Ein Gespräch mit Enno Spillner, Evotec, Prof. Dr. Horst Domdey, BioM, Dr. Hubert Birner, TVM Life Sciences, Dr. Siegfried Bialojan, EY, Prof. Dr. Dirk Honold, BIO Deutschland, und Dr. Peter Hanns Zobel, IZB, im Sky-Room des ­Campus at Home, Martinsried.

Die Biotechnologie in Deutschland steht an einem Scheideweg: Einerseits lassen steigende Gründerzahlen und tragfähige Businessmodelle für die Zukunft hoffen. Doch der Zugang zu Kapital bleibt schwierig, insbesondere bei notwendigen ­Folgefinanzierungen. Erfolgreiche Finanzierungsrunden lassen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weiterhin an Leuchttürmen im Land fehlt.

Plattform Life Sciences: Wie steht es um den Biotechnologie-Standort Deutschland?

Bialojan: Wir haben im aktuellen Biotech-­Report von EY insgesamt 623 Unternehmen gezählt; immerhin ein Anstieg um 5% beziehungsweise um 32 Unternehmen. Gründungen liegen nach wie vor stark im Bereich der Medikamentenentwicklung mit neuen Ideen in attraktiven Feldern, wie beispielsweise mit iOmx in der Immuntherapie. Desweiteren gibt es Ausgründungen von existierenden Biotechs, die im allgemeinen die R&D-Aktivitäten weiterführen, während die ­Muttergesellschaft sich auf die Lead-Projekte fokussiert, etwa immunic aus der 4SCEs muss unser Ziel sein, Corporate Venture Capital nach Deutschland zu holen AG oder Aptarion aus der Noxxon AG.

BirnerIch glaube, dass sich die Gründungssituation insgesamt verbessert hat. Wir ­sehen mehr tragfähige Businesspläne aus dem deutschsprachigen Raum. Zudem ­registrieren wir ein höheres Corporate-­Interesse an den Start-ups. Gleichzeitig ­merken wir, dass die großen Forschungs­institute extrem offen sind für neue Finanzierungsmodelle. Dort konzentriert man sich immer häufiger auf konkrete Projektideen, gemeinsam mit Unternehmen, und weniger auf breite Plattformtechnologien.

IZB Residence Campus at Home, Martinsried

Im derzeitigen Finanzierungsmix vereinen sich immer häufiger neben den VC-Gebern auch Corporate-Investoren mit einem kurzfristigen Interesse, wie beispielsweise eine Evotec AG mit ihrer entsprechenden wissenschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen ­Expertise oder ­Service-Dienstleistungen ­sowie Corporates mit einem eher langfristigen strategischen Interesse.

Was mich nachdenklich stimmt, ist, dass wir immer noch keine tiefgreifende Lösung für notwendige Folgefinanzierungen haben. Mitunter kann man eine Phase-2a-Studie ­finanzieren, doch fehlt es in Deutschland an einer geeigneten IPO-Option, um das investierte Kapital über diesen Exit-Kanal wieder einzunehmen. Ich sehe aktuell auch keinen Kapitalmarkt, der eine Neuauflage einer Evotec oder einer MorphoSys ermöglichen würde.

Enno Spillner, Evotec AG

 

„Viele Unternehmen werden in einer Art Projektstatus begonnen, mit dem Ziel, dieses Projekt nach einer erfolgreichen Phase II zu verpartnern oder zu verkaufen „

 

 

Zobel: Ich glaube, dass das Konzept der ­Biotech-Gründungen am Standort München sehr gut aufgeht. Namhafte Unternehmen, wie 4SC, Medigene, MorphoSys oder Micromet, haben hier im IZB ihren Ursprung ­gehabt. Es macht mich sehr glücklich, dass diese Firmen, die einst in unseren Räumen ihre Arbeit aufgenommen haben, weiterhin sehr erfolgreich existieren.

Darüber hinaus haben wir im IZB seit zehn Jahren keinen Leerstand. Allein in diesem Jahr konnten wir drei Neugründungen ansiedeln. Eine immunic hat zuletzt eine ­Serie-A Finanzierungsrunde über 22 Mio. EUR gestemmt. Das Geld ist also da und es fließt auch in die richtige Richtung.

Unser Hauptproblem ist die begrenzte Fläche. Dadurch kann die Dynamik am Standort nicht weiter zunehmen, sie verharrt im Gegenteil auf einem gewissen, wenn auch positiven Level. Ansonsten bin ich sehr positiv darüber gestimmt, wie die Entwicklung hier am IZB in den letzten 22 Jahren gelaufen ist.

Plattform Life Sciences: Herr Spillner, wo sehen Sie weitere Hotspots für das Gründungsgeschehen im Biotechnologie-Sektor?

Spillner: Es gibt eine Reihe von Regionen in Deutschland, in denen die Biotechnologie zu Hause ist, wo es jedoch schwer ist, ausreichend kritische Masse zu erzeugen, sei es in Form wissenschaftlicher Expertise oder in Form von Ausgründungen aus wissenschaftlichen oder klinischen Instituten. Dieses Umfeld ist für München bzw. Marinsried natürlich optimal, zudem auch im Raum ­Heidelberg oder in der Region Berlin. Verschiedene Faktoren spielen hier eine Rolle, wie die politische Unterstützung, die akademische Situation vor Ort sowie das Zusammenspiel der einzelnen Institutionen und Firmen bis hin zu Big Pharma.

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