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Die Aktionäre von Evotec (DE000A1EWVY8) hatten in den letzten zwei Jahren nichts zu lachen. Verfehlte Prognosen sorgten für kräftige Kursverluste und ließen die Marktkapitalisierung auf etwa 1 Mrd. EUR absacken. Die heute anlässlich der Präsentation der Geschäftszahlen für 2024 vorgelegte Strategieplan wird an der Börse mit kräftigen Kursgewinnen honoriert. Evotec will seine Geschäftsfelder verschlanken und die Kosten weiter senken. Liefert das Unternehmen in Zukunft, könnte das ein nachhaltiges Comeback der Aktie bedeuten. Von Stefan Riedel
An einem Börsentag, an dem die Börsenindizes im Minus notieren, glänzt die Evotec-Aktie als der Top-Performer im TecDAX. Die Euphorie der Börsianer ausgelöst hat in erster Linie der mittelfristige Ausblick, den das Biotechunternehmen bei der heutigen Präsentation seiner Geschäftszahlen für 2024 abgegeben hat. Nach dem Rücktritt des langjährigen Vorstandschefs Werner Lanthaler Anfang 2024 hatte sich das Management unter dem neuen Konzernleiter Christian Wojczewski zur zukünftigen Strategie lange in Schweigen gehüllt. Die Unsicherheit an den Börsen drückte den Aktienkurs allein seit April 2024 innerhalb von zwölf Monaten um mehr als 60% nach unten.
Mit Zwei-Säulen-Strategie zur Trendwende
Insbesondere dank eines starken Schlussquartals hat sich der Jahresumsatz leicht um 2% auf 797 Mio. EUR verbessert. Positiv abgehoben hat sich das Geschäftsfeld Just – Evotec Biologics mit seinen Produktionsanlagen für biologische Substanzen. Mit dem Schweizer Konzern Sandoz hat Evotec hier seit 2021 eine Kooperation am Laufen, die erfolgsabhängige Zahlungen von bis zu 640 Mio. USD in die Kasse spülen kann. Das bereinigte EBITDA von 22,6 Mio. EUR sackte dagegen von 66,4 auf 22,6 Mio. EUR ab.
Um das stagnierende Geschäft wieder in Schwung zu bringen, hat Evotec für die nächsten Jahre eine Zwei-Säulen-Strategie angekündigt. Das operative Geschäft wird verschlankt und richtet sich zum einen ganz auf die Wirkstoffsuche und präklinische Entwicklung zusammen mit Vertragspartnern aus. Zum anderen will Evotec die Auftragsproduktion mit Just – Evotec Biologics forcieren.
Um die Forschungs- und Entwicklungskosten herunterzufahren, will Evotec sein Projektportfolio um 30% verringern. Geplant ist darüber hinaus der Ausstieg aus Beteiligungen. Mit weiteren Kostensenkungen in der Produktion und Verwaltung will Evotec bis 2028 mehr als 50 Mio EUR an Bruttoeinsparungen realisieren – und zwar zusätzlich zu den im Rahmen des Programms „Priority Reset“ geplanten jährlichen Einsparungen von 40 Mio. EUR.
Verhaltener Ausblick für 2025
Im laufenden Geschäftsjahr erwartet Evotec ein fünf bis zehn Prozent Umsatzwachstum. Von den drastischen Kürzungen bei den Forschungsförderungen in den USA durch die US-Regierung sieht das Management nur begrenzte Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Konkret bedeutet das 840 bis 880 Mio EUR an Erlösen. Im optimalen Szenario entspricht das einem Zuwachs um 10%.
Das bereinigte EBITDA soll zwischen 30 bis 50 Mio. EUR herauskommen. Beim Konzernergebnis wird Evotec auch 2025 Verluste schreiben. Das Unternehmen rechnet erst 2027 unterm Strich mit schwarzen Zahlen. Positiv an den Märkten aufgenommen wird vor allem die Langfristprognose, die Erste seit dem Abgang von Ex-Vorstand Lanthaler.
Die Aktie ist eine Spekulation auf die Langfristziele
Für 2028 geht Evotec von einem durchschnittlichen jährlichen Umsatzwachstum zwischen acht und zwölf Prozent aus. Die EBITDA-Marge soll bis dahin über 20% liegen. Bis zum Rekordwert von 27,6% aus dem Jahr 2019 ist es damit noch ein langer Weg, aber die Richtung ist klar vorgegeben.
Wie uneins die Branchenexperten in ihrer Einschätzung weiter über die Zukunft von Evotec sind, zeigt die Bandbreite der von den Analysten gesetzten Kursziele für die Aktie. Diese reicht von vier bis 14 EUR. Ob Evotec die für 2028 gesteckten Ziele erreicht, hängt davon ab, wie schnell das verschlankte Geschäftsmodell mit dem Fokus auf hochwertige Dienstleistungen und Indikationen die Trendwende zu Umsatz- und Gewinnwachstum einläutet. Für 2025 gilt: Zeichnet sich im Jahresverlauf ab, dass sich Evotec beim EBITDA in Richtung 50 Mio. EUR, also dem oberen Rand des kommunizierten Zielkorridors bewegt, sollte das den Aktienkurs deutlich beflügeln.
FAZIT
Die kräftigen Kursgewinne von heute untermauern, dass der geplante Umbau des Geschäftsmodells auf positive Resonanz an den Börsen stößt. Der positive Ausblick von heute könnte die jüngste Ausverkaufswelle der Aktie zum Stillstand bringen. Um einen nachhaltigen Stimmungsumschwung bei den Börsianern herbeizuführen muss Evotec in diesem Jahr liefern – und zwar mit neuen Partnerschaften ebenso wie bei den nächsten Quartalsergebnissen. Nur ausgesprochen spekulative Naturen bauen schon jetzt die ersten Positionen auf. Klar ist aber auch: Mit dem aktuellen Börsenwert von 1 Mrd. EUR ist Evotec ein Übernahmekandidat. Als Interessenten sind vor allem die Pharmakonzerne zu sehen, die ihre eigene präklinische Forschung und Entwicklung mit zeitsparenden Tools für die Identifikation von neuen Wirkstoffkandidaten voranbringen wollen.
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.