Bildnachweis: GoingPublic Media / um.

Seit 25 Jahren berichtet GoingPublic Media über das Thema „Biotechnologie“ – zunächst im Rahmen des monatlichen GoingPublic Magazins, seit 2017 auf der themeneigenen Plattform Life Sciences. Anlässlich des silbernen Jubiläums blicken wir zurück und präsentieren in regelmäßigen Abständen Interviews und Beiträge von damals bis heute.

Nach dem Quereinsteiger Qiagen kommt mit der MorphoSys AG nun erstmals ein deutsches Biotechnologieunternehmen ohne Umschweife an den Frankfurter Neuen Markt. Es bleibt zu wünschen, daß sich zahlreiche Nachahmer finden, um damit der Biotechnologie in Deutschland endgültig zum Durchbruch zu verhelfen. So kann der private Investor endlich teilhaben. Dennoch ist zur Vorsicht geraten: In der Biotechnologie brauchen Wissenschaftler und Investoren einen langen Atem.

Aller Anfang ist schwer

Die Firmengründer von MorphoSys dürfen sich damit rühmen, vor sechs Jahren einen ungewöhnlichen Schritt in einem „unwirklichen deutschen Gründerumfeld“ gewagt zu haben. Als sich der Neuseeländer Simon Moroney nach mehreren Stationen an renommierten Forschungseinrichtungen im Ausland 1992 zusammen mit Christian Schneider entschloß, die wissenschaftlichen Ideen von Professor Andreas Plückthun vom Münchener Max-Planck-Institut als Basis für eine Firmengründung zu nutzen, waren ungläubige Zeitgenossen noch in der Überzahl. Stand die Finanzierung anfangs auf wackeligen Füßen, so zählt die MorphoSys AG inzwischen zahlreiche namhafte Firmen im Pool ihrer Risikokapitalgeber.

Die Geschäftsidee

Das Stichwort „kombinatorische Biologie“ beschreibt das Geschäft der MorphoSys AG am zutreffendsten. Die Suche nach neuen Arzneistoffen gestaltet sich heutzutage anders als noch vor einigen Jahren. In riesigen Sammlungen chemischer Verbindungen aus Labor und Natur könnten sich Umsatzmillionäre befinden, wenn ihre Wirkung nur entdeckt werden würde. MorphoSys nutzt ihre Technologien, um dieses Problem zu lösen. Dabei werden neuartige Verfahren genutzt, um spezielle Eiweißmoleküle, sogenannte Antikörper, zu synthetisieren und diese Vielfalt mit innovativen Methoden in möglichst kurzer Zeit auf ihre Wechselwirkungen mit anderen Molekülen zu untersuchen. Jeder Antikörper könnte dabei selbst ein neuer Wirkstoff sein oder aber helfen, neue Wirkungsmechanismen bei Krankheitsbildern aufzuklären.

Wer biologische Prozesse verstehen lernt, entwickelt neue Ansatzpunkte für neue Medikamente. Daß die MorphoSys-Antikörper dabei den menschlichen Strukturen gleichen, ist ein zusätzliches Plus. Der Pfiff am Rande sind Mini-Antikörper: Überflüssiges wird weggelassen und die Produktion wird obendrein verbessert.

Die Strategie

Das Geschäft soll in erster Linie durch Partnerschaften mit den großen Pharmafirmen erfolgen. Die mit hohen Kosten verbundenen klinischen Studien am Menschen möchte MorphoSys lieber den Partnern überlassen. Daher trägt die Abteilung für Geschäftsentwicklung auch eine besondere Verantwortung, denn MorphoSys wird sich an der Menge und der Güte etablierter Kooperationen messen lassen müssen.

Schade ist deshalb die unerwartete Beendigung der Anfang des Jahres mit großem Aufsehen in der deutschen Biotechnologie-Szene verkündeten Kooperation mit Pharmacia & Upjohn (P & U). Diese Zusammenarbeit hätte in den nächsten sechs Jahren Gelder bis zu 50 Millionen DM ermöglicht. Die neue Kooperation mit DuPont Phamaceuticals kann hier nur ein erster Schritt sein, einen Neuanfang zu machen.

Chance und Risiko

Die der MorphoSys zugänglichen wissenschaftlichen Methoden bieten ein hohes Potential, neue Pharmazeutika zu entdecken. Allein eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Die bereits mit ähnlichen Datenbanken am Markt operierenden Firmen, insbesondere in den Vereinigten Staaten, konnten bisher die hohen in sie gesetzten Erwartungen noch nicht in Gänze erfüllen.

Daher dürfte auch auf die fünfzig engagierten MorphoSys-Mitarbeiter bei der Suche nach Therapiemöglichkeiten für bisher unheilbare Krankheiten noch ein steiniger Weg warten.

Fazit

MorphoSys steht in den nächsten Jahren vor großen wissenschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen. Dem hohen Potential für neue Pharmazeutika stehen die in der Arzneimittelforschung verborgenen wissenschaftlichen Risiken gegenüber. Die nur kurze Dauer der P & U – Kooperation zeigt zudem die finanziellen Besonderheiten der Branche. Beim ersten Pharmaunternehmen der Biotechbranche am Neuen Markt ist mit einer Überzeichnung zu rechnen. Das Biotechnologieunternehmen Mologen im Berliner Freiverkehr oder die generelle Konsolidierung am Neuen Markt zeigen jedoch, daß bei Wachstumswerten später auch noch Einstiegskurse realisiert werden können. Für den langfristig denkenden Anleger, der sein Depot nicht spekulativ übergewichtet, kann MorphoSys zu einer interessanten Beimischung werden. Die leitenden Angestellten von MorphoSys haben sich verpflichtet, ihre Aktien zwei Jahre lang nicht zu veräußern.

