Bildnachweis: Quelle: BMBF.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) weiten ihre Unterstützung für pharmazeutische Unternehmen bei der Entwicklung neuer Arzneimittel gegen Covid-19 aus. Dazu veröffentlichen sie Ende letzter Woche eine neue Förderbekanntmachung zur Förderung der klinischen Entwicklung von versorgungsnahen COVID-19-Arzneimitteln und deren Herstellungskapazitäten. Das gemeinsame Programm mit einem Volumen von 300 Millionen Euro hat das Ziel, dass in den klinischen Phasen I und II erfolgreich getestete Kandidaten für neue Therapeutika schnellstmöglich bei den Patientinnen und Patienten in Deutschland zur Anwendung kommen.

Soweit liest sich die offizielle Pressemeldung der Bundesministerien. Zum Hintergrund einige weitere Anmerkungen und Achtung: der weitere Beitrag enhält die Meinung des Autors.

Zögerliche Haltung damit ad acta gelegt?

Damit ergänzt das BMBF ein früheres Förderprogramm aus dem Frühsommer 2020, bei dem nahezu nur akademische Gruppen zur Förderung gelangt waren, das daher viel Kritik hervorgerufen hatte, und das schließlich um weitere 50 Mio EUR aufgebessert worden war. Einzelne Bundesländer wie Bayern hatten ihrerseits Förderprogramme aufgelegt (in Bayern ebenfalls über 50 Mio. EUR) und damit dem berühmten Tropfen auf dem heißen Stein ein oder zwei weitere „Tropfen“ hinzugefügt, das prinzipielle Problem der teuren, späten klinischen Entwicklung aber nicht wirklich signifikant adressiert. Im neuen Bundes-Förderprogramm geht es nun ausdrücklich auch um diese letzte klinische Phase-3-Studien der klinischen Entwicklung, was darauf hindeutet, dass man in den Ministerien zumindest den Schuss nun endlich gehört hat. Allerdings mit gut einem Jahr Verzögerung.

Initiativen und Anstrengungen aller Orten

Eine deutsche Industrie-Initiative einiger Therapeutika-Entwickler mit dem Namen BeatCoV begrüßt nun entsprechend auch das aktuelle großvolumigere finanzielle Committment des Bundes, hatte selbst zum Start der eigenen Initiative jedoch noch mehr als das Doppelte an Fördergeldern gefordert (nämlich 750 Mio. EUR). Die Firmenvertreter von Aicuris, Atriva, Inflarx und Immunic waren zwischenzeitlich entweder an anderer Stelle erfolgreich mit der Finanzmitteleinwerbung, konnten am früheren BMBF-Programm partizipieren oder hoffen nun auf eine Berücksichtigung im neuen Programm – sind also auch selbst nicht mehr alle auf der gleichen Startlinie, sondern das „Feld“ hat sich eben etwas auseinandergezogen.

Dass es nicht nur um diese 4 Unternehmen geht zeigt der schnelle Blick auf die Karte von BIO Deutschland und dem vfa, auf der Impfstoff- und Therapeutika-Entwickler sowie Produktionsstandorte bunt durcheinander gemischt werden, jedoch einige Aktivitäts-Cluster aufscheinen, namentlich um München, Berlin, in Baden-Württemberg und NRW:

https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/woran-wir-forschen/therapeutische-medikamente-gegen-die-coronavirusinfektion-covid-19

Europäische Perspektive

Vor wenigen Tagen verkündete auch die EU Kommission, eine koordinierte und finanziell besser ausgestattete, mehrgleisige Initiative für Therapeutika gegen COVID19. Mit dem Ziel bis Ende Oktober 2021 mindestens 3 wirksame Medikamente verfügbar zu haben, und bis zum Jaheresende sogar noch weitere. Insgesamt wird die EU hierfür mit früheren Mitteln rund 200 Mio. EUR bereitstellen, bereitgestellt haben. Zudem soll es eine europaweite Koordinierung der klinischen Studien geben, einen spezial „Booster“ für besonders vielversprechende Ansätze und auch auf der Produktionsseite will man bereits frühzeitig Kapazitäten schaffen und bereithalten. Ob sich die Medikamente an diese EU-Planung halten werden, bleibt jedoch abzuwarten.

Die öffentlich-privatwirtschaftliche Inititiative IMI rings um innovative Medizin hatte im August 2020 mit dem Spezial-Konsortium CARE unter Beteiligung von u.a. Boehringer Ingelheim, Janssen und anderen mit fast 80 Mio EUR (auch aus EU-Mitteln) ebenfalls die Therapeutikaentwicklung in den Fokus genommen – so richtig viel gehört hat man seither davon jedoch nicht mehr.

Die Welt hat einen anderen Plan

Die Verzögerung in den Bundesministerien mag mit dem Hoffen auf die Impfstoffe zusammenhängen und der damit verbundenen Annahme, dass Therapeutika eine Nebensache werden oder bleiben dürften. Diese Sichtweise haben die Minister Spahn und Karliczek auf der Pressekonferenz zum neuen Förderprogramm aufgegben und sagen nun „Corona wird nicht einfach verschwinden. Auch wenn es uns gelingt, die Pandemie in den Griff zu bekommen, wird es auf längere Sicht Menschen geben, die schwer erkranken. Das zu verhindern, ist Ziel dieses Förderprogramms. Wir wollen damit vor allem klein- und mittelständische Biotech-Unternehmen bei der Entwicklung innovativer Corona-Medikamenten unterstützen. Impfen nimmt der Pandemie ihren Schrecken, wirkungsvolle Therapien der Erkrankung.“ (Jens Spahn).

Dass die restliche Welt beim Thema Therapeutika nicht geschlafen hat zeigt ein oberflächlicher Blick in diverse Portale und direkt bei clinicaltrials.gov: alleine in der klinischen Phase-3 befinden sich demnach unterschiedlichste Wirkstoffe und Kombinationen in über 600 Studien. Nur aus der Pharmaindustrie selbst kommen davon rund 150 – alle schon in Phase 3!

Über ein Schweizer-US-Antikörperprogramm von Vir und Humabs Biomed hatten wir hier berichtet

Gerade die späten Projekte der klinischen Entwicklung haben dabei ein hohes Tempo erreicht und laufen oft bereits in einem koordinierten, rollierenden Verfahren mit den Zulassungsbehörden FDA/EMA, um im Erfolgsfalle sofort über eine Notfallzulassung auf den Markt zu gelangen.

Ob es den deutschen, ambitionierten und häufig sehr klug ausgedachten Ansätzen noch gelingen kann auf diesen Zug in ein vorderes Abteil aufzuspringen bleibt nun die spannende Frage. Warum die Bundesministerien und die Regierung insgesamt dermaßen lange auf der Bremse gestanden haben und gebetsmühlenartig immer die Impfstoffe in den Vordergrund gestellt haben, bleibt jedoch auch weiterhin ein Rätsel.

Zur Bekanntmachung: https://www.bmbf.de/de/spahn-karliczek-weiterer-schub-zur-entwicklung-und-herstellung-von-versorgungsnahen-14450.html

Zur Initiative Beat-CoV: www.beat-cov.de

Zur EU-Bekanntmachung vom 6.5.2021: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/communication-strategy-covid-19-therapeutics_en.pdf

 

Autor/Autorin

Dr. Georg Kääb ist seit 1. Februar Redaktionsleiter der Plattform LifeSciences. Davor war er über 10 Jahre Manager Communications bei der Biotech-Netzwerkagentur BioM. Von der Ausbildung her Biologe waren die ersten Berufsstationen als freier Journalist bei u.a. Süddeutscher Zeitung sowie DIE ZEIT und dann ebenfalls ein gutes Jahrzehnt als Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift des Verbandes dt. Biologen, vdbiol.