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Gründungsprojekte in den Life Sciences, wie Diagnostika, Therapeutika und Medizintechnik, weisen im Branchenvergleich spezifische Herausforderungen auf. Hoher Finanzierungsbedarf über mehrere Runden und die Abhängigkeit vom „Freedom to Operate“ (FTO) sind entscheidende Faktoren für den Erfolg. Welche etablierten Regeln der Branche helfen, diese Herausforderungen zu meistern?
Um das Gründungsprojekt erfolgreich aufbauen zu können und parallel auch für zukünftige Investoren attraktiv zu sein, ist der erste Schritt die Etablierung einer soliden rechtlichen Struktur. Diese beginnt mit der Gründung einer neuen Gesellschaft. Eine der gängigsten Rechtsformen in Deutschland ist hierfür die GmbH, an welcher sich die Gründer und ggf. auch Forschungseinrichtungen beteiligen. Alle Rechte und Pflichten des Projekts werden auf diese neue „juristische“ Person übertragen und dort gebündelt.
Standardisierte Venture-Capital-Dokumentation
Von Anfang an sollte dabei auf eine im Bereich des Venture Capital gängige und standardisierte Dokumentation zurückgegriffen werden, um zum einen für alle Entwicklungen (z.B. Wechsel im Gründerteam, Gewinnung internationaler Investoren) gewappnet zu sein und zum anderen nicht mehrfach die vertragliche Dokumentation kostenpflichtig anpassen zu müssen. Sinnvollerweise sollte diese auch gleich auf Englisch (oder zumindest zweisprachig) ausgestaltet sein, um beim Fundraising auch den zwingend erforderlichen Blick über den Tellerrand in andere europäische Länder bzw. in die USA oder nach Asien zu ermöglichen.
Term Sheet für Investorenverhandlungen
Neben einer für Venture Capital geeigneten Gründungsdokumentation bestehend vor allem aus einem entsprechend individualisierten Gesellschaftsvertrag sollte auch ein sogenanntes Term Sheet für die Verhandlung mit Investoren stets zur Hand sein, in dem grob die Rahmenbedingungen einer Beteiligung festgehalten werden, die später die Grundlage für eine ausführliche Venture-Capital-Dokumentation der Finanzierungsrunde (sogenanntes Investment and Shareholders’ Agreement) bilden.
Mitarbeiterbeteiligungen zur Gewinnung hoch qualifizierter Talente
Auch werden die für den späteren Unternehmenserfolg wichtigen hoch qualifizierten Talente im Life-Sciences-Bereich neben dem Gehalt meist auch eine Beteiligung am zukünftigen Unternehmenserfolg erwarten. Hierauf sollten die Gründer vorbereitet sein und gängige Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (Phantom- oder Hurdle Shares etc.) bereits frühzeitig etablieren, um Talente auch im internationalen Wettbewerb für sich gewinnen zu können.
Sicherung des Freedom to Operate (FTO)
Darüber hinaus ist das Bestehen des FTO zentral für den Unternehmenserfolg und damit auch wesentlich für die Investmententscheidung von Finanzinvestoren. Unter dem FTO versteht man die Ausübungsfreiheit, das geplante Geschäftsmodell ohne Verletzung von Drittschutzrechten umsetzen zu können. Bei Unternehmen in den Life Sciences liegen dem insbesondere Patente und Patentanmeldungen zugrunde. Voraussetzung für eine Patentanmeldung ist eine Erfindung, die es zu schützen gilt.
Der Regelfall einer akademischen Ausgründung im Life-Sciences-Bereich
Der Regelfall einer Ausgründung aus einer akademischen Einrichtung der Life Sciences wird sich wie folgt darstellen: Die akademische Einrichtung („Einrichtung“) ist Arbeitgeber der Gründer. Die Gründer tätigen im Rahmen des Anstellungsverhältnisses eine Erfindung. Eine solche Diensterfindung (§ 4 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen, „ArbNErfG“) ist durch den/die Erfinder zu melden (§ 5 ArbNErfG) und führt regelmäßig zur Inanspruchnahme durch die Einrichtung, da hier in § 6 Abs. (2) ArbNErfG ein Automatismus (Inanspruchnahme, wenn nicht ausdrücklich Freigabe innerhalb vier Monaten nach Meldung) vorgesehen ist.
Unter dem FTO versteht man die Ausübungsfreiheit, das geplante Geschäftsmodell ohne Verletzung von Drittschutzrechten umsetzen zu können.
