Nachdem im letzten Jahrzehnt die Konsolidierung in der stationären Gesundheitsversorgung im Fokus stand, hat in den letzten Jahren auch im Bereich der ambulanten Gesundheitsversorgung eine Konsolidierung begonnen. Diese Entwicklung wird durch aktuelle Veränderungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen gefördert. Es ist zu erwarten, dass sowohl seitens der eigentlichen Leistungserbringer, also der Ärzte oder Zahnärzte, wie auch seitens der verstärkt im Gesundheitssektor auftretenden Finanzinvestoren die Konsolidierung weiter vorangetrieben wird. Von Boris Dürr und Dr. Oliver Treptow
Von den verschiedenen ambulanten Gesundheitsdienstleistungen eignet sich insbesondere der zahnärztliche Bereich für eine Konsolidierung. Dies liegt zum einen an den aktuellen Marktverhältnissen im Bereich der Dentalversorgung, zum anderen aber auch Änderungen des regulatorischen Umfelds.
Der Markt für Zahnärzte in Deutschland
In Deutschland wurden 2015 insgesamt rund 172,3 Mrd. EUR für Leistungen ambulanter Einrichtungen des Gesundheitswesens ausgegeben, hiervon entfielen rund 51,6 Mrd. EUR auf ärztliche und rund 25,8 Mrd. EUR auf zahnärztliche Praxen (im Vergleich: auf sämtliche Krankenhäuser entfielen 2015 Ausgaben von rund 89,5 Mrd. EUR; Quelle: Statistisches Bundesamt, Krankheitskosten – Fachserie 12 Reihe 7.2.1 – 2015). Allein die gesetzlichen Krankenkassen haben 2015 für zahnärztliche Leistungen rund 13,4 Mrd. EUR (hiervon rund 3,3 Mrd. EUR für Zahnersatz) aufgewandt (Quelle: KZBV, Statistisches Jahrbuch 2016). Gemessen an dem erheblichen Marktvolumen ist die Landschaft der zahnärztlichen Versorgung allerdings bislang geprägt von einer Vielzahl kleinerer, stark fragmentierter Einheiten. So entfiel die zahnärztliche Versorgung 2015 auf insgesamt 71.425 aktive Zahnärzte, von denen 61.990 Zahnärzte in die (ambulante) vertragszahnärztliche Versorgung der gesetzlich Versicherten eingebunden waren. Dabei waren 52.729 Zahnärzte in eigener Niederlassung und 9.695 als angestellte Zahnärzte tätig (Quelle: KZBV, Statistisches Jahrbuch 2016). Sieht man sich die Anzahl der Zahnarztpraxen und deren Inhaber Ende 2015 an, zeigt sich, dass der Großteil der ambulanten zahnärztlichen Versorgung auf Einzelpraxen entfiel und die bestehenden Gemeinschaftspraxen im Durchschnitt etwas mehr als zwei Gesellschafter hatten: Von den bestehenden 41.261 Zahnarztpraxen wurden 33.293 als Einzelpraxis und 7.968 als Berufsausübungsgemeinschaften mit insgesamt 17.107 Inhabern geführt. Andere Quellen weisen für Ende 2016 sogar 34.705 Einzelpraxen und lediglich 7.646 Gemeinschaftspraxen aus (Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage v. 25.08.2017, BT-Drucks 18/13412). Allein diese Zahlen machen recht deutlich, dass der Markt der zahnärztlichen Dienstleistungen großen Spielraum für erfolgreiche Konsolidierungsstrategien bietet.
Bisherige Hemmnisse der Marktkonsolidierung
Gründe für die (bislang) starke Fragmentierung des zahnärztlichen Marktes dürften vielfältig sein. Einerseits entsprach es wohl lange dem Selbstverständnis der (Zahn-)Ärzteschaft insgesamt, ambulante Leistungen grundsätzlich in eigener freier Praxis anzubieten; immerhin ist es überhaupt erst seit 2007 zulässig, (Zahn-)Ärzte in einer ambulanten (Zahn-)Arztpraxis anzustellen. Dieses Selbstverständnis scheint sich allerdings allmählich zu wandeln: Die Bereitschaft, sich als junger Arzt (gleich ob in einer Gemeinschaftspraxis mit anderen oder in Einzelpraxis) selbstständig zu machen, ist vielfach nicht mehr vorhanden. Der Wunsch nach einer Flexibilisierung von Arbeitszeiten und deren Vereinbarung mit familiären und sonstigen privaten Bedürfnissen trägt sein Übriges dazu bei. Andererseits hinderte bislang ein stark reguliertes Marktumfeld den bevorstehenden Konsolidierungsprozess. Zahnärzten war und ist es auch weiterhin nicht erlaubt, in ihrer vertragszahnärztlichen Praxis mehr als zwei andere Zahnärzte (FTE) (in Gemeinschaftspraxen je niedergelassenem Zahnarzt) anzustellen. Die Möglichkeiten für Zahnärzte, ihre Organisationsform zu flexibilisieren, waren ebenso beschränkt wie die Möglichkeit Dritter, in die ambulante zahnärztliche Versorgung zu investieren. Zwar hatte der Gesetzgeber bereits 2004 mit dem sog. Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) im System der gesetzlichen Krankenversicherung einen neuen Leistungserbringertypus geschaffen, der die etablierte Versorgung durch Vertragsärzte in Einzelpraxis, Praxisgemeinschaft oder Gemeinschaftspraxis ergänzte und in der Folge auch darüber hinaus das regulatorische Umfeld ambulanter ärztlicher Tätigkeit nachhaltig verändern sollte. Solchen MVZ steht es weitgehend frei, Zahnärzte anzustellen und durch sie ambulante Leistungen erbringen zu lassen. Zulassungsbeschränkungen, wie man sie aus anderen ärztlichen Bereichen kennt, existieren nicht und die regulatorisch vorgesehenen Organisationsstrukturen können gestaltet werden. Allerdings war das MVZ zunächst nur für die fachübergreifende, interdisziplinäre Versorgung vorgesehen, die eine Beschränkung auf zahnärztliche Leistungen weitgehend ausschloss. So erstaunt es wenig, dass MVZ im Rahmen der (vertrags-)zahnärztlichen Versorgung bislang nur eine untergeordnete Rolle spielten: Ende Juni 2015 gab es lediglich 31 zugelassene zahnärztliche MVZ mit insgesamt 179 angestellten Zahnärzten (Quelle: KZBV, Statistisches Jahrbuch 2016).
