Die Kursperformance der deutschen Biotechunternehmen ist im Frühjahr 2023 von firmenspezifischen Nachrichten getrieben. Ein branchenumfassender Aufwärtstrend lässt weiter auf sich warten. Von Stefan Riedel
Der im Mai 2022 aufgesetzte Biotech & Co. Basket der Plattform Life Sciences im In- und Ausland will alle 30 börsennotierten deutschen Biotechfirmen in ihrer Wertentwicklung abbilden. Mit Marinomed ist im Basket auch ein Biotechnologieunternehmen aus Österreich enthalten, dessen Aktie zu größeren Volumina an deutschen Börsen gehandelt wird.
Die wichtigsten Zahlen, Trends und Kursentwicklungen des Biotech & Co. Basket im Berichtszeitraum (6. März bis 15. Mai 2023):
- Der Börsenwert belief sich zum Ende des Berichtszeitraums auf rund 42,6 Mrd. EUR. Davon entfielen rund 55,2% auf die seit Oktober 2019 an der Nasdaq notierende BioNTech AG.
- Die Marktkapitalisierung aller im Basket enthaltenen Unternehmen verringerte sich um 12%. Den Ausschlag gaben die seit Jahresanfang anhaltenden Kursverluste bei Schwergewicht BioNTech. Mit den anhaltenden Verkäufen reagieren die Anleger auf die mit dem Abklingen der Coronapandemie rückläufigen Umsätze des COVID-19-Impfstoffs COMIRNATY.
- Fünf Unternehmen (BioNTech, QIAGEN, Evotec, CureVac, Formycon) haben eine Marktkapitalisierung von mehr als 1 Mrd. EUR.
- Insgesamt 14 der 30 im Basket enthaltenen Unternehmen kommen auf einen Börsenwert von mehr als 100 Mio. EUR. Weitere fünf Titel liegen bei ihrer Marktkapitalisierung zwischen 50 Mio. und 100 Mio. EUR.
- Zwölf der 30 im Basket enthaltenen Unternehmen verzeichneten im Berichtszeitraum eine positive Kursperformance. Für die Performance des Baskets am stärksten ins Gewicht schlagen hier die Gewinne von Evotec (+14%), CureVac (+6%) und Vivoryon Therapeutics (+43%). Den größten Kurssprung schafften der Micro Cap TME Pharma (+280%, vormals NOXXON Pharma,) sowie InflaRx (+161%) nach positiven Nachrichten für das am weitesten fortgeschrittene klinische Produkt.
- Für die inzwischen nicht mehr börsennotierte CO.DON AG werden wir die im Freiverkehr der deutschen Börsen notierende und an antikörperbasierten Arzneien forschende kanadische Firma Defence Therapeutics in den Basket aufnehmen.
Kapitalbeschaffung bleibt für niedrig kapitalisierte Biotechs schwierig
Die Kursentwicklung bei den Biotechaktien hat sich inzwischen von den Jahrestiefständen vom März gelöst, ohne dass bereits eine signifikante Aufwärtsbewegung eingesetzt hat, wie sie die Biotechbranche von Oktober 2020 bis Februar 2021 beflügelt hatte. Der Nasdaq Biotechnology Index als maßgeblicher Branchenindex notiert aktuell wieder auf dem Niveau zu Jahresanfang. Die Kursentwicklung bei einzelnen Aktien signalisiert jedoch, dass die Investoren die positiven Nachrichten vonseiten der Unternehmen zum Anlass nehmen, Aktienkäufe zu tätigen.
Schwierig bleibt die Situation bei den Small Caps, die für die Finanzierung ihrer Forschung und Entwicklung in den nächsten Quartalen auf frisches Fremdkapital angewiesen sind. Solange die Zinssätze auf dem anhaltend hohen Niveau verharren, werden Branchenanalysten die Bewertung dieser Firmen weiter nach unten diskontieren. Da sich diese nur über zukünftige Profitabilität und Umsätze definiert, wird es für die Firmen problematisch.
Kurstreibende Erfolgserlebnisse
Im Anlageuniversum des Baskets haben unter den höher gewichteten Unternehmen die Aktienkurse von Evotec und Immatics von positiven Nachrichten profitiert. Evotec hat mit Bristol Myers Squibb und Sandoz Entwicklungspartnerschaften abgeschlossen, die nach den Vorabzahlungen erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen im dreistelligen Millionenbereich mit sich bringen können. Immatics hat bei der klinischen Entwicklung eines T-Zell-Rezeptors (TCR) als Monotherapie gegen Krebs erste vielversprechende Wirksamkeitsdaten veröffentlicht. Zugleich hat Kooperationspartner Bristol Myers Squibb erstmals die Option zur Einlizenzierung eines TCR-Wirkstoffs für die klinische Weiterentwicklung wahrgenommen und damit eine Zahlung von 15 Mio. USD an Immatics ausgelöst.
InflaRx erhielt Anfang April die Notfallzulassung in den USA für sein Produkt Gohibic zur Behandlung von schwer kranken COVID-19-Patienten. Die Euphorie der Investoren, die den Aktienkurs in der Spitze um mehr als 150% nach oben katapultierte, nutzte die Gesellschaft, um über eine Kapitalmaßnahme einen Bruttoerlös von 46 Mio. EUR einzuwerben. Mit dem frischen Geld sieht sich InflaRx bis 2026 durchfinanziert.
Die Aktie von Vivoryon Therapeutics setzt ihren Höhenflug fort und profitiert dabei von der bis zum Jahresende erwarteten Zulassung der von Eli Lilly entwickelten Alzheimerarznei Donanemab, die Anfang Mai sehr gute zulassungsrelevante klinische Daten vorlegte. Bei Vivoryon selbst schlägt die Stunde der Wahrheit im ersten Quartal 2024 mit der Präsentation der Wirksamkeitsdaten für den eigenen Alzheimerwirkstoff Varoglutamstat.
Fazit
Die Biotechbranche ist weiter auf der Suche nach Impulsgebern, die den Sektor als Ganzes wieder ins Blickfeld der Märkte rücken. Innerhalb des Biotech & Co. Basket der Plattform Life Sciences drücken vor allem die anhaltenden Abverkäufe bei BioNTech auf die Performance. Hier ist zu hoffen, dass die Investoren nach den rückläufigen Erlösen mit dem COVID-19-Impfstoff die breite Entwicklungspipeline zur Grundlage für Investmententscheidungen machen. Um die Vielzahl an Therapieansätzen gegen Krebs, Infektionskrankheiten und neurodegenerative Erkrankungen in den 31 aktuell laufenden klinischen Studien schnell voranzubringen, kann BioNTech dank der Milliardeneinnahmen mit dem Coronaimpfstoff aus dem Vollen schöpfen.
Dieser Artikel ist in der Plattform Life Sciences-Ausgabe 2_23 „Finanzieren & Investieren“ erschienen und kann hier heruntergeladen werden: https://www.goingpublic.de/wp-content/uploads/epaper/epaper-Life-Sciences-2-2023/#46
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.