Bildnachweis: ImageBiopsy Lab.
Laut dem Robert Koch-Institut sind muskuloskelettale Erkrankungen im Jahr 2021 die weltweit führende Ursache für körperliche Funktionseinschränkungen, chronische Schmerzen und den Verlust an Lebensqualität. 20 bis 44 Prozent der Weltbevölkerung sind davon betroffen. Mit diesen hohen Fallzahlen geht auch eine Häufung der Röntgenaufnahmen einher. Im Jahr 2020 waren es mehr als 900 Mio. Datensätze, die das medizinische Personal in Kliniken und Praxen erstellen, analysieren und befunden musste. Trotz der steigenden Zahlen hat sich der Bearbeitungsvorgang in den letzten fünfzig Jahren nicht wesentlich verändert. Der Flut an Bilddaten steht eine geringe Zahl und ungenügende Verbreitung von Fachärzten gegenüber. Dieses Ungleichgewicht führt zu Verzögerungen und Fehlern in der Diagnostik, was wiederum ein erhöhtes Risiko für die weitere Behandlung mit sich bringt.
Die Digitalisierung der Prozesse ist eine wesentliche Maßnahme, um möglichst kurzzeitig und flächendeckend Fehlerquoten zu minimieren und einheitliche Standards in der Befundung zu etablieren. Softwarelösungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI), wie die Diagnose-Plattform von ImageBiopsy Lab, wollen hier ansetzen, um in Anbetracht der aktuellen und zukünftigen medizinischen Herausforderungen eine reibungslose und erfolgreiche Patient Journey zu garantieren. So können gleichzeitig Ärzte entlastet und Patienten optimal versorgt werden.
Stetiger Anstieg der MSK-Erkrankungen
Die steigenden Fallzahlen von muskuloskelettalen Erkrankungen haben eine hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz. So leiden allein in Deutschland rund 20 Prozent der Bevölkerung unter Arthrose, zumeist im Knie- oder Hüftbereich. Je früher der Knorpelverschleiß an den Gelenken erkannt wird, desto schneller und vor allem niedrigschwelliger kann der weiteren Verschlechterung entgegengewirkt werden. Physiotherapie, Gewichtsreduktion und die Nutzung medizinischer Hilfsmittel schneiden in den Lebensstil von Betroffenen weitaus weniger ein als operative Maßnahmen und der Einsatz künstlicher Gelenke. Aktuell gilt die Arthrose aber erwiesenermaßen als eine der häufigsten Ursachen für Operationen und Reha-Aufenthalte. Damit nehmen die Fälle nicht nur viele medizinische Kapazitäten in Beschlag, sondern veranschlagen auch hohe Krankheitskosten für Patienten und Kassen. Die Einschränkungen durch die chronische Krankheit sind außerdem verantwortlich für viele Fälle von Arbeitsunfähigkeit und unfreiwilliger Frührente. Entscheidend ist hier also eine frühzeitige Diagnose der Krankheit sowie der richtige Therapieansatz, um schwerwiegende Behandlungsmaßnahmen zu vermeiden.
Künstliche Intelligenz als Entscheidungshilfe
Algorithmen können auf die Quantifizierung von Daten wie auch Röntgen-, CT- und MRT-Bilder angelernt werden. Damit sie medizinische Messungen exakt und wiederholgenau durchführen können, empfiehlt sich ein Deep Learning Ansatz, der durch einen umfangreichen Validierungsdatensatz gestützt wird. Für die Algorithmen der IBL-Software beispielsweise kamen bislang 10 Mio. Datensätze aus fünf Ländern zusammen. Je mehr Referenzmaterial eine KI zur Verfügung hat, desto schneller und eindeutiger kann sie Muster und Strukturen erkennen, die sich in den Aufnahmen wiederholen und mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen sind. Auf Grundlage dieser Daten ist ein Programm dazu in der Lage, selbst asymptomatische Indikatoren für Krankheiten, Fehlstellungen und andere Umstände zu erkennen und zu bewerten. Unter Abwägung der verschiedenen Wahrscheinlichkeiten können im Anschluss auch Vorschläge für die Diagnose und die weitere Behandlung aufgezeigt werden.
Wertvolle Synergien zwischen Entwicklern und Anbietern
Die Entwicklung von medizinischen KI-Programmen ist eine aufwendige und zeitintensive Aufgabe. Um die Software optimal auf den jeweiligen Arbeitsbereich abzustimmen, braucht es nicht nur ein Team von IT-Spezialisten und Entwicklern, sondern auch die wertvollen Insights aus Forschung und Praxis. Damit ein möglichst umfangreicher Pool von KI-Lösungen möglichst flächendeckend und niedrigschwellig angeboten werden kann, müssen Entwickler untereinander und mit Anbietern kooperieren. ImageBiopsy Lab arbeitet unter anderem mit dem Forschungsteam von UCB und dem Cloud-Anbieter Telepaxx zusammen. So kann neben Kliniken auch niedergelassenen Ärzten unabhängig von ihrer technischen Infrastruktur einfachen Zugriff auf die digitalen Unterstützungstools geboten werden. Bislang besitzt das Unternehmen fünf CE-zertifizierte Module, welche unter anderem die Messungen von Knie- und Hüftfehlstellungen, Arthroseprogression und Knochenalter automatisieren. 2023 folgt dank einer Kooperation mit dem belgischen Unternehmen UCB außerdem ein Modul für die Früherkennung von Osteoporoseindikatoren.
Arbeitsschritte sinnvoll automatisieren
Es ist nicht das Ziel medizinischer KI-Software, den Arzt zu ersetzen – die diagnostische Schlussfolgerung bleibt stets einem Arzt überlassen. Viel wichtiger ist die gezielte Entlastung bei Aufgaben, die unnötigerweise wertvolle Kapazitäten in Anspruch nehmen. So kann ein Programm beispielsweise ohne Weiteres die detaillierte Dokumentation jener Behandlungsschritte übernehmen, für die es konzipiert wurde. Das lückenlose Reporting ist zeitintensiv und nicht nur von medizinischer, sondern auch von rechtlicher Seite bedeutsam. Die Automatisierung dieser Arbeitsschritte räumt Ärzten mehr Zeit für andere Bereiche ihrer Arbeit ein. Gleichzeitig minimieren die präzisen Analysen die Fehlerquoten und sorgen damit für eine maximale Diagnosesicherheit.
ÜBER DEN AUTOR
Richard Ljuhar forschte nach seiner Promotion zu Software-Lösungen in der MSK-Diagnostik und ist seit der Mitgründung 2016 auch CEO des Wiener Scale-Ups ImageBiopsy Lab. Das Team von aktuell 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern agiert aus Standorten in Wien und New Jersey, entwickelt neue Programme und vertreibt seine Software in elf Ländern, darunter Deutschland als aktuell stärkster Markt.