 

„DIE AKTIONÄRE HONORIEREN ES, WEGBEREITER ZU SEIN!“

Interview mit Dr. Simon Moroney, CEO der MorphoSys AG

GoingPublic: Herr Moroney, welche Gründe verleiteten einen Weltenbummler wie Sie, Ihre „Gründerzelte“ in Deutschland aufzuschlagen?

Moroney: Deutschland ist auf dem besten Weg, Europas führende Nation im Biotechnologiebereich zu werden. Für den Forschungsbereich, insbesondere die Biologie und Biotechnologie, wurden in Deutschland ausgezeichnete Wissenschaftler ausgebildet. Die erbrachten Leistungen sind durchaus im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig und anerkannt.

GoingPublic: Wie verhindern Sie bei MorphoSys, daß Ihre Wissenschaftler interessante Konkurrenzangebote annehmen?

Moroney: MorphoSys verfügt über einzigartige Technologien und ist in seinem Bereich führend. Das sind Aspekte, die unser Unternehmen sehr attraktiv machen. Außerdem bietet unsere kleine Struktur eine wichtige Flexibilität. Uns ist auch sehr wichtig, unsere Mitarbeiter finanziell am Unternehmen zu beteiligen.

GoingPublic: Welche Rolle spielt bei Ihrem Börsengang die Tatsache, das erste Biotech-Unternehmen am Neuen Markt zu sein?

Moroney: Der Börsengang als erstes pharmazeutisches Unternehmen am Neuen Markt wird auf den Vorsprung, den MorphoSys bereits auf dem Biotechnologiesektor hat, eine Hebelwirkung ausüben. Unsere Position als führende deutsche Firma in diesem Bereich wird bestätigt und die Erfahrung zeigt, daß „Wegbereiter“ in einem neuen Sektor zu sein von den Aktionären besonders honoriert wird.

GoingPublic: Wozu werden Sie den Mittelzufluß aus dem Börsengang verwenden?

Moroney: Das zufließende Kapital wird benutzt, um weitere Technologien zu entwickeln und zu vermarkten, sowie die langfristige Expansion des Unternehmens zu sichern.

GoingPublic: Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten Ihrer Technologien ein?

Moroney: Unsere Technologien unterscheiden sich von bisherigen Verfahren: z.B. HuCal – eine Bibliothek synthetischer menschlicher Antikörper – ermöglicht eine schnellere und effizientere Herstellung maßgeschneiderter Antikörper. In der Pharmabranche existiert ein enormer Bedarf an neuen Technologien zur Arzneimittelentwicklung. Das daraus resultierende Marktvolumen hat ein Potential von 7 Milliarden US-Dollar. Mit unseren innovativen Technologien haben wir gute Chancen, Teil dieses Marktes zu sein.

GoingPublic: Klinische Studien gehören nicht zu Ihrer Strategie. Risiko einzugehen wird im Erfolgsfall aber höher belohnt. Haben Sie dies bei Ihren Wachstumsprognosen berücksichtigt?

Moroney: Wir haben das sicher berücksichtigt. Die Möglichkeit, in die Produktentwicklung einzusteigen, ist auch nicht völlig ausgeschlossen.

GoingPublic: Wie schnell können Sie die entstandene finanzielle Lücke durch die Beendigung der P & U – Kooperation schließen?

Moroney: Durch die Beendigung der P & U – Kooperation entstehen keine finanziellen Lücken. Wir hatten diese Einnahmen in unserer Finanzplanung für die folgenden Jahre nicht einkalkuliert.

GoingPublic: Welche Geldmittel erhalten Sie aus der neuen Partnerschaft mit DuPont?

Moroney: Es wurde vereinbart, keine Beträge aus dieser Transaktion zu nennen. DuPont wird eine jährliche Lizenzgebühr sowie weitere Gebühren für die Unterstützung bei der Nutzung und Anwendung der Technologie bezahlen. Im Fall einer Entwicklung eines bestimmten Moleküls wird dafür eine exklusive Lizenz, die Meilensteine und Royalties beinhaltet, erteilt.

GoingPublic: Bei etwa 4 bis 5 Millionen DM Liquiditätsverbrauch – burn rate – pro Jahr ist die Entwicklung von MorphoSys bis ins Jahr 2000 gesichert. Stehen Sie zu dieser Aussage?

Moroney: Ja, daran hat sich nichts geändert.

Das Gespräch führte GoingPublic-Redakteur Dr. Holger Bengs.

 

MORPHOSYS AG – EMISSIONSPARAMETER

WKN: 663 200

EMISSIONS-PK: 7. SEPT.

ZEICHNUNGSFRIST: VMTL. 8.-11. SEPT.

PREISSPANNE: N. BEK.

ERSTNOTIZ: N. BEK.

MARKTSEGMENT: NEUER MARKT

KONSORTIUM: DEUTSCHE BANK (LEAD) SG COWEN, BA ROBERTSON STEPHENS

EMISSIONSVOLUMEN: N. BEK.

INTERNET: WWW.MORPHOSYS.DE

 

Dieser Text erschien erstmals in der Ausgabe 9/1989 des GoingPublic Magazins.

Die Jubiläumsausgabe „Biotechnologie“ (25. Jahrgang) erscheint am 30. September.

Das Event zum Jubiläum, eingebettet in den 9. Finance Day der Plattform Life Siences, findet am 24. Oktober in München statt. Weitere Informationen folgen!