Bildnachweis: Helmholtz Munich – Matthias Tunger Photodesign.

Ein eigenes Labor aufzubauen ist für viele junge Biotech-Start-ups eine Mammutaufgabe