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Am 27. Juli 2022 ist das „Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen“ in Kraft getreten. Die Neuregelungen sollen es Gesellschaften auch nach Auslaufen der COVID-19-Sonderregelungen ermöglichen, virtuelle Hauptversammlungen (vHVs) abzuhalten. Erste vHVs sind auf dieser Grundlage bereits durchgeführt worden. Grund genug, eine vielfach als lästig empfundene Formalie näher zu besehen, die bei nicht ordnungsgemäßer Handhabung zur Anfechtung von HV-Beschlüssen führen kann: das Teilnehmerverzeichnis.

Die Neuregelungen zur Abhaltung von vHVs können von den Gesellschaften ab sofort genutzt werden. Zwar ist dafür grundsätzlich eine Satzungsregelung erforderlich, die dem Vorstand die Abhaltung von vHVs erlaubt, jedoch hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung geschaffen, wonach der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis einschließlich 31. August 2023 vHVs auch ohne Satzungsregelung einberufen kann. Erste vHVs von Publikumsgesellschaften haben auf dieser Grundlage bereits stattgefunden, so die der Northern Data AG, der Epigenomics AG und der MEDION AG. Am 19. Dezember 2022 folgt mit der Uniper SE der erste Wert aus dem DAX100.

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Verzeichnis der Präsenz-HV und der vHV gemäß COVMG

Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der vHV gehört die Erstellung und Zugänglichmachung des Teilnehmerverzeichnisses. Für die Präsenz-HV sieht § 129 AktG vor, dass in der HV ein Verzeichnis der erschienenen Aktionäre und ihrer Vertreter mit Angabe ihres Namens und Wohnorts sowie des Nennbetrags bzw. bei Stückaktien der Zahl der jeweils vertretenen Aktien unter Angabe ihrer Gattung aufzustellen und vor der ersten Abstimmung allen Teilnehmern zugänglich zu machen ist. Diese Vorgaben waren auch während der Geltung des sogenannten COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVMG), das mit Ablauf des 31. August 2022 außer Kraft getreten ist, bei vHVs zu beachten. Allerdings bargen die Vorgaben in der Regel keine besonderen Probleme, da die Gesellschaften in ihren zurückliegenden HVs zumeist keine „echte“ elektronische Teilnahme im gesetzlichen Sinne zuließen und die Zuschaltung per Video oder die Stimmabgabe über (elektronische) Briefwahl rechtlich nicht als HV-Teilnahme gelten. Nur die vor Ort anwesenden Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft (Stimmrechtsvertreter) nahmen rechtlich teil und waren in das Verzeichnis aufzunehmen. Das Verzeichnis brauchte zudem nicht über das HV-Portal den zugeschalteten Aktionären zugänglich gemacht zu werden, wenngleich dies in der Praxis oft freiwillig geschah.

Neue Vorgaben für das Teilnehmerverzeichnis der vHV

Für die vHV sieht § 129 AktG nun ergänzende Regelungen vor. Danach sind im Fall der vHV die elektronisch zugeschalteten Aktionäre und Aktionärsvertreter in das Verzeichnis aufzunehmen. Das Teilnehmerverzeichnis ist ferner allen elektronisch zugeschalteten Aktionären und Aktionärsvertretern zugänglich zu machen.

Die Aufnahme der zugeschalteten Aktionäre bedeutet einen erheblichen Mehraufwand für die Gesellschaften, den sie ohne HV-Dienstleister kaum bewältigen können. Technisch sicherzustellen ist etwa, dass es nicht zu einem Mehrfachlogin über den Zugang eines Aktionärs kommt. In rechtlicher Hinsicht besteht zudem folgendes Problem: Wenn der in der Praxis weitverbreitete Stimmrechtsvertreter den Aktionär vertritt, dieser aber zugleich zugeschaltet ist, wären der Aktionär und die von ihm vertretenen Aktien grundsätzlich doppelt zu erfassen. Das könnte dazu führen, dass im Verzeichnis mehr Aktien als präsent ausgewiesen werden, als tatsächlich vertreten sind. Das Verzeichnis würde entsprechend einen unzutreffenden Eindruck erwecken. Eine Anfechtung von darauf basierenden HV-Beschlüssen dürfte die Gesellschaft zwar meist dadurch abwehren können, dass bei Anwendung des üblichen Additionsverfahrens das (falsche) Teilnehmerverzeichnis nicht kausal für das festgestellte Beschlussergebnis war. Gleichwohl erscheint es erstrebenswert, insoweit erst gar keine Angriffsfläche für Klagen zu bieten.

