Während in den USA in den letzten Jahren Dutzende Biotechnologieunternehmen an die Börse gingen, erfolgte seit 2021 kein IPO eines deutschen Biotechs mehr. Wird sich diese Negativbilanz mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz ändern? Von Matthias Bach

Das Handelsblatt kommentierte im Februar 2022[1]: „Deutschland braucht Biotech-Börsengänge“; passiert ist am Finanzmarkt seitdem nichts. Das letzte IPO an der Frankfurter Börse durch die Zwingenberger BRAIN Biotech AG liegt gar schon sieben Jahre zurück. Die Politik hat in jüngster Zeit erkannt, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland den Ansprüchen von Digitalisierung, Entbürokratisierung, Internationalisierung und Innovation im internationalen Vergleich nicht mehr genügen. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Anfang ­April 2023 das Zukunftsfinanzierungs­gesetz vorgestellt, das den deutschen ­Kapitalmarkt modernisieren und wettbewerbsfähig machen soll. Es greift dabei durchaus vielerlei For­derungen und Wünsche von Start-up- und Finanzverbänden auf. Geplant sind etwa Erleichterungen bei den Börsenzulassungsanforderungen und Zulassungsfolgepflichten. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft für Gründungen soll durch die ­Wiedereinführung von Mehrstimmrechten attraktiver gemacht und ­Kapitalerhöhungen erleichtert werden. Börsenmantelgesellschaften (SPACs) sollen rechtssicher im Börsengesetz geregelt werden. Auch die lange ­unzufriedenstellende Regelung der Mit­arbeiterkapitalbeteiligung soll neu justiert werden. Doch werden ­diese Anpassungen zu einem Boom an ­Biotechbörsengängen oder vermehrt ­großvolumigen Finanzierungsrunden in Deutschland führen?

Bisherige Probleme der Biotechbranche werden nicht gelöst

Dass mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz eine große Wende einhergeht, darf eher bezweifelt werden. Die Weichenstellung Richtung forschungsintensiver Spitzentechnologie lässt auf sich warten. „Im Gegensatz zu den USA mangelt es in Deutschland weiterhin an Analysten, die auf die Branche spezialisiert sind“, erklärt Oliver Schacht, Präsident des Biotechnologieverbands BIO Deutschland. Es ist zu hoffen, dass im Licht der neuen Rahmenbedingungen hier Expertise aufgebaut wird.

„Auch bei Venture Capital stammt der Großteil von ausländischen Investoren; dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die so finanzierten Firmen dann im Ausland an die Börse gehen. Die Maßnahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes sind sicher generell nicht schlecht, helfen uns als Biotechbranche aber nicht, um diese Probleme zu beheben.“

Regelmäßige Austauschformate mit politischen Verantwortlichen sollen den Bedarf für die Branche weiter schärfen. Im Bild: Podiumsdiskussion beim Biotech Finanz-Gipfel 2022; v. l.: Maximilian Mordhorst (MdB, FDP), Anna Christmann (MdB, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und BMWK), Dirk Honold (Co-Leiter AG Finanzen, BIO Deutschland), Thomas Jarzombek (MdB, CDU). Foto: © BIO Deutschland

Vorschläge liegen auf dem Tisch

Eine gravierende Schwäche der Finanzierung von Spitzentechnologie in Deutschland liegt weiterhin darin, dass nicht in ausreichendem Maße Beteiligungskapital verfügbar ist. Steuerliche Anreize für die Bereitstellung privaten Kapitals für innovative KMU sind dringend geboten. Wie diese aussehen könnten, dazu hat der ­Verband bereits vor Jahren in diversen Stellungnahmen und Positionspapieren Vorschläge erarbeitet:

  • Befreiung der Investoren von der Kapitalertragsteuer, wenn das Investment in innovative KMU fließt, deren Kosten für Forschung und Entwicklung mindestens 25% der Gesamtkosten ausmachen.
  • Möglichkeit der Zuweisung von Anlaufverlusten und Verrechenbarkeit mit ­anderen Einkünften.
  • Ausweitung des INVEST-Zuschusses, der sich bisher nur auf Business Angels bezieht, auf Investments von Privatpersonen in VC-Fonds.

Zu all diesen Punkten findet sich nichts im Zukunftsfinanzierungsgesetz. Um den ­INVEST-Zuschuss gab es gar in den letzten Monaten immer wieder Unsicherheiten, da die EU-Kommission eine mögliche Verletzung des Beihilferechts geprüft hatte. Im Februar folgte dann grünes Licht aus Brüssel, die Förderrichtlinie zum INVEST-Programm wurde mit Wirkung vom 6. Februar 2023 an für weitere vier Jahre bis Ende 2026 verlängert.

