Bildnachweis: Urs Moesenfechtel, GP PLS, Anavo.

Anavo Therapeutics will die Forschung an Phosphatasen auf ein neues Niveau heben. Auf der diesjährigen BIO-Europe sprachen wir mit CEO Dr. Birgit Zech und CSO Dr. Edward Holson über ihre innovativen Ansätze und die Bedeutung strategischer Partnerschaften.

 

Plattform Life Sciences: Frau Dr. Zech, Herr Dr. Holson, welche Erkenntnisse haben Sie und Ihr Team durch den Austausch mit anderen Innovatoren und Investoren auf der diesjährigen BIO-Europe gewonnen?

Dr. Birgit Zech: Der Austausch auf der Messe hat uns wertvolle Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Trends in der Biotechnologiebranche gegeben. Besonders inspirierend war es, zu sehen, wie andere Unternehmen ähnliche Herausforderungen angehen, insbesondere in Bereichen wie präklinische Entwicklung, Finanzierung und regulatorische Strategien.

Gab es auf der BIO-Europe spezifische Anfragen oder Partnerschaftsangebote, die besonders interessant für die Weiterentwicklung Ihrer Technologie sind und über die Sie bereits berichten können?

Dr. Edward Holson: Auf der BIO-Europe haben wir vor allem die Gelegenheit genutzt, unsere Technologie und Ziele einem breiteren Publikum zu präsentieren. Neben potenziellen Partnerschaftsgesprächen war es uns wichtig, unser Netzwerk durch den Austausch mit anderen Branchenvertretern zu erweitern und wertvolle Verbindungen zu knüpfen. Konferenzen wie die BIO-Europe sind für uns eine wertvolle Plattform, um den Dialog zu fördern und strategische Kontakte für zukünftige Kooperationen zu knüpfen. Die Resonanz war durchweg positiv. Branchenvertreter und potenzielle Partner zeigten großes Interesse an unserer einzigartigen Technologie und den Fortschritten, die wir mit der IGNITE-Plattform erzielen.

* BCC Research-Bericht „Tyrosine Kinase Inhibitors: Global Market Outlook“ von 2021.<br />Phosphatase und Kinase: zwei Seiten derselben Medaille. Während Kinasen für die Phosphorylierung verantwortlich sind, ist die De-Phosphorylierung durch Phosphatasen ebenso essenziell. Phosphorylierungen sind die häufigste Form der Proteinmodifikation und steuern zentrale Prozesse des zellulären Lebens. Ähnlich wie Kinasen bietet die Proteinklasse der Phosphatasen daher ein enormes therapeutisches und wirtschaftliches Potenzial. Copyright: Anavo
* BCC Research-Bericht „Tyrosine Kinase Inhibitors: Global Market Outlook“ von 2021.
Phosphatase und Kinase: zwei Seiten derselben Medaille. Während Kinasen für die Phosphorylierung verantwortlich sind, ist die De-Phosphorylierung durch Phosphatasen ebenso essenziell. Phosphorylierungen sind die häufigste Form der Proteinmodifikation und steuern zentrale Prozesse des zellulären Lebens. Ähnlich wie Kinasen bietet die Proteinklasse der Phosphatasen daher ein enormes therapeutisches und wirtschaftliches Potenzial. Copyright: Anavo

Ihr Team verfolgt einen einzigartigen Ansatz bei der Entwicklung von Phosphatase-Modulatoren. Was macht die IGNITE-Plattform so besonders, und wie hilft sie Ihnen, sogenannte „undruggable targets“ zu adressieren?

Zech: Die IGNITE-Plattform ist besonders, weil sie es uns ermöglicht, die Aktivität von Phosphatasen über allosterische Modulation zu beeinflussen, ohne die aktiven Zentren direkt anvisieren zu müssen. Dieser Ansatz erlaubt es uns, spezifische Signale in Phosphatase-abhängigen Signalwegen zu modulieren, was bisher als schwer erreichbar galt. So können wir therapeutische Ansätze für Targets entwickeln, die bisher als „undruggable“ galten, und neue Behandlungsoptionen für komplexe Krankheiten schaffen.

Holson: Phosphatasen galten lange als schwer zugänglich, weil ihr aktives Zentrum nicht direkt für die Bindung von Molekülen geeignet ist. Unsere allosterische Wechselwirkungsstrategie überwindet dieses Hindernis, indem wir Modulatoren entwickeln, die die Phosphatase-Aktivität indirekt beeinflussen. Diese Modulation ermöglicht es uns, spezifische Effekte zu erzielen, ohne direkt am aktiven Zentrum anzusetzen, wodurch hochspezifische und effektive Therapien entwickelt werden können.