Lizenzvereinbarungen zur Sicherstellung des FTO
Dies hat eine erhebliche rechtliche Relevanz für das Projekt: Denn die Rechte, die zur Gewährleistung des FTO notwendig sind, liegen meistens bei der Einrichtung. Von dort müssen sie nun zum Projekt, da der FTO maßgeblich für die Entscheidung von Finanzgebern ist. Diese Zielvorgabe wird auf Basis einer Lizenzvereinbarung – also eines Vertrags über ein Nutzungsrecht – zwischen der Einrichtung und dem Ausgründungsunternehmen erreicht. Üblicherweise wird hierzu zunächst ein rechtlich nicht bindender Letter of Intent geschlossen, welcher bereits die zentralen Elemente der späteren Lizenzvereinbarung wiedergibt. Dieser eignet sich auch bereits im Rahmen der Anbahnung von Finanzierungsgesprächen und/oder Fördermittelanträgen, um die später geplante Nutzung der erforderlichen Rechte zu dokumentieren.
Wesentliche Elemente einer Lizenzvereinbarung
Zunächst gilt es, den Vertragsgegenstand präzise zu bestimmen. Neben der – meist zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden – Patentanmeldung spielt dabei die Überlassung von notwendigem Know-how eine Rolle. Hier ist zu beachten, dass Know-how regelmäßig nur nicht-exklusiv zur Nutzung überlassen werden kann. Das Schutzrecht (bzw. die Schutzrechtsanmeldung) hingegen kann auch exklusiv überlassen werden. Es ist heute nicht mehr üblich, Schutzrechte („IP“) bereits zu diesem (frühen) Zeitpunkt zu übertragen – Zugriffsrechte auf sonstige IP und spätere Übertragungsoptionen sind jedoch nicht unüblich. Weitere wichtige Aspekte der Bestimmung des Nutzungsrechts sind zeitliche und territoriale Beschränkungen, das Recht, Unterlizenzen zu vergeben, und der sachliche Anwendungsbereich. Sodann ist die Gegenleistung zu bestimmen: Welche Lizenzgebühren erhält die Einrichtung für die Überlassung der IP? Dabei bietet sich dem Lizenzgeber ein weites Feld an Möglichkeiten von „Technology Access Fees“ über Mindestlizenzgebühren, laufende Lizenzgebühren bis hin zu Meilensteinzahlungen. Im Einzelfall ist hier auszutarieren, denn die berechtigten Interessen der Einrichtung an Einnahmen können und dürfen die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Projekts nicht gefährden. Es hat sich mittlerweile ein gewisses Verständnis für diese wechselseitigen Notwendigkeiten etabliert, welche nichtsdestoweniger regelmäßig der Nachsteuerung bedürfen. IP-Aspekte, die darüber hinaus in der Lizenzvereinbarung zu adressieren sind, betreffen Aufrechterhaltung und Verteidigung der IP, Rechte an Weiterentwicklungen und deren Nutzung sowie Kostentragung. Im Regelfall enthält die Lizenzvereinbarung darüber hinaus allgemeine Regelungen zu Informationspflichten, Gewährleistungen, Vertraulichkeit und zur Laufzeit.
Projekterfolg durch Etablierung der wesentlichen Rechtsstrukturen bei Gründung
Bei den vielen im Laufe der Jahre von uns betreuten akademischen Ausgründungen zeigt sich immer wieder, wie entscheidend die Etablierung der zentralen rechtlichen Strukturen für den langfristigen Erfolg eines Life-Sciences-Projekts ist – denn ohne eine solide gesellschaftsrechtliche Struktur, die internationalen Standards entspricht und Investoren rechtliche Sicherheit gewährt, ist eine Fremdfinanzierung beinahe ausgeschlossen. Auch lassen sich mittlerweile kaum hoch qualifizierte internationale Talente ohne ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm gewinnen. Wesentlich ist zudem die Absicherung des FTO durch IP-Lizenzen. Bei der Etablierung sollten Gründer auch nicht vor den etablierten und zum Teil umfassenden (häufig auch englischsprachigen) Verträgen zurückschrecken, die zwar einem standardisierten Grundmuster folgen, jedoch im Einzelfall immer auch eine detaillierte Überprüfung und Anpassung erfordern, um in der Gesamtschau der gemeinsamen Zielstellung von Einrichtung und Projekt zu dienen. Hierbei zahlt sich der anfängliche Aufwand aus, denn er sichert langfristig den Erfolg des Ausgründungsvorhabens ab.