Damit ein Scale-up möglich wird, bedarf es der Bekanntheit bei Investoren, möglichen Kooperationspartnern aus der Industrie und nicht zuletzt zukünftigen Kunden. Eine perfekte Gelegenheit dazu bot die diesjährige Verleihung des Innovationspreises des Arbeitskreises der BioRegionen auf den diesjährigen Deutschen Biotechnologietagen. Von Urs Moesenfechtel
Der AK BioRegionen ist das zentrale Expertennetzwerk der lokalen Biotech-Branchencluster in Deutschland zur Förderung von Innovationen in der Biotechnologie. Er vergibt den Preis für herausragende eigene Forschungsergebnisse in der Biotechnologie und den Lebenswissenschaften. In einem interaktiven Format werden die sechs innovativsten und vielversprechendsten Konzepte der Jury und dem Publikum vorgestellt. Alle sechs Finalist:innen stellen ihre Erfindung dort einem internationalen Fachpublikum, Investoren:innen und der Fachpresse vor. Drei Gewinner erhalten einen mit jeweils 2.000 € dotierten Preis.
Deutsche Biotechnologietage sind ideale Netzwerk-Plattform
Der Preis wurde in diesem Jahr im Rahmen der Deutschen Biotechnologietage (DBT) 2023 nunmehr zum sechzehnten Mal verliehen. Die Deutschen Biotechnologietage sind das etablierte nationale Forum der deutschen Biotechnologie-Branche. Hier tauschen sich Unternehmerinnen und Unternehmer mit Wissenschaftlern und Partnern aus Politik, Förderinstitutionen und Verwaltung aus – eine ideale Plattform also für Start-Ups sich zu präsentieren.
Die Gewinner des Innovationspreises
OptoGenTech: Hören mit Licht
Hören mit Licht! Der Slogan des Göttinger Start-ups OptoGenTech klingt so unglaublich als entstamme er einem Science-Fiction-Roman. Und doch ist es genau das, was dem jungen Unternehmen gelungen ist. Ihre Technologie ermöglicht, mit Licht zu hören. Im Gegensatz zu herkömmlichen Innenohr-Implantaten, die Schall in elektrische Impulse umwandeln, reizt OptoGenTech die Nervenzellen des Innenohrs mit Licht. So können einzelne Zellen, die für bestimmte Frequenzen verantwortlich sind, wesentlich gezielter angesprochen werden. Diese Methode ermöglicht ein detaillierteres und natürlicheres Hörerlebnis als herkömmliche Innenohr-Implantate. Das Team glaubt daran, dass diese Plattformtechnologie den Medizintechnikmarkt revolutionieren und Patienten Lebensqualität zurückgeben wird. Dafür haben sie die OptoGenTech GmbH gegründet, welche derzeit auf der Suche nach Investoren ist.
Ligni Labs: Nanotechnologie zur Rettung des Weins
Ligni Labs aus Mainz hat sich der Rettung des Weins verschrieben. „Esca“ lautet das Problem – eine Pilz-Erkrankung von Weinreben, die jährlich weltweit für Millionenschäden bei Weinbauern sorgt. Ligni Labs Ziel ist es, großflächigen Pestizideisatz durch Nanotechnologie zu ersetzen. Von moderner Humanmedizin inspiriert entwickelten sie spezielle Wirkstoff-Minikügelchen, die von Lignin umschlossen werden. Lignin ist ein Makromolekül, dass Zellen „verholzen“ lässt und damit der Stützbaustoff der Pflanze wirkt. Die Kügelchen können in den Rebstock injiziert werden und entfalten erst ihre Wirksamkeit, wenn sie der Pilz erreicht: Die Lignin-Wand der Kugel umschließt den Wirkstoff so lange, bis der Holzschädigende Pilz diese Hülle angreift und auflöst und so den wiederum pilzschädigte Wirkstoff freisetzt. Der Wirkstoff gelangt dadurch zielgenau zum Pilz und tötet ihn ab. Das wiederum reduziert die benötigte Menge an Spritzmitteln drastisch. Die LigniLabs GmbH wurde Juni 2022 aus dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung ausgegründet. Das Unternehmen möchte nicht nur den Wein retten, sondern zukünftig auch weitere innovative Lösungen für Pflanzenschutz mit eingekapselten Wirkstoffen in Lignin-Microcarriern anbieten.