Wie stellen Sie sich die Rolle von Anavo als Kompetenzzentrum für Phosphatase-Targeting vor, und welche Bedeutung hat dieser Anspruch für die Biotech-Industrie?

Zech: Wir sehen Anavo als führendes Kompetenzzentrum für Phosphatase-Targeting, das nicht nur innovative Therapien entwickelt, sondern auch das Verständnis und die Forschung in diesem Bereich entscheidend vorantreibt. Dies ist besonders wichtig für die Biotech-Industrie, da neue Zielstrukturen und Technologien notwendig sind, um schwer behandelbare Krankheiten zu adressieren. Unser Anspruch ist es, die Grenzen des Machbaren zu erweitern und der Branche neue Ansätze und Lösungen im Bereich der Phosphatase-Biologie zu bieten.

Beispiel einer Proteinstruktur einer Phosphatase der PTPN-Familie: Phosphatasen galten lange als schwer zugänglich, da ihr aktives Zentrum nicht direkt für die Molekülbindung geeignet ist. Anavo hat einen Weg gefunden, Phosphatasen gezielt über indirekte Mechanismen zu modulieren. Copyright: Anavo
Beispiel einer Proteinstruktur einer Phosphatase der PTPN-Familie: Phosphatasen galten lange als schwer zugänglich, da ihr aktives Zentrum nicht direkt für die Molekülbindung geeignet ist. Anavo hat einen Weg gefunden, Phosphatasen gezielt über indirekte Mechanismen zu modulieren. Copyright: Anavo

Wie sehen Sie die zukünftige Rolle von Phosphatasen in der Therapie im Vergleich zu Kinase-Hemmern, die bereits einen Umsatz von über 50 Mrd. US-Dollar erzielen?

Holson: Phosphatasen haben ein ebenso großes Potenzial wie Kinase-Hemmer, da sie zentrale Rollen in Zellregulationsprozessen spielen. Während Kinase-Hemmer bereits etabliert sind, sehen wir bei Phosphatasen ein bisher unerforschtes Potenzial, besonders in der gezielten Behandlung von Krankheiten. Die Erkenntnisse und Technologien, die wir heute entwickeln, könnten den Markt und die therapeutische Landschaft ähnlich revolutionieren, wie es bei den Kinase-Hemmern der Fall war.

Welche Fortschritte hat Anavo bisher in der klinischen und präklinischen Entwicklung Ihrer Pipeline gemacht, und welche Meilensteine erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Zech: Bisher haben wir ein Proof-of-Concept in Tiermodellen erreicht, und unsere Pipeline schreitet stetig voran. In den nächsten Jahren planen wir, erste klinische Programme zu starten und die Pipeline auf weitere Indikationen auszuweiten. Unsere kurzfristigen Meilensteine umfassen die Validierung zusätzlicher Targets und den Abschluss präklinischer Studien, um unsere ersten Programme in die Klinik zu bringen.

Auch wenn die Nachricht schon etwas älter ist: nochmals herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Erweiterung der Seed-Runde. Was bedeutet dieser finanzielle Schritt von zusätzlichen 8,5 Mio. Euro für Anavo Therapeutics und speziell für die Weiterentwicklung Ihrer Pipeline?

Holson: Wir sind bis ins Jahr 2026 finanziell gut aufgestellt und haben großartige internationale Investoren an Bord. Die solide Finanzierung ermöglicht es uns, unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten intensiv weiterzuführen und unsere Pipeline gezielt auszubauen. Insbesondere können wir damit unsere präklinischen Programme beschleunigen und weitere Proof-of-Concept-Studien durchführen. Diese finanzielle Unterstützung gibt uns den Freiraum unsere IGNITE-Plattform weiter zu optimieren, zusätzliche Targets zu validieren und das wissenschaftliche Fundament für den nächsten Schritt in Richtung klinischer Entwicklung zu legen. So hat sich erst kürzlich der MRL Ventures Fund dem Investorenkonsortium angeschlossen…

Zech: …, was wir als starkes Zeichen für das Interesse an Phosphatase-fokussierter Forschung und dem Potenzial dieser Enzymklasse in der Entwicklung neuer Therapien werten. Phosphatasen wurden lange als schwer zugänglich für Therapien angesehen, und unser Fortschritt in diesem Bereich zeigt einen klaren Weg auf, wie wir bisher „undruggable“-Targets adressieren können. Dies, sowie die Möglichkeit, gemeinsam neue und wertvolle Therapien zu entwickeln, hat sicherlich großes Interesse bei MRL Ventures geweckt.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Investoren wie MRL Ventures, INKEF, Taiho Ventures, Bioqube Ventures und MRL Ventures? In welcher Weise beeinflusst diese breite Basis von Investoren die strategische Ausrichtung von Anavo?

