Verkopfte Vergütungssysteme wieder auf die Beine stellen

Eine im geschilderten Sinne ungewöhnlich klare Umsetzung scheint einem deutschen, börsennotierten Maschinen- und Anlagenbauer gelungen zu sein. Die Vorstandsvergütung ist bei ihm explizit und konsequent auf eine „nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft“ sowie eine „möglichst transparente und verständliche Ausgestaltung“ ausgerichtet. Die Kriterien entsprechen dabei vollumfänglich den Vorgaben des Aktiengesetzes (§ 87 AktG) und legen fest, dass grundsätzlich 60% der maximalen Jahresgesamtvergütung als Fixum und die übrigen 40% aus variablen Vergütungsbestandteilen bestehen.

Die variable Vergütung zielt ausschließlich auf die Nachhaltigkeit des Unternehmenserfolgs ab und wird hauptsächlich mittels zukunftsbezogenen Komponenten mit mehrjährigen Bemessungsgrundlagen sichergestellt: mit der Umsetzung der Unternehmensstrategie und ihrem tatsächlichen Erfolg (60%), dem Verlauf der Kapitalrendite nach dem Economic-Added-Value-Verfahren (20%), gemessen an einem vergangenheitsbezogenen, mittelfristigen Durchschnittszeitraum, sowie einem kurzfristig orientierten Anteil (20%), der die Entwicklung der Nettofinanzpositionen im jeweiligen Geschäftsjahr im Verhältnis zur Planung misst.

Die Höhe der variablen Vergütungsbestandteile ist zudem begrenzt, um außergewöhnlichen, nicht vorhergesehenen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus kann der Aufsichtsrat besondere individuelle Leistungen durch eine Prämie in Höhe von maximal drei Monatsgehältern honorieren. Dieses Vergütungssystem ist so in der Lage, Komplexität massiv zu reduzieren und in einem Konzernumfeld mit zahlreichen in- und ausländischen Tochtergesellschaften sowie unterschiedlichsten Märkten die zentralen Verantwortungen und Leistungsbeiträge des Vorstands abzubilden. Die Anteilseigner können hinsichtlich der Vergütungshöhen nicht unangenehm überrascht werden und der Aufsichtsrat wird seiner Kontrollfunktion auch an dieser Stelle vollumfänglich gerecht.

Hohe Akzeptanz bei den Stakeholdern

Wenn der Aufsichtsrat seine Intention mit einem solchermaßen reduzierten Vorstandsvergütungssystem in der Hauptversammlung gut begründet und – damit zwingend verbunden – auch darlegt, dass nicht jedes erfolgsrelevante Detail in den nachgelagerten Unternehmensebenen belohnt oder sanktioniert wird, kann dies auch zu einer deutlich höheren Akzeptanz auf Seiten der Aktionäre führen. Die Drohkulisse von Aktionärsvertretern wie ISS und Hermes, die angekündigt haben, Aufsichtsräte künftig nicht mehr zu entlasten oder gar auf die Abwahl von Aufsichtsräten zu drängen, zeigt, dass das Thema wahrlich ein heißes Eisen ist, das nicht nur publikumswirksam und rufschädigend in der Öffentlichkeit diskutiert wird, sondern gleichermaßen auch wirken kann.

Ausblick: Entscheidend ist der Wirkungsgrad

Wie auch immer der Aufsichtsrat das Vergütungssystem ausgestaltet, er muss sich gewiss sein, dass in einem solchen System nie alle Unwägbarkeiten gerecht oder auch nur korrekt berücksichtigt werden können. Insofern ist es der weit bessere Ansatz, ein entsprechendes System kompakt und möglichst klar für alle Beteiligten zu halten sowie die zentralen, strategierelevanten und den Unternehmenserfolg dauerhaft beeinflussenden Erfolgspositionen abzubilden.

Für alles weitere sollte sich der Aufsichtsrat die Möglichkeit einräumen lassen, durch sehr wohl gut zu begründende, aber nicht vorab definierte und keinesfalls de facto a priori abgesicherte Prämien besondere Erfolge zu honorieren. Und wenn auch diese mit einem Höchstbetrag gedeckelt werden, dürften Exzesse für die Zukunft weitestgehend ausgeschlossen sein. Wenn sich künftig bodenständige, mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbare Vorstandsvergütungssysteme durchsetzen, sind auch die Diskussionen in der gesamten Gesellschaft und die Eingriffsversuche der Politik in die Vertragsfreiheit vielleicht schon bald Geschichte.

Dr. Thomas Kienle ist Geschäftsführender Gesellschafter & Gründer der Labbé & Cie. GmbH, München. Kontakt: kienle@labbe-cie.de

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