Neue Dynamik am Markt
Neue Dynamik hat der anstehende Konsolidierungsprozess aber nun durch eine gewisse Herabsetzung der gesetzlichen Hürden erhalten, allerdings weiterhin eingebunden in ein sehr stark reguliertes Marktumfeld. Seit Juli 2015 ist nun auch die Gründung rein zahnärztlicher MVZ zulässig. Erste Wirkung zeigt diese Maßnahme bereits. Bis Ende März 2017 stieg die Zahl der zahnärztlich tätigen MVZ auf 349 mit (nach Köpfen) insgesamt 1.466 angestellten oder niedergelassenen Zahnärzten. Hierunter waren 303 rein zahnärztliche MVZ, in denen 254 Vertragszahnärzte und 911 angestellte Ärzte tätig waren und von denen sieben MVZ von Krankenhäusern und 296 von Vertrags(zahn)ärzten gegründet wurden; 196 waren in der Rechtsform der GmbH und 107 als Personengesellschaft organisiert (Quelle: Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage v. 25.08.2017, BT-Drucks 18/13412). Weiterhin sind jedoch regulatorische Hürden für den Zugang von Investoren zur ambulanten zahnärztlichen Versorgung zu beachten. Insbesondere können MVZ nicht von jedermann, sondern nur bei Vorliegen bestimmter gesetzlich abschließend vorgegebener Anforderungen gegründet und gehalten werden. Für Investoren in Betracht kommen dabei vor allem zwei Fallgestaltungen: Entweder sie beteiligen sich an einem Erbringer sog. nicht-ärztlicher Dialyseleistungen gem. § 126 Abs. 3 SGB V oder sie beteiligen sich an einem Plan- oder Vertragskrankenhaus. Über diese Vehikel können sogar branchenfremde Investoren (zahnärztliche) MVZ gründen und halten. Die sorgfältige Planung und Gestaltung der Beteiligungs- und Finanzierungsstruktur solcher Investments ist allerdings unerlässlich, da neben den klassischen gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen vor allem die spezifischen berufsrechtlichen und sozialrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen sind.
Ausblick
Zwar bewirkt das stark regulatorische Umfeld noch immer recht hohe Zugangshürden für Investments in den Markt der ambulanten zahnärztlichen Versorgung. Ist diese Hürde jedoch genommen, bieten sich gute Möglichkeiten für erfolgreiche Konsolidierungsstrategien in einem bislang stark fragmentierten Marktumfeld. Insbesondere junge Ärzte werden verstärkt nach Alternativen für die eigene Selbstständigkeit suchen. Dem Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten und einer Anpassung an familiäre und sonstige private Bedürfnisse werden wohl nur arbeitsteilige Konzepte gerecht werden können. Und nicht zuletzt wird der steigende Kostendruck in der Gesundheitsversorgung ganz erhebliche Effizienzsteigerungen fordern. All dies dürfte in größeren und professionalisierten Einheiten sehr viel leichter umzusetzen sein als in den hergebrachten, eher kleinteiligen Organisationsformen. Es scheint daher keine Frage zu sein, ob sich der Markt der ambulanten zahnärztlichen Versorgung konsolidiert, sondern allenfalls, in welcher Intensität die neue Dynamik am Markt tatsächlich spürbar wird. In jedem Fall bietet der Bereich der ambulanten Gesundheitsversorgung – und dort insbesondere der zahnärztliche Bereich – interessante Optionen für Investoren. Die aufgrund der starken Reglementierung bestehenden Hindernisse lassen sich durch die richtige Strukturierung vermeiden.
ZU DEN AUTOREN
Boris Dürr ist Partner im Münchner Büro von HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK mit Schwerpunkt im Bereich Private Equity und M&A sowie Branchenfokus im Healthcare-Segment.
Dr. Oliver Treptow ist Salaried Partner im Münchner Büro von HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK. Sein Schwerpunkt liegt in der Beratung von Gesundheitseinrichtungen bei Transaktionen und Strukturierungen.
Autor/Autorin
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