Holson: Die Zusammenarbeit mit unseren Investoren ist ausgesprochen wertvoll und inspirierend. Jeder Investor bringt spezifisches Fachwissen und strategische Perspektiven mit, die uns helfen, Anavo in der komplexen Landschaft der Biotechnologie zu positionieren. Diese diversifizierende Investorenbasis gibt uns nicht nur die nötigen finanziellen Ressourcen, sondern auch Zugang zu Netzwerken und Know-how, die unsere strategischen Entscheidungen stark beeinflussen. Die breite Investorengrundlage schafft außerdem eine solide Basis für zukünftige Partnerschaften und die kontinuierliche Finanzierung unserer Vision.

Zech: Die Erweiterung unseres Investorenkreises und des Kapitals ermöglicht es uns, langfristige Forschungs- und Entwicklungspläne zu verfolgen und unsere Vision eines führenden Unternehmens im Bereich Phosphatase-Targeting zu realisieren. Dadurch können wir die Pipeline und unsere IGNITE-Plattform kontinuierlich weiterentwickeln, was uns in die Lage versetzt, neue Therapieansätze für Krebserkrankungen zu entwickeln.

Wie schätzen Sie angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland, Europa und den USA die Auswirkungen auf die Biotechnologiebranche ein? Sehen Sie Chancen oder Risiken für Anavo Therapeutics und die gesamte Branche, besonders in Bezug auf regulatorische Rahmenbedingungen, Fördermöglichkeiten oder den Zugang zu internationalen Märkten?

Holson: Auf der einen Seite entstehen Chancen durch verstärkte staatliche Förderprogramme und Initiativen, die Innovation und Forschung gezielt unterstützen. Besonders die EU setzt auf strategische Investitionen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt zu stärken. Für Anavo bedeutet das den potenziellen Zugang zu neuen Fördermitteln und erleichterten Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Kooperationen.

Zech: Auf der anderen Seite gibt es Herausforderungen, insbesondere in Hinblick auf regulatorische Anforderungen, die immer komplexer werden und zusätzliche Ressourcen erfordern. Die politische Unsicherheit in einigen Märkten kann ebenfalls Risiken für den Zugang zu internationalen Märkten mit sich bringen. Insgesamt sehen wir jedoch mehr Chancen als Risiken und sind zuversichtlich, dass sich unsere internationale Ausrichtung und die Unterstützung unserer Investoren als vorteilhaft in diesem dynamischen Umfeld erweisen werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Urs Moesenfechtel.


Zu den Interviewpartnern:

Dr. Birgit Zech
Dr. Birgit Zech

Dr. Birgit Zech ist seit 2021 CEO von Anavo Therapeutics und bringt 20 Jahre Erfahrung in der Biotechnologiebranche in Europa und den USA mit. Ihre Expertise liegt in den Bereichen Operations, Business Development und Intellectual Property. Zuvor spielte sie eine Schlüsselrolle beim Aufbau von Business-Development-Abteilungen bei Unternehmen wie Gotham Therapeutics, X-Rx und MabDiscovery. Zudem verfügt sie über eine beeindruckende Erfolgsbilanz im Fundraising und bei globalen Geschäftsabschlüssen mit einem Gesamtvolumen von über 1 Milliarde USD.
Lesen Sie zu Frau Dr. Birgit Zech auch den folgenden Artikel auf Plattform Life Sciences: Spitzenfrauen der deutschen Biotechnologie: Für den Erfolg braucht es vielerlei Zutaten | GoingPublic.de

Dr. Edward Holson
Dr. Edward Holson

Dr. Edward Holson ist seit 2024 Chief Scientific Officer und President US bei Anavo Therapeutics. Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung in medizinischer Chemie, Arzneimittelforschung und therapeutischer Entwicklung hat er mehrere Biotech-Unternehmen mitbegründet, darunter Photys Therapeutics, Amathus Therapeutics und KDAc Therapeutics. Zudem war er Direktor der medizinischen Chemie am Stanley Center for Psychiatric Research und am Broad Institute of MIT and Harvard tätig. Zu Beginn seiner Karriere arbeitete er bei Infinity Pharmaceuticals und Merck & Co.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at GoingPublic Media AG | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.