Lösungswege

Zur Lösung des skizzierten Problems können grundsätzlich drei Wege beschritten werden.

  • Erstens kann in einer zusätzlichen Spalte im Teilnehmerverzeichnis kenntlich gemacht werden, wer lediglich virtuell zugeschaltet und wer mit Stimmrechten vertreten ist. Verzichtet man im Verzeichnis zudem auf die Angabe der insgesamt vertretenen und zugeschalteten Aktien, kann selbst bei einem doppelten Ausweis von Aktien kein unzutreffender Eindruck entstehen. Bei der Präsenzverkündung wäre dann neben der Anzahl der von den Stimmrechtsvertretern vertretenen Stimmen und der aus Zeiten des COVMG bekannten Angabe der Briefwahlstimmen sowie ggf. der Summe dieser beiden Positionen zusätzlich aus Transparenzgründen die Anzahl der von zugeschalteten Aktionären vertretenen Aktien anzugeben.
  • Zweitens kann ein Teilnehmerverzeichnis mit zwei Rubriken erstellt werden: In der einen Rubrik werden nur die zugeschalteten Aktionäre ausgewiesen, in der anderen lediglich die von den Stimmrechtsvertretern der Gesellschaft vertretenen Stimmen. Weist man hierbei die jeweiligen Summen aus, kann auf die Angabe der von zugeschalteten Aktionären vertretenen Aktien bei der Präsenzverkündung verzichtet werden.
  • Drittens könnten die vom zugeschalteten Aktionär vertretenen Aktien von denen abgezogen werden, für die der Aktionär dem Stimmrechtsvertreter bereits Vollmacht erteilt hat. Nachteil dieser Lösung wäre aber, dass dann zu wenige vom Stimmrechtsvertreter vertretene Stimmen ausgewiesen und das Verzeichnis nicht mehr den rechtlichen Vorgaben genügen würde. Dem könnte dadurch vorgebeugt werden, dass man das Zuschalten des Aktionärs als Widerruf der dem Stimmrechtsvertreter erteilten Vollmacht wertet. Dem begegnen aber rechtliche und tatsächliche Bedenken. Zum einen erscheint der Wille zu einem Vollmachtwiderruf selbst bei eindeutigen hierauf bezogenen Hinweisen in Einberufung, Vollmachtformularen oder HV-Portal nicht vom Willen des Aktionärs bei dem rein tatsächlichen Akt des Zuschaltens gedeckt. Zum anderen kann eine solche Erklärung mit einem etwa bestehenden Textformerfordernis für den Vollmachtwiderruf in Konflikt geraten. Drittens könnte die Rechtsfolge des Vollmachtwiderrufs eine Erschwernis für das vom Gesetzgeber garantierte Aktionärsrecht darstellen, sich zur HV zuzuschalten. In tatsächlicher Hinsicht ist schließlich zu bedenken, dass bei einem Widerruf der Aktionär seine Stimmrechte wieder selbst ausüben müsste. Es besteht die Gefahr, dass er dies vergisst, was insbesondere bei Großaktionären zu einer ungewollten Verschiebung der Stimmverhältnisse und zu Zufallsmehrheiten führen kann.

Fazit

Bei Durchführung einer vHV haben die Gesellschaften die neuen gesetzlichen Vorgaben für das Teilnehmerverzeichnis zu beachten. Dabei empfiehlt es sich, die zugeschalteten Aktionäre und die Stimmrechtsvertreter auch bei auftretenden Doppelungen kumulativ aufzuführen und die hierauf jeweils entfallende Anzahl Aktien in der vHV besonders auszuweisen.

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Autor/Autorin

Dr. Axel Hoppe

Dr. Axel Hoppe ist Rechtsanwalt und Partner bei Fieldfisher in Düsseldorf.