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Seit mehr als zwei Jahren steht die Krankenhausreform im Zentrum intensiver Debatten. Auch wenn sie noch nicht in Kraft getreten, geschweige denn umgesetzt wurde: An Krankenhäusern oder Krankenhausketten sowie an sektorübergreifenden Einrichtungen interessiere Investoren diskutieren schon jetzt, welche Chancen als auch Herausforderungen sich aus der geplanten Reform für den M&A-Kontext ergeben werden.
Eigentlich war geplant, dass die Reform schon zum Beginn des aktuellen Jahres in Kraft treten sollte. Inzwischen ist die Rede von einem Start ab 1. Januar 2025. Die Krankenhausreform stellt einen tiefgreifenden Wandel im deutschen Gesundheitswesen dar. Sie zielt darauf ab, die Versorgungsqualität im Krankenhaus durch die Konzentration von Leistungen in spezialisierten Kliniken zu erhöhen, die flächendeckende medizinische Versorgung zu sichern und die Verzahnung des stationären mit dem ambulanten Sektor zu vertiefen.
Die Reform ersetzt das bestehende System der Fallpauschalen, das auf der Anzahl der behandelten Patienten basiert, durch ein neues System der Vorhaltebudgets, das unabhängig von der tatsächlichen Leistungserbringung ist. Die Vorhaltebudgets werden für Leistungsgruppen vergeben, die von den Landesplanungsbehören auf der Grundlage von bundeseinheitlichen Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen festgelegt werden. Die Reform soll den ökonomischen Druck auf die Krankenhäuser verringern und den Anreiz für eine qualitätsorientierte Versorgung erhöhen.
Auswirkungen auf die Krankenhausbewertung und Vergütungsmodelle
Für das Transaktionsgeschehen bedeutet dies, dass bei der Bewertung von Krankenhäusern oder Krankenhausketten nicht mehr nur auf die Fallzahlen, sondern auch auf die Zuordnung zu den Leistungsgruppen und die Erfüllung der Qualitätskriterien geachtet werden muss. Auch die Vergütung soll weiter „entökonomisiert“ werden. Dabei bleibt die vollständige Refinanzierung der Pflege in Krankenhäusern unverändert. Allerdings wird die bisherige leistungsbezogene DRG-Vergütung um 60% abgesenkt und durch ein leistungsunabhängiges Vorhaltebudget ersetzt. Dieses wird im Rahmen einer mehrjährigen Konvergenzphase eingeführt, um finanzielle Veränderungen für die Krankenhäuser abzufedern. Dadurch würde der Anteil der Vergütung, der über DRGs abgerechnet wird, auf 40% sinken, sodass nur noch dieser Prozentsatz der Vergütung leistungsabhängig wäre.
Für bestimmte Bereiche, wie Pädiatrie, Geburtshilfe, Stroke Unit, spezielle Traumatologie und Intensivmedizin, sowie für die Teilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung sollen zusätzliche Mittel gewährt werden. Die Reform sieht zudem vor, dass die Krankenhäuser eine vollständige und umfassende Tarifrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen erhalten, die sich ab 2025 am vollen Orientierungswert ausrichtet. Dies kann die Personalkosten der Krankenhäuser erhöhen, aber auch die Attraktivität als Arbeitgeber steigern.
Chancen für sektorenübergreifende Versorgungsmodelle
Die geplante Reform eröffnet auch die spannende Möglichkeit, sektorenüber greifende Versorgungseinrichtungen zu etablieren, die neben der interdisziplinären stationären Versorgung auch ambulante und pflegerische Leistungen anbieten können. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen sind Plankrankenhäuser, die wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden, und daher als Grundlage für weitere Schritte hin zu einer sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung zu verstehen. Für Investoren kann dies eine Chance sein, sich an innovativen und zukunftsorientierten Versorgungsmodellen zu beteiligen, die einen Mehrwert für die Patienten schaffen, insbesondere da sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen auch geeignete Gründer für medizinische Versorgungszentren sind. Allerdings müssen sie auch die rechtlichen und administrativen Herausforderungen berücksichtigen, die mit einer sektorenübergreifenden Versorgung einhergehen. Dazu zählen etwa Abstimmungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen sowie Pflegekassen.
