Bildnachweis: ARTCLINE GmbH, ARTCLINE GmbH, Foto Wild.
Die ARTICE®-Therapie von ARTCLINE nutzt Immunzellen gesunder Spender, um das Immunsystem von Patienten im septischen Schock zu aktivieren und zu stabilisieren. Auf der BIO-Europe stellte Dirk Hessel, Managing Director der ARTCLINE GmbH, die Therapie vor und erläuterte, wie das Unternehmen die Weichen für die Markteinführung stellt.
Der septische Schock ist eine komplexe medizinische Herausforderung. Wie trägt die ARTICE®-Therapie konkret dazu bei, sie zu meistern?
Dirk Hessel: Der septische Schock kann jeden treffen, und die Sterblichkeit ist immer noch hoch. In der Regel überleben die Patienten die erste Phase, sterben jedoch im weiteren Verlauf an Sekundärinfektionen und/oder Organversagen. Genau hier setzt unsere ARTICE®-Therapie an. Wir setzen Spender-Immunzellen in einem extrakorporalen Verfahren ein, um das dysfunktionale Immunsystem zu entlasten und gleichzeitig die Immunfunktion des Patienten zu reaktivieren. ARTICE® setzt allogene Immunzellen gesunder Spender (sogenannte gereinigte Granulozytenkonzentrate) in einer extrakorporalen Plasmabehandlung ein.
Wie haben Sie auf der BIO-Europe die Investorenstimmung rund um ARTCLINE wahrgenommen?
Die BIO-EUROPE ist ideal, um Partnerschaften mit Unternehmen, Institutionen und Investoren zu initiieren, die u.a. für die Entwicklung und Kommerzialisierung unserer Technologie entscheidend sein können. Die Gespräche haben uns nicht nur die Möglichkeit gegeben, unsere Ideen und Pläne zu präsentieren, sondern auch direktes Feedback zu erhalten, das wir gegebenenfalls anpassen bzw. umsetzten werden. Insgesamt habe ich die Gespräche mit interessierten Firmen, darunter auch einige Investoren, als äußerst konstruktiv und zielführend gesehen. Besonders bemerkenswert war das Feedback zu unserem allogenen Immunzellansatz, der als klarer Differenzierungsfaktor wahrgenommen wurde.
Das Unternehmen hat kürzlich weitere Kapitalerhöhungen abgeschlossen. Welche zusätzlichen Finanzierungsmodelle könnten Ihrer Meinung nach für ARTCLINE in Zukunft infrage kommen, um den Markteintritt der ARTICE®-Therapie zu beschleunigen?
Die letzte Kapitalerhöhung war ein wichtiger Schritt, um die derzeitigen Aktivitäten zu unterstützen. Für die Zukunft sind jedoch weitere Finanzierungsmodelle denkbar, um den Markteintritt unserer ARTICE®-Therapie effizient zu beschleunigen. Langfristig könnte ein Börsengang eine Option sein, auch um das Unternehmen international zu positionieren.
Planen Sie, das Unternehmen weiterhin unabhängig zu führen, oder sehen Sie strategische Vorteile in einer möglichen Übernahme durch ein größeres biopharmazeutisches Unternehmen?
Aktuell planen wir, das Unternehmen unabhängig zu führen. Mittelfristig sehen wir durchaus strategische Vorteile in einer Zusammenarbeit oder einer strategischen Partnerschaft mit einem größeren, strategischen Partner. Eine solche Kooperation könnte uns Zugang zu erweiterten Ressourcen, einem größeren internationalen Netzwerk wie auch erweiterte Vertriebsmöglichkeiten bieten. Natürlich ist es uns dabei wichtig, unsere Innovationskraft und unseren Unternehmergeist auch in einem größeren Umfeld zu erhalten. Wir wollen auch weiterhin agil auf Marktveränderungen und wissenschaftliche Entwicklungen reagieren.
