Die Krise im Gesundheitsmarkt weitet sich aus: In den letzten Monaten gab es bereits eine erste Welle von Insolvenzen bei Krankenhausträgern und Pflegeheimbetreibern. Weitere Insolvenzen in diesen Segmenten sind absehbar und Rehaeinrichtungen sowie der Bereich der ambulanten Versorgung bzw. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) stehen ebenfalls unter Druck. Kann M&A für angeschlagene Einrichtungen die Lösung sein? Von Boris Dürr und Dr. Johan Schneider

Strukturelle Probleme, gestiegene Kosten durch Corona-Hygienemaßnahmen oder Energiekosten … Gesundheitseinrichtungen sind davon aufgrund negativer Preise und langfristiger Verträge besonders betroffen und befinden sich aufgrund fehlender finanzieller Mittel in einer Krise. Wenn sie den Turn­around nicht aus eigener Kraft schaffen, ist die Übernahme durch einen privaten ­Betreiber oder Investor oft die einzige ­Alternative. Das kann für beide Seiten vorteil­haft sein, ist aber aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten und der politischen Bedeutung des Gesundheitsmarkts sehr komplex. Es erfordert regulatorisches und insolvenzrechtliches Know-how sowie taktisches Fingerspitzengefühl.

Zunahme von M&A-Transaktionen bei Kliniken in der Krise

Durch die gestiegene Anzahl an Insolvenzverfahren (darunter waren beispielsweise die Krankenhäuser DIAKO in Flensburg und imland Kliniken in Rendsburg/Eckernförde sowie die Pflegeheimbetreiber ­Convivo, CURATA Care und DOREA) kam es in jüngster Zeit vermehrt zu M&A-Transaktionen (z.B. der Übernahme der ­imland Kliniken durch die Schön Klinik Gruppe). Sind diese Kliniktrans­aktionen aufgrund des regulatorischen Umfelds ­ohnehin komplexer als Trans­aktionen in anderen Branchen, steigt ihre Komplexität in einer Krise durch den ­hohen Zeitdruck, eine häufig unzureichende Datenlage und insolvenzrechtliche Besonderheiten zusätzlich. Gleichwohl ergeben sich aus der ­gegenwärtigen Situation für Investoren interessante Optionen, Kliniken aus der Krise oder Insolvenz heraus günstig zu erwerben und vorhandene Restrukturierungsinstrumente des Insolvenzrechts (z.B. die Vertragsbeendigung oder insolvenzarbeitsrechtliche Erleichterungen) zu nutzen.

Nach Eintritt der Insolvenz – übertragende Sanierung oder Insolvenzplan?

Der Klinikerwerb aus der Insolvenz ­heraus ist eine komplexe Transaktion. Dabei ­besteht die Option eines „Asset Deals“ (übertragende Sanierung) oder eines „Share Deals“ mittels Insolvenzplan. Beim Asset Deal erwirbt der Käufer nur die ­Vermögensgegenstände und übernimmt in der Regel, mit Ausnahme von Arbeitnehmern nach § 613a BGB, keine Verbindlichkeiten. Eine Firmenhaftung und steuer­liche Nachhaftung für Vorgänge vor ­Insolvenzeröffnung sind ausgeschlossen. Zudem entfällt das Risiko einer Insolvenz­anfechtung bei einem Erwerb nach Insolvenzeröffnung, ob im Regelinsolvenzverfah­ren oder im Eigenverwaltungsverfahren. Das Insolvenzverfahren bietet die Möglichkeit, operative Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen, wie die Beendigung ungünstiger Verträge oder den Personalabbau durch insolvenzarbeitsrechtliche Maßnahmen. Dadurch ergeben sich ­wirtschaftliche und rechtliche Erleich­terungen.

Klinik Symbolbild. Copyright: stock.adobe.com

Im Klinikbereich bietet es sich an, den Erwerb mittels Insolvenzplan statt eines Asset Deals durchzuführen. Dies liegt in den erforderlichen öffentlich- und sozialrechtlichen Anforderungen begründet, z.B. Aufnahme in den Krankenhausplan, behördliche Konzessionen und Verträge mit den Kostenträgern. Diese können nicht einfach über einen Asset Deal auf ­einen neuen Krankenhausträger über­tragen werden. Der Erwerber müsste vielmehr neue Konzessionen beantragen und entsprechende Versorgungsverträge abschließen, um den Betrieb der Klinik und die Abrechenbarkeit der Leistungen ­sicherzustellen. Ein Trägerwechsel im Rahmen eines Asset Deals hat auch Auswirkungen auf die Krankenhausfinanzierung seitens der Bundesländer, wodurch eine Abstimmung mit den zuständigen ­Behörden erforderlich ist.