Punktuelle Verbesserungen bei Forschungszulage – aber auch kein großer Wurf

Und so sind es wieder die kleinen Dinge, an denen man sich in der Biotechnologiebranche erfreuen muss. Bei der Forschungszulage gab es Anfang des Jahres zumindest Positives zu vermelden. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat im Februar ein Schreiben veröffentlicht, das einige Praxisprobleme lösen soll. Hier gilt nun beispielsweise, dass Unternehmen in vermögensverwaltenden Gesellschaftsstrukturen, wie Family Offices, nicht als verbundene Unternehmen anzusehen sind und damit jedes Unternehmen das maximale Fördervolumen abrufen kann. Auch die Bürokratie wurde erleichtert: So kann man anstelle von Stundenaufzeichnungen die Dokumentation der Arbeitstätigkeit auch durch andere Projektdokumentationen erbringen. Dies dürfte insbesondere für vergangene Projekte von Interesse sein.

Dr. Heike Balzer, Co-Leiterin der BIO-Deutschland-Arbeitsgruppe Finanzen und Steuern, findet durchaus, dass die Forschungszulage eine sinnvolle Förderung zur Finanzierung kleinerer Forschungsprojekte und zur Unterstützung einer ­Anschubfinanzierung ist. Für großvolumige Forschungsvorhaben der medizinischen Biotechnologie ist sie allerdings nur ein kleiner Baustein zur Finanzierung und Förderung der Projekte. „Wir sehen auf jeden Fall den Bedarf für Nachbesserungen, um die Förderung für deutlich mehr Unternehmen attraktiv zu machen. Dazu gehört eine vereinfachte Antragstellung. Außerdem empfehlen wir eine Erhöhung der Fördervolumina, die Anhebung des Fördersatzes um mindestens 5% auf 30% sowie eine deutliche Ausweitung bzw. Abschaffung der Bemessungsgrundlage der förderfähigen Forschungsaufwendungen.“

Riesiges Potenzial – politisch nicht erkannt

Es ist also weiterhin viel zu tun; noch sind die Weichen nicht Richtung Spitzentechnologie gestellt. Die Tatsache, dass die ­Politik die Potenziale der Biotechnologie immer noch nicht für sich erkannt und in konstruktive Gesetzgebung umgewandelt hat, sondern immer nur kleine Bausteine liefert, nervt und irritiert. „Die Biotechnologie ist eine der zentralen Zukunftstechnologien“, sagt Dr. Sylvia Wojczewski, Gründerin und Geschäftsführerin des ­Unternehmens BioSpring aus Frankfurt. Sie ist im Vorstand von BIO Deutschland aktiv. „Unsere Industrie besitzt ein riesiges ökonomisches Potenzial mit einem globalen Umsatzvolumen von 2 Bio. bis 4 Bio. USD jährlich. In den USA wird dieses ­Potenzial seit Jahrzehnten erkannt und politisch stark unterstützt. Dort sind mittlerweile 2 Mio. sichere und hochwertige Arbeitsplätze entstanden.“

Auf dem Papier scheint auch die Ampel­koalition die Bedeutung der Branche ­erkannt zu haben und spricht im Koalitionsvertrag davon, Deutschland zum ­führenden Standort für Biotechnologie entwickeln zu wollen. Eine richtige Vorstellung, wie man dieses Ziel erreichen könnte, scheint es jedoch nicht zu geben. Mit Informationsveranstaltungen und vielen Hintergrundgesprächen wird der V­erband also weiterhin versuchen, die Wahrnehmung und Bedürfnisse für die Branche zu schärfen.

Am 5. Juli findet in diesem Zusammenhang der „Unternehmer:innentag – Zukunft mit Biotechnologie“ statt. Die Plattform Life Sciences ist exklusiver Medienpartner der Veranstaltung, bei der die Entrepreneure der Biotechbranche mit der Politik in Kontakt treten und einmal mehr ihre Geschäftsmodelle und Ideen zu Standortverbesserungen erläutern wollen.


Anmeldung zum Unternehmer:innentag:
www.biodeutschland.org/de/unternehmer-innentag.html

Hier gelangen Sie zum E-Magazin der Plattform Life Sciences-Ausgabe 2_23 „Finanzieren & Investieren“, in der dieser Artikel erschienen ist.

Autor/Autorin

Matthias Bach
Leiter Marketing at BIO Deutschland e.V. | Website

Matthias Bachist Leiter Marketing beiBIO Deutschland e.V.und betreut seit Januar 2023 die Arbeitsgruppe Finanzen und Steuern des Verbands.