Mit der Markteinführung der ARTICE®-Therapie in Planung: Gibt es vielleicht schon Überlegungen zur Preisgestaltung und Kostenerstattung, um die finanzielle Zugänglichkeit für Kliniken zu gewährleisten?
Die Kostenerstattung und Preisgestaltung spielen natürlich bei der Kommerzialisierung unserer Therapie eine große Rolle. Unser Fokus liegt aktuell auf dem B2B-Vertrieb an deutsche Krankenhäuser mit Intensivstationen. Zurzeit befinden wir uns in der Phase der Beantragung auf eine außerbudgetäre Erstattung von Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB), die von über 30 Kliniken gestellt wurden. Dies zeigt das Interesse an unserer Therapie und stellt bei erfolgreicher Genehmigung eine sehr gute Grundlage für die Erstattung durch die Krankenkassen dar.
Haben Sie auf der Bio-Europe Anregungen zu aktuellen oder kommenden rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen erhalten, die für die Entwicklung und Markteinführung von Immunzelltherapien relevant sein könnten?
Um ehrlich zu sein, nein. Dafür sind unser Immunzellenprodukt und die Therapie zu neuartig. Darüber hinaus wird unsere ARTICE®-Therapie im Rahmen einer gerichteten Herstellung verabreicht, wodurch wir in Deutschland auf weitere Zulassungsverfahren verzichten können. Alle benötigten Geräte sind bereits CE-zertifiziert, die Prozesse sind erprobt. Die Anwendung ist in der Intensivstation jetzt bereits einsetzbar.
Neben der Finanzierung und der erfolgreichen Etablierung der ReActIF-ICE-Studie – wie werden Sie sicherstellen, dass ARTCLINE auch langfristig nachhaltig wirtschaftlich stabil bleibt?
Nachhaltige wirtschaftliche Stabilität erfordert eine langfristige und ganzheitliche Strategie. Um dies zu erreichen, bauen wir rund um unsere Therapie ein skalierbares Geschäftsmodell auf, welches das sehr hohe Marktpotenzial bedienen kann. Gleichzeitig konzentrieren wir uns auf ein effizientes Ressourcenmanagement, um die zur Verfügung stehenden Mittel effektiv einzusetzen.
Mit Blick auf die Innovationskraft der ARTICE®-Therapie – welche zusätzlichen klinischen oder marktstrategischen Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht nötig, um international wettbewerbsfähig zu bleiben?
Wir konzentrieren uns im ersten Schritt auf die Entwicklung des deutschen Marktes, der für uns ein erhebliches Potential darstellt. Die Entwicklung der Strategie zur Internationalisierung, insbesondere in Europa und den USA, steht dann in 2026 an.
Abschließend: Wie sehen Sie ARTCLINEs Position im Vergleich zu anderen biomedizinischen Unternehmen in Deutschland, die ähnliche Therapieverfahren entwickeln, und welche strategischen Schritte wollen Sie unternehmen, um diese Position weiter auszubauen?
Eine vergleichbare Therapie im Bereich der Behandlung des dysfunktionalen Immunsystems mit allogenen Immunzellen im Sepsis-Schock gibt es international zurzeit nicht. Wir sehen auch keine laufenden Studien, die auf die Behandlung des Sepsis Schock mit Immunzellen abzielen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Urs Moesenfechtel.
Zum Interviewpartner:
Dirk Hessel, seit Mitte 2024 Managing Director der ARTCLINE GmbH, verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Führung von Unternehmen der Pharma- und Biotechnologiebranche. Zuletzt war er CEO eines deutschen Biotech-Unternehmens, das einen Flüssigbiopsie-Test zur Früherkennung und Therapieüberwachung von Brustkrebspatientinnen entwickelte. Davor leitete er die CO.DON AG als CEO, wo er maßgeblich für die EMA-Zulassung eines Arzneimittels für neuartige Therapien (ATMP) in der Zell- und Gentherapie verantwortlich war. Zuvor sammelte er mehr als 15 Jahre Erfahrung in strategischen und internationalen Managementpositionen bei Bayer AG und Grünenthal GmbH.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.