BioThrust: Begasungslösungen für Bioreaktoren
Das Start-up BioThrust hat sich auf Begasungslösungen für Bioreaktoren spezialisiert. Viele in Bioreaktoren durchgeführten Kultivierungsprozesse benötigen eine Begasung, damit sie ablaufen können. Diese Begasung führt jedoch auch zu einer Schaumbildung – und diese wiederum zu Betriebsstörungen der Anlage, weil z.B. Sensoren, Zu- und Abläufe oder Filteranlagen verstopft werden. Die hochporösen Rührer von BioThrust als auch ihre strömungstechnisch optimierte Membranmodule, die direkt in den Bioreaktor eingebracht werden können, ermöglichen hingegen eine effiziente, schaumfreie Begasung von Bioprozessen und die ausreichende Sauerstoffversorgung empfindlicher Biosysteme wie Zellkulturen. Zusammen mit einer weiteren Erfindung wird das oben vorgestellte Patent aktuell in einer Ausgründung („BioThrust GmbH“) kommerzialisiert. Dafür läuft seit April 2022 eine EXIST Forschungstransferförderung. Danach ist eine Anschlussfinanzierung durch private Kapitalgeber geplant. Langfristiges Ziel ist, ein Unternehmen aufzubauen, welches basierend auf der Plattformtechnologie zur blasenfreien Begasung ein effizientes und ressourcenschonendes Next Generation Bioreaktorsystem ermöglicht.
Hinter dem Innovationspreis steht ein starkes Netzwerk
Die Organisation des Innovationspreises erfolgt jedes Jahr durch ein anderes Mitglied des Arbeitskreises. In diesem Jahr waren dies die BMD Life Sciences GmbH aus Halle (Saale) und der biosaxony e.V. über die wir erst kürzlich berichteten. Die BMD Life Sciences offeriert Beratung und Support beim Transfer von Wissen und Technologien in allen Fachdisziplinen der Lebenswissenschaften sowie auch transdisziplinär in Querschnittsbranchen. Als Wissensdienstleister und Innovationsmittler werden Leistungen im Bereich der spezialisierten wissenschaftlich-technischen Beratung und Analyse, insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen sowie für universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen angeboten. BMD Life Sciences verbindet marktspezifische Wissen mit professionellen Kenntnissen sowie personell verfügbarer Erfahrung und Expertise bezüglich Entwicklung, Herstellung und regulatorischer Zulassung von Biopharmazeutika und klassischen Pharmazeutika sowie im Medizinprodukte- und Diagnostika-Bereich.
Neues Cluster Life Sciences Sachsen-Anhalt
Die Deutschen Biotechnologietage und die Verleihung des Innovationspreises der BioRegionen waren ein guter Anlass, das im November 2022 neu gegründete „Cluster Life Sciences Sachsen-Anhalt“ am Technologiepark Weinberg Campus in Halle (Saale) bekannt zu machen, das aktuell mehr als 20 Partner vereint. Darunter renommierte Institute und Unternehmen wie das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), die Hochschule Anhalt, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Wacker Biotech GmbH, das Serumwerk Bernburg AG, die Merz Pharma GmbH, die Mibe GmbH, die Salutas Pharma GmbH und die IDT Biologika GmbH.
Cluster hat Leitmarkt Gesundheit und Medizin im Blick
„Die am Technologiepark Weinberg Campus in Halle (Saale) entwickelte Netzwerk-Idee stieß sogleich auf breite Zustimmung in der Forschung, der Industrie und vor allem der Start-up-Welt. Unterstützung erhalten wir vom Land Sachsen-Anhalt, das mit dem Aufbau des Clusters auf den Leitmarkt Gesundheit und Medizin zielt“, so Dr. Ulf-Marten Schmieder CEO des Technologieparks Weinberg Campus. Er betont: „Wissenschaftliche Exzellenz, junge Talente und eine hohe Absolventenzahl an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen bilden die Basis für eine dynamische Entwicklung des Innovations-Ökosystems in Biotechnologie, Biomedizin und Pharmaindustrie unseres Landes.“ Herr Dr. Schmieder ist Vorstandsmitglied im neuen Life Sciences Cluster. Dr. Michael Täger, Geschäftsführer der BMD Life Sciences und ebenfalls Vorstandsmitglied im neuen Cluster fügt hinzu: „Erfolgreiche Entwicklungen benötigen ein aktives Lebensumfeld – dafür stehen wir im Cluster Life Science Sachsen-Anhalt. Mit der Clusterinitiative wollen wir dies national und international sichtbarer machen. Die Gewinner des diesjährigen Innovationspreises profitierten erheblich von Verbünden in ihren jeweiligen BioRegionen und zeigen damit, das gute Netzwerkarbeit ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der kommerziellen Umsetzung innovativer Entwicklungen ist. Mit dem Cluster Life Sciences Sachsen-Anhalt folgen wir diesem Konzept und möchten dadurch die Innovationslandschaft bereichern.“
Weitere Informationen: www.innovationspreis-der-bioregionen.de
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.