In der Praxis ist die Sanierung einer ­Klinik durch einen Insolvenzplan mit ­Trägerwechsel auf Basis einer vorherigen Investorenvereinbarung in der Regel der bessere Weg. Der Insolvenzplan erhält den Rechtsträger und ermöglicht eine ­Restrukturierung im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Dadurch bleiben alle Rechtsbeziehungen grundsätzlich bestehen, einschließlich der Aufnahme in den Krankenhausplan, Versorgungsverträge und Konzessionen. Durch zulässige gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Insolvenzplan kann ein Gesellschafterwechsel erfolgen und die gewünschte Unternehmensstruktur geschaffen werden. Das ­Insolvenzplanverfahren zur Eigensanierung hilft zudem, Widerruf oder Vertragskündigung aus öffentlich-rechtlichen Gründen zu vermeiden, indem die Fortführung des Geschäftsbetriebs gesichert wird. Der Nachteil des Insolvenzplans besteht darin, dass er eine bevorzugte Behandlung der Gläubiger erfordert und im ­Vergleich zu einem möglichen Asset Deal bessere Realisierungschancen bieten muss. Die Zahlung des Investors zur ­Dotierung des Insolvenzplans und zur ­Befriedigung der Gläubiger kann jedoch in der Praxis vergleichbar gestaltet werden.

Sanierung im StaRUG-Verfahren als weitere Alternative?

Als Alternative zum Insolvenzplan hat der Gesetzgeber durch das Unternehmensstabi­lisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) im Jahr 2021 auch ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsinstrument geschaffen. Das StaRUG-Verfahren bietet auch für Kliniken einige zusätzliche Werkzeuge, in erster Linie für die finanzwirtschaftliche Sanierung. Bei drohender ­Zahlungsunfähigkeit können Kliniken ein Restrukturierungsverfahren einleiten, ohne dass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden muss. Das Verfahren ähnelt in weiten Teilen dem Insolvenzplanverfahren und ermöglicht insbesondere einen außergericht­lichen Vergleich mit Gläubigern, dem nicht mehr zwingend alle betroffenen Gläubiger zustimmen müssen. Das StaRUG-Verfahren kann daher bei finanzieller Schieflage von Kliniken eine interessante Option sein, bietet aber im Gegensatz zum Insolvenzplan deutlich weniger Möglichkeiten für eine operative Restrukturierung des Unternehmens. Diese kann allerdings parallel zur finanzwirtschaftlichen Restrukturierung durch den StaRUG-Plan erfolgen.

Sorgfältige Abwägung der ­Transaktionsstruktur nötig

Die Restrukturierungspraxis bietet geeignete Instrumente für den Erwerb insolventer oder insolvenznaher Kliniken. Insolvenzplanverfahren und StaRUG-Verfahren erleichtern die Sanierung von Unternehmen im Gesundheitssektor durch private ­Investoren. Die Wahl des richtigen Zeitpunkts und der passenden Transakti­onsstruktur erfordert eine sorgfältige ­Abwägung unter Berücksichtigung branchen- und insolvenzspezifischer Besonderheiten. Fachkenntnisse im regulato­rischen und insolvenzrechtlichen Bereich sind unerlässlich für den erfolgreichen Abschluss der Transaktion. Die Umsetzung mittels Insolvenzplan oder StaRUG erfordert zudem in der Regel etwas mehr Zeit aufgrund der erhöhten Anforderungen zur Einbindung des Gerichts und an die Gläubigerbeteiligung im Vergleich zum Asset Deal.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe Finanzieren & Investieren 2_23 erschienen, die Sie hier herunterladen können.

Autor/Autorin

Boris Dürr
Equity Partner at Heuking Kühn Lüer Wojtek | Website

Boris Dürr ist Rechtsanwalt und Managing Partner im Münchner Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A- und Private-Equity-Transaktionen sowie bei Kapitalmarkttransaktionen und gesellschaftsrechtlichen Strukturprojekten.

 

Dr. Johan Schneider
Equity Partner at Heuking Kühn Lüer Wojtek | Website

Dr. Johan Schneider, Rechtsanwalt, ist seit 2010 Equity Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er verfügt über langjährige Expertise in den Bereichen Restrukturierung und Insolvenzrecht sowie bei M&A-Transaktionen in Krisen und Insolvenz (auch im Gesundheitssektor).