Bildnachweis: ©IZB/Dominik Gierke.

Seit April dieses Jahres leitet Christian Gnam das Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) mit Standorten in Martinsried/Planegg und Freising-Weihenstephan bei München. Kurz nach den Sommerferien hatten wir die Gelegenheit, mit ihm über den größten Biotech-Standort Deutschlands zu sprechen.

 

Plattform Life Sciences: Herr Gnam, Sie sind nun seit einigen Monaten im Amt. Wie sind Ihre ersten Eindrücke vom IZB?

Christian Gnam: Wenn man morgens den Campus betritt, spürt man sofort eine einzigartige Atmosphäre, die durch das Zusammentreffen der vielen Kulturen und Sprachen entsteht. Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen setzen hier ihre Ideen um. Diese Atmosphäre ist nicht nur beeindruckend, sondern auch ein entscheidender Vorteil für unseren Standort. Rund die Hälfte der 700 Mitarbeiter in den ansässigen Start-ups kommt aus dem Ausland. Das IZB ist das Global Village für Biotechnologie in Deutschland. Es ist diese internationale Dimension, die uns in der Biotech-Branche so stark macht und uns gleichzeitig anspornt, weiter zu wachsen und unsere Position im globalen Markt zu festigen. Mein Ziel ist es sicherzustellen, dass diese Unternehmen auch weiterhin Zugang zu internationalem Fachwissen und talentierten Fachkräften haben, um diesen Standortvorteil weiter auszubauen.

Wie wollen Sie das erreichen?

Wir wollen vor allem die Antragsverfahren für ausländische Fachkräfte verbessern. Daher sind wir Teil eines Pilotprojekts des Landratsamts München, das den Integrationsprozess schneller und einfacher macht. Wir bieten auch diverse Events an, bei denen sich Mitarbeiter aus verschiedenen Fachrichtungen und mit unterschiedlichem Hintergrund in entspannter Atmosphäre austauschen können. Zudem ist das IZB gut vernetzt mit internationalen Biotech-Firmen in der Umgebung. Es profitiert stark von der Nähe zu renommierten Universitäten wie der LMU und der TUM sowie führenden Forschungseinrichtungen wie den Max-Planck-Instituten und dem Helmholtz Zentrum für Gesundheit und Umwelt und dem Klinikum Großhadern.

Angebote, die auch andere Biotech-Standorte in Deutschland machen. Was macht das „Münchner Ökosystem“ also besonders?

Es ist vor allem die Größe und die Reichhaltigkeit der Angebote, die den Großraum München auszeichnen. Mit 21 % befindet sich der größte Teil deutscher Biotech-Unternehmen am Standort. Rund 25 % der nationalen klinischen Studien werden hier durchgeführt, und im Jahr 2022 erfolgten 43 % aller Neugründungen deutscher Biotech-Unternehmen in dieser Region. Allein am IZB-Standort Martinsried sind rund 40 Unternehmen angesiedelt, in Weihenstephan 7. Viele unserer IZB-Alumni, die das Zentrum aufgrund ihres Reifegrads verlassen, bleiben in der unmittelbaren Umgebung – Unternehmen wie Amsilk, Morphosys und Immunic Therapeutics beispielsweise.

Christian Gnam (rechts im Bild) im Gespräch bei einer Netzwerkveranstaltung des IZB. ©IZB/Dominik Gierke
Christian Gnam (rechts im Bild) im Gespräch bei einer Netzwerkveranstaltung des IZB. ©IZB/Dominik Gierke

Kann München seine Spitzenposition auch in Zukunft halten? Schließlich wird mit der steigenden Nachfrage auch der verfügbare Raum immer knapper, was den Standort für wachsende Unternehmen weniger attraktiv machen könnte.

Wir verfügen insgesamt über 26.000 qm an beiden Standorten – also Platz genug für die bereits am Standort angesiedelten Unternehmen. Aber ja, unsere Flächen sind stark nachgefragt. Durch regelmäßige Mieterwechsel können wir aber auch neuen Unternehmen weiterhin Flächen in verschiedenen Größenordnungen bereitstellen. Zusätzlich prüfen wir Expansionsmöglichkeiten. Der geplante Neubau der Max-Planck-Institute auf dem Campus Martinsried könnte beispielsweise zusätzliche Flächen für Biotechunternehmen schaffen. Und die lang geplante U-Bahn-Anbindung des Standorts soll nun 2027 fertiggestellt werden.

Der Standort ist also bestens für die Zukunft vorbereitet?

Was die zukünftige Flächen- und Unternehmens-Infrastruktur angeht, auf jeden Fall. Aber junge Unternehmen suchen vor allem nach Wachstumsfinanzierung. Hier stehen wir derzeit im nationalen und europäischen Vergleich ebenfalls sehr gut da: In Europa wurden im Jahr 2024 bisher 2,28 Milliarden Euro in die Biotech-Branche investiert, wobei allein in Deutschland 576,1 Millionen Euro flossen. Von diesen Mitteln wurden beeindruckende 532,6 Millionen Euro in Unternehmen am IZB investiert. Ca. 23 % aller Biotech-Investitionen in Europa gingen somit speziell an unsere Mieter. Diese Zahlen sprechen für das hohe Vertrauen, das Investoren in die hier ansässigen Unternehmen haben. Aber im internationalen Vergleich ist da noch Luft nach oben, besonders im Vergleich zu den USA.

Zum Life Science Pitch Day konnte Christian Gnam als Hausherr (links im Bild) über 40 renommierte Life Science-Investoren und Entscheidungsträger aus der weltweiten Biotechindustrie im IZB begrüßen. ©IZB/Dominik Gierke
Zum Life Science Pitch Day konnte Christian Gnam als Hausherr (links im Bild) über 40 renommierte Life Science-Investoren und Entscheidungsträger aus der weltweiten Biotechindustrie im IZB begrüßen. ©IZB/Dominik Gierke

Wie wollen sie international aufschließen?

Um international noch stärker aufzuschließen, laden wir verstärkt internationale Investoren zu uns an den Standort ein, wie zum Beispiel zu unserem Life Science Pitch Day, den wir gemeinsam mit dem HTGF organisieren. 2024 konnten wir über 40 renommierte Life Science-Investoren und Entscheidungsträger aus der weltweiten Biotech-Industrie begrüßen. Zusätzlich ist Andera Partners, ein bedeutender europäischer Akteur für internationale Investitionen, mit einem Büro in Martinsried vertreten. Im Oktober werden wir einen IZBrunch veranstalten, der thematisiert, wie Start-ups für Investoren in den USA interessant werden. Hier wird unter andrem Tubulis seine Erfahrungen teilen. Das Unternehmen hat im Frühjahr eine äußerst erfolgreiche Finanzierungsrunde in Höhe von 128 Millionen Euro abgeschlossen. Neben den bisherigen Investoren wie Andera Partners und Bayern Kapital sowie europäischen Investoren wie EQT Life Sciences und Nextech Invest war daran auch der US-Fonds Frazier Life Sciences beteiligt, was nun unsere internationale Sichtbarkeit erheblich steigert. Dieser Erfolg ermöglicht es uns, zusätzliche internationale Investoren zu gewinnen und unsere Position auf dem globalen Biotech-Markt weiter zu festigen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Urs Moesenfechtel

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at GoingPublic Media AG | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.