kodex gilt es, die Funktionen als Aufsichtsratsmitglied von Osram und als Vorstandsmitglied von Siemens inhaltlich zu trennen und insbesondere die Vertraulichkeit von Informationen zu wahren, die Roland Busch in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied bei Osram erhält. Ebenso schließt sich jegliche Sonderform von Kommunikation zwischen beiden Unternehmen aus, die Siemens als Anteilseigner von Osram einen anderen Informationsstand als den sonstigen Anteilseignern gewähren könnte.

Offensichtlich existiert jedoch eine weit verbreitete Auffassung dahingehend, dass Aufsichtsratsmitglieder, die einen bestimmten Aktionär, in der Regel einen Großaktionär, vertreten, diesen selbstverständlich mit Informationen über Vorgänge und Abstimmungen im Aufsichtsrat versorgen. Dies verstößt jedoch nicht nur gegen die gute Unternehmensführung, sondern kann als Pflichtverstoß auch zu Schadensersatzansprüchen der betroffenen Gesellschaft führen und ist – was den wenigsten bekannt sein dürfte – auch strafbar.

Das Aktiengesetz verpflichtet Aufsichtsratsmitglieder in § 116 Satz 2 AktG insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen. Diese Verpflichtung gilt uneingeschränkt auch gegenüber dem Aktionär, dessen Interessen ein bestimmtes Aufsichtsratsmitglied im Aufsichtsrat vertreten soll. Der hierdurch insbesondere bei Doppelfunktionen, d.h. ein Aufsichtsratsmitglied ist gleichzeitig Mitglied der Verwaltung des Aktionärs, unter Umständen entstehende Interessenkonflikt wird in dem nun diskutierten Osram/Siemens-Fall besonders deutlich.

Die Konsequenzen im Falle der Verletzung der Geheimhaltungspflicht sind nicht zu unterschätzen. Neben einer Pflichtverletzung und daraus möglicherweise resultierenden Schadensersatzforderungen der betroffenen Aktiengesellschaft ist die Verletzung der Geheimhaltungspflicht gemäß § 404 AktG auch strafrechtlich relevant. So wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, bei börsennotierten Gesellschaften sogar bis zu zwei Jahren, oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrats bekannt geworden ist, unbefugt offenbart oder verwertet. Auch wenn die Tat nur auf Antrag der betroffenen Gesellschaft verfolgt wird, handelt es sich hierbei also nicht um ein „Kavaliersdelikt“.

Gudrun Moll, ist Legal Director bei Pinsent Masons Germany LLP

gudrun.moll@pinsentmasons.com

Der Artikel erschien zuerst im HV-Magazin 1-2016.

 

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