Transformationsfonds als Hebel für Investitionen
Die Reform sieht außerdem die Einrichtung eines Transformationsfonds vor, der ab 2026 die Umstrukturierungsprozesse in den Krankenhäusern unterstützen soll. Der Fonds soll bis zu 25 Mrd. EUR über zehn Jahre bereitstellen, die je zur Hälfte von der gesetzlichen Krankenversicherung und den Ländern getragen werden. Der Fonds soll insbesondere die Anpassung der Krankenhausstrukturen an die Leistungsgruppen und die Qualitätskriterien fördern, aber auch Investitionen in die Digitalisierung, die Modernisierung und die Vernetzung der Krankenhäuser ermöglichen. Für Investoren kann dies eine Gelegenheit sein, sich an der Finanzierung oder der Durchführung von Transformationsprojekten zu beteiligen, die die Wettbewerbsfähigkeit und die Effizienz der Krankenhäuser erhöhen. Allerdings müssen sie auch die Anforderungen und die Kontrolle des Fonds beachten, die an die Gewährung der Fördermittel geknüpft sind.
Mehr Transparenz und Rechtssicherheit im Krankenhaussektor
Die Reform hat auch Auswirkungen auf die Transparenz und die Rechtssicherheit im Krankenhaussektor. Die Reform sieht vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit Daten über die Leistungen und die Qualitätsaspekte der Krankenhäuser veröffentlicht, um die Patienteninformation und -aufklärung zu verbessern. Dies kann die Reputation und die Nachfrage der Krankenhäuser positiv beeinflussen, die eine hohe Qualität aufweisen. Die Reform soll auch die Bürokratie reduzieren, indem sie die Einzelfallprüfung der Krankenhausabrechnung durch eine strukturierte Stichprobenprüfung ersetzt, die vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung durchgeführt wird, was Rechtsstreitigkeiten und die Verwaltungsaufwände der Krankenhäuser verringern kann.
Allerdings sind Kritiker der Reform wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft der Ansicht, dass die Reform entgegen ihrer Intention zu einem massiven Bürokratieaufbau führt. Die Reform soll ein lernendes System sein, das fortlaufend überprüft und nach fünf Jahren umfassend evaluiert wird. Für Finanzinvestoren bedeutet dies, dass sie die Entwicklungen und die Anpassungen im Krankenhaussektor aufmerksam verfolgen müssen, um die Chancen und Risiken für ihre Investitionsentscheidungen zu bewerten.
Weitreichende Konsequenzen für Investoren
Die geplante Krankenhausreform ist eine weitreichende und ambitionierte Reform, die den deutschen Krankenhaussektor grundlegend verändern wird. Für Investoren bietet sie sowohl Chancen als auch Herausforderungen: Die Reform erfordert eine sorgfältige Analyse der Leistungsgruppen, der Qualitätskriterien, der Vorhaltebudgets, der sektorenübergreifenden Versorgung, des Transformationsfonds, der Transparenz und der Rechtssicherheit, um die Potenziale und die Risiken von Krankenhäusern oder Krankenhausketten zu erkennen. Ob die geplante Reform zu einer Verbesserung der finanziellen Verhältnisse in den Krankenhäusern führen wird, ist unklar – allerdings dürften eher größere Krankenhäuser von der Reform profitieren und kleinere (unausgelastete) Häuser geschlossen oder in sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen umgewandelt werden. Sollte dies nicht der Fall sein, ist zu erwarten, dass der Transaktionsmarkt im Krankenhaussektor weiterhin maßgeblich von Insolvenzen beeinflusst sein wird.