Über die Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI), Natural Language Processing (NLP), Large Language Models (LLMs) & Co. für die Lebenswissenschaften. Plattform Life Sciences mit Janik Jaskolski, Mitgründer und Geschäftsführer von Semalytix.

Plattform Life Sciences: Herr Jaskolski, wie ist die Geschichte von KI und NLP in der Biotechnologie?

Jaskolski: In den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren waren KI und NLP noch junge Technologien mit begrenztem Nutzen für die Biotechnologie, die sich hauptsächlich auf grundlegende Datenanalysen und Vorhersagen konzentrierten. Erst Mitte der 2000er-Jahre wurde damit begonnen, sie in größerem Umfang einzusetzen, um biologische Daten zu untersuchen, Arzneimittelformeln zu verfeinern und molekulare Wirkungen vorherzusagen. Im Laufe der Zeit haben sich diese weiterentwickelt, nun helfen sie bei der Bewältigung komplexer Pro­bleme wie der Analyse genetischer Informationen, dem Aufspüren potenzieller Arznei­mittelkandidaten und der wirtschaftlichen ­Erschließung der personalisierten Medizin.

Janik Jaskolski. <span class="GP-FrutigerBold CharOverride-48">Mitgründer und Geschäftsführer von </span><a href="https://www.semalytix.com/"><span class="GP-FrutigerBold CharOverride-38">Semalytix</span></a>. Copyrigt: Semalytix
Janik Jaskolski. Mitgründer und Geschäftsführer von Semalytix. Copyrigt: Semalytix

Und wie gestaltet sich die aktuelle Situation?

Heute hat die Entwicklung von KI, NLP und LLM die Biotechnologie wie auch die Arzneimittelentwicklung bereits revolutioniert und ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, ­Patientenerfahrungen durch die Analyse verschiedener unstrukturierter Daten wie Erfahrungsberichte von Patienten, klinische Notizen und Feedback zu verstehen. Insbesondere die Analyse von Patientenerfahrungen verspricht, die jahrzehntelange Kluft zwischen dem, was die Pharmaindustrie entwickelt, und dem, was Patienten als ­Belastung empfinden, wie sich dies auf ihre Lebensqualität auswirkt und welche Ziele sie wirklich erreichen wollen, zu minimieren.

Welche Vorteile bieten KI, NLP und LLMs in Life Sciences?

Die Entwickler von Arzneimitteln können ein besseres Verständnis der Patienten in eine stärker auf die Patienten ausgerichtete Gestaltung klinischer Studien umsetzen, bisher unbekannte unerfüllte Bedürfnisse ermitteln und sogar die Wahrscheinlichkeit der Zulassung von Arzneimitteln erhöhen, indem sie zeigen, dass sie genau wissen, was die anvisierte Patientengruppe wirklich braucht. Auch Patienten und Ärzte profitieren vom besseren Zugang zu Informationen, der einfacheren Erkennung von Wechsel­wirkungen zwischen Medikamenten und der prinzipiell verbesserten Erkennung von wichtigen Mustern in Labortests und klinischen Dokumenten.

Illustration. Copyright: Murrstock - stock.adobe.com
Illustration. Copyright: Murrstock – stock.adobe.com

Welche Herausforderungen sind damit verbunden?

Um reale Patientenerfahrungsdaten aus ­sozialen und anderen Quellen für diese ­Zwecke zu nutzen, kämpft NLP noch immer mit dem Verständnis nuancierter, mehrdeutiger oder schlecht strukturierter natür­licher Sprache. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, überwachte KI-Modelle in Kombination mit generativen Modellen zu verbinden, um die Wahrscheinlichkeit von Halluzinationen in diesem sensiblen ­Bereich zu verringern. Diese Modelle müssen einem kontinuierlichen Lernprozess ­unterzogen werden, um sich mit der Evolution der von den Patienten verwendeten Sprache und der Entstehung neuer verfügbarer ­Daten weiterzuentwickeln. Um den vollen Wert der KI in den Biowissenschaften auszuschöpfen, müssen Wege gefunden werden, um sowohl die geltenden Datenschutz­bestimmungen als auch strenge Regulierungsstandards für die Gewinnung von ­Erkenntnissen und Beweisen anzuwenden.

KI, NLP und LLMs sind kein Strohfeuer, „they are here to stay“! Oder nicht?

KI, NLP und vor allem LLMs verändern die Lebenswissenschaften und ermöglichen eine tiefere Analyse von bisher ungenutzten Daten wie Patientenaussagen, klinischen Notizen und Forschungsdokumenten. Diese Technologien sind nicht nur auf dem Vormarsch, sondern führen uns in eine Zukunft der personalisierteren und prädiktiveren Gesundheitsfürsorge, die auf einem umfassenden Verständnis sowohl strukturierter als auch unstrukturierter Daten beruht.

Herr Jaskolski, vielen Dank für die ­interessanten Einblicke.

Das Interview führte Holger Garbs.

Zum Interviewpartner

Janik Jaskolski ist Mitgründer und Geschäftsführer von Semalytix, mit akademischem Hintergrund in kognitiver Informatik. Er ist Thought Leader für KI-, NLP-, und LLM-Applikationen für patientenfokussierte Medikamentenentwicklung.

Der Artikel ist in der Plattform Life Sciences-Ausgabe „25 Jahre Biotechnologie – What’s next?“ erschienen:

https://www.goingpublic.de/wp-content/uploads/epaper/epaper-Life-Sciences-3-2023/#66

Autor/Autorin

Die Redaktion der Kapitalmarkt Plattform GoingPublic (Magazin, www.goingpublic.de, LinkedIn Kanal, Events) widmet sich seit Dezember 1997 den aktuellen Trends rund um die Finanzierung über die Börse. Ob Börsengang (GoingPublic) oder die vielfältigen Herausforderungen für börsennotierte Unternehmen (Being Public), präsentiert sich GoingPublic cross-medial als Kapitalmarktplattform für Emittenten und Investment Professionals.