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Die österreichische Plattform „Finanzen verstehen“ hat junge Menschen befragt, was sie über die Institution HV denken und welche Bedeutung sie ihr zumessen. Das Ergebnis ist ernüchternd, regt aber auch dazu an, über Veränderungen nachzudenken, um die HV für Junganleger wieder interessanter zu machen.

Wie Deutschland ist auch Österreich nicht als Land von hohen HV-Quoten privater Aktionäre bekannt. Das Aktionärstum nimmt zwar über die Jahre langsam zu, hat in der Alpenrepublik aber durchaus noch Luft nach oben. Dazu kommt, dass Präsenz-HVs mehrheitlich von älteren Semestern besucht werden. Jüngere Menschen haben oftmals ausbildungs- oder jobbedingt wenig Zeit, um für ein Aktionärstreffen möglicherweise weit anzureisen, an Vormittagen in einem Saal zu sitzen und mehrere Stunden Formalismen, Reden und in der Generaldebatte weiteren „Co-Vorträgen“ zu lauschen, ehe es an die Abstimmungen geht.

Trotzdem – oder gerade deshalb – stellt sich die Frage: Was denken jüngere Privatanleger über Hauptversammlungen? Wie wichtig sind sie ihnen, welche Veränderungen wünschen sie sich?

Matthias Reiter, Co-Founder von „Finanzen verstehen“, Quelle Finanzenverstehen.at

Die österreichische Bildungsplattform für mehr Finanzwissen „Finanzen verstehen“ spricht vor allem jüngere Kapitalmarktinteressierte an. Diese hat, in Kooperation mit dem Autor dieses Artikels, Anfang April 2024 und damit rechtzeitig zur heißen Phase der HV-Saison über ihren Instagram-Kanal eine Umfrage in ihrer Community zum Thema HV durchgeführt. Etwa 200 Interessierte der Community, primär aus der Altersgruppe 18 bis 35 Jahre, haben daran teilgenommen.

Grundsätzlich zeigt sich: Die jüngeren Investmentaffinen in Österreich messen HVs keine große Bedeutung bei. Auf die Einstiegsfrage „Warst du schon einmal bei einer Hauptversammlung von AGs?“ antworteten nur 10% mit Ja. Dagegen gaben 90% an, noch nie eine HV besucht zu haben.

Die Suche nach der idealen HV

Wie in Deutschland herrschen auch in Österreich seit dem Aufkommen der pandemiebedingten virtuellen HVs divergierende Meinungen über die Form bzw. das Format der HV vor. Einige Aktiengesellschaften können auch nach Corona der digitalen oder hybriden HV viel abgewinnen und ließen sich zumindest die Vorstands- bzw. Satzungsermächtigung dafür geben. Privatanleger und deren Vertreter plädieren aus bekannten Gründen hingegen überwiegend für die Präsenz-HV.

Bei jüngeren Privatanlegern in Österreich gehen in diesem Punkt die Meinungen auseinander: Auf die Frage „Welche HV-Form gefällt dir am besten?“ sehen 43% die hybride Variante als „das Beste der beiden Welten“, also aus Präsenz und virtuell. Nur knapp dahinter folgt die Präsenz-HV, die 42% für die beste Form halten. Lediglich 15% der Befragten favorisieren die virtuelle HV, die rein „digitale“ Schiene.

Jüngere Menschen haben oftmals wenig Zeit, um für ein Aktionärstreffen weit anzureisen, an Vormittagen in einem Saal zu sitzen und mehrere Stunden Formalismen und Reden zu lauschen.“

Was jungen Aktionären wichtig ist

Dass Junganleger, auch wenn sie überwiegend HVs nicht nützen, grundsätzlich Bescheid wissen, was dort stattfindet, zeigen die Antworten auf die Frage „Was hältst du bei HVs für das Wichtigste?“ Für 20% der Antwortenden sind das die „Infos vom Vorstand und Aufsichtsrat“. Für weitere 20% stehen das Aktionärsrecht und damit auch „kritische Fragen“ im Vordergrund. Das „Abstimmen über Entscheidungen“ ist für 17% das Wichtigste an HVs. Dass die Gesellschaften ihre Aktionäre gerne mit Speis und Trank für ihre Treue und ihr Durchhalten bei langen HVs belohnen, bleibt auch der jungen Generation nicht verborgen: 42% halten das Buffet bzw. die Naturaldividende für das Wichtigste bei HVs.

23% werden wohl nie eine HV besuchen

Die Umfrage beschäftigte sich auch damit, wie wieder mehr jüngere Menschen Interesse an einem HV-Besuch gewinnen können. Auf die Frage „Wann würdest du eine HV besuchen?“ antworteten 34%, dass sie dies am liebsten tun würden, „wenn sie am Abend ist“. 30% können sich zudem eine HV-Nutzung vorstellen, wenn die Veranstaltung „zeitlich straff, informativ und kurz“ ist. Für 13% käme eine HV infrage, wenn es „viele kritische Fragen und Abstimmungen“ gibt. Generell scheint das Potenzial für AGs und Investor-Relations-Abteilungen groß zu sein, potenzielle neue und jüngere Aktionäre zu gewinnen: Immerhin 23% meinten, dass sie „vermutlich nie eine HV besuchen werden“.

Matthias Reiter, Co-Founder von „Finanzen verstehen“ und im laufenden Austausch mit seiner Community, versucht, die Ergebnisse einzuordnen: „Die überwiegende Mehrheit der jungen österreichischen Anleger war noch nie auf einer Hauptversammlung. Knapp ein Viertel hat offenbar auch nicht vor, das zu ändern.“ Und wenn doch, dann wünschen sich junge Anleger „eine neu gedachte Aktionärsversammlung: eine hybride Variante, zeitlich eher abends und kurz gehalten“.

Bei der Theorie für attraktivere HVs soll es nicht bleiben, so Reiter: „Eines der Ziele von finanzenverstehen.at ist es, in Zukunft junge Privatanleger und Unternehmen in Österreich bei eigenen Anlegertagen zusammenzubringen. Wir sehen erste Veranstaltungen dieser Art in Deutschland, die auf großes Interesse stoßen.“ Daher: „Wir haben bereits erste Events in Planung. Näheres folgt, die Gespräche sind in einem frühen Stadium.“ Und er fügt hinzu: „Wir haben lange Erfahrungen mit der Durchführung von Events in Österreich.“

Die jüngere Anlegergeneration in Österreich bleibt eine attraktive, aber schwierige Zielgruppe für Aktiengesellschaften und Investor-Relations-Abteilungen.

HV-Besuch leistet Beitrag zur Finanzbildung

Auch Dominik Huber zeigt sich daran interessiert, jüngere Anleger wieder mehr für HVs zu begeistern. Als Vorstandssprecher der Initiative Young Shareholders Austria (YSA) setzt er sich dafür ein, jungen Anlegern das Wissen um den Aktienmarkt und seine Vorteile nahezubringen. Er plädiert für die Form der Präsenz-HV und deren Möglichkeit, die Aktionärsrechte zu nutzen. Dazu zählt für ihn auch das aktienrechtlich festgeschriebene Auskunftsrecht. Es biete Gelegenheit, Vorstand und Aufsichtsrat direkt mit Fragen zu konfrontieren, beispielsweise zum Jahresabschluss, zum gesamten Unternehmen oder der Geschäftsentwicklung. Huber empfiehlt daher jedem jungen Aktionär, die Erfahrung von Präsenz-HVs zu machen. Die Präsentation der Geschäftsentwicklung, die Diskussionen und Auskünfte, aber auch das Networking würden nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Finanzbildung leisten – die Teilnahme an der Hauptversammlung ermögliche es auch, über die mitunter wichtigsten Entscheidungen einer AG ein Votum abzugeben.

Dominik Huber, Vorstandssprecher der Initiative Young Shareholders Austria (YSA), Quelle Young Shareholders Austria

Den Wunsch jüngerer Anleger nach Hauptversammlungen am Abend oder zumindest ab dem Nachmittag kann Huber nachvollziehen. Für straffere HVs wäre aus seiner Sicht zudem überlegenswert, das Verlesen einiger Formalien wegfallen zu lassen. Nicht zuletzt könnten durch eine gute Visualisierung des Geschäftsmodells, etwa bei der Präsentation des Geschäftsberichts durch den Vorstand, verstärkt jüngere Teilnehmer angesprochen werden.

Fazit

Die Erhebung zeigt, dass die jüngere Anlegergeneration in Österreich eine attraktive, aber schwierige Zielgruppe für Aktiengesellschaften und Investor-Relations-Abteilungen bleibt. Will man die Kapitalmarktbildung fördern und Privataktionäre gewinnen, sich im Rahmen von Hauptversammlungen aktiv an der Entwicklung von Unternehmen zu beteiligen, müssen die Verantwortlichen an mehreren Stellschrauben drehen.

Autor/Autorin

Manfred Kainz

Manfred Kainz arbeitet als Wirtschafts- & Finanzjournalist in Wien.