Biopharmazeutika, Medikamente aus gentechnischer Herstellung, sind weiter im Aufwind: 2017 gab es mit 23 mehr Zulassungen für Biopharmazeutika als je zuvor und erstmals auch mehr Zulassungen als für andere Medikamente (22). Zehn dieser Biopharmazeutika waren Biosimilars, also Nachahmerpräparate von Biopharmazeutika nach Ablauf des Patentschutzes. Die Branche der medizinischen Biotechnologie, die diese Medikamente entwickelt, produziert und vertreibt, erwies sich 2017 erneut als Jobmotor: Es gab in Deutschland einen Zuwachs um 2.900 (+6,6%) auf 47.000 Mitarbeiter.
Dies sind Ergebnisse des aktuellen Branchenreports „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2018″, den die Stratgieberatung The Boston Consulting Group (BCG) für vfa bio – die Interessengruppe Biotechnologie im Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) – erarbeitet hat. Er analysiert die Aktivitäten aller Unternehmen in der medizinischen Biotechnologie in Deutschland.
Anstieg: 10,2 Mrd. EUR Umsatz in 2017
Der Umsatz mit Biopharmazeutika betrug 2017 10,2 Mrd. EUR (im ambulanten und Klinik-Bereich zusammen, öffentlich bekannte Rabatte berücksichtigt) gegenüber 9,3 Mrd. EUR 2016. Ihr Marktanteil erreichte 26,0% (zuvor 24,8%). „Ausschlaggebend für diese Umsatzentwicklung sind weiter zunehmende Verordnungen aufgrund des hohen Bedarfs. Denn mit Biopharmazeutika lassen sich einige Therapien verwirklichen, die anders nicht möglich wären, etwa in der Immunonkologie oder der Behandlung bestimmter Stoffwechselerkrankungen“, so Dr. Frank Mathias, Vorsitzender von vfa bio und CEO der Rentschler Biopharma SE bei der Vorstellung des Reports.
639 Biopharmazeutika in der klinischen Erprobung
Der medizinische Bedarf für Biopharmazeutika zeigt sich auch in den Entwicklungsprojekten: Insgesamt befinden sich bei den untersuchten Unternehmen 639 weitere Biopharmazeutika in der klinischen Erprobung; damit bleiben die Anstrengungen für künftige Produkte auf gleichbleibend hohem Niveau wie im Vorjahr.
Den Innovationszyklus fördern
Mathias weiter: „Doch andere Länder tun mittlerweile weitaus mehr als Deutschland, um sie bei sich zu entwickeln. Wenn Deutschland nicht zurückstehen und im Gegenteil sogar mehr Anteil an der Wertschöpfung haben möchte – also an Forschung, Entwicklung und Produktion – dann ist es gut beraten, den zugrunde liegenden Innovationszyklus nachhaltig zu unterstützen. Dazu gehört, das Gesundheitssystem innovationsoffen zu gestalten. Dazu zählt, endlich eine steuerliche Forschungsförderung einzuführen, wie es fast alle Wettbewerberländer erfolgreich getan haben. Dringend muss für kleine und mittlere Unternehmen mehr Innovationskapital mobilisiert werden. Unternehmen wie Investoren brauchen Signale, dass es sich lohnt, gerade in Deutschland weiter Geld und Grips für die Entwicklung neuer Biopharmazeutika aufzuwenden“, so Frank Mathias.
Stoffwechselkrankheiten im Fokus
Ein Schwerpunkt des aktuellen Reports bilden Stoffwechselkrankheiten. Unter diesen ist Diabetes die häufigste: In Deutschland leiden rund sieben Mio. Patienten am Typ 2 und noch einmal etwa 300.000 am Typ 1, Tendenz steigend. Dadurch entstehen jährlich Kosten von 35 Mrd. EUR. Nur rund 20% davon entfallen auf die eigentliche Diabetesbehandlung. Die übrigen Kosten entstehen durch Folgeerkrankungen, Frühverrentungen und Produktivitätsverluste. Das Risiko der Folgeerkrankungen ist aber umso geringer, je besser die Patienten ihren Blutzuckerspiegel medikamentös einstellen können. Ärzte können dafür die jeweils bestgeeignete Therapie aus einem Arzneimittelrepertoire zusammenstellen, in dem Biopharmazeutika wie Insuline und GLP-1-Analoga eine wichtige Rolle spielen. Die therapeutische Vielfalt ist eine Voraussetzung für die bedarfsgerechte Versorgung.
Beispiel Diabetes
„Für Diabetes-Patienten stehen hochwirksame Medikamente für die kurzfristige und langanhaltende Kontrolle des Blutzuckerspiegels zur Verfügung – eine Situation, die sich in Zukunft noch weiter verbessern dürfte. Dennoch sind viele Patienten sehr schlecht eingestellt“, sagt Judith Wallenstein, Senior Partnerin bei BCG. „Nur ein holistischer ‚Value-Based Health Care‘-Ansatz, der auf eine wirklich patientenorientierte Versorgung zielt, wird diese Situation verbessern – auch durch einen besseren Zugang zu Daten und digitalen Patientenmanagement-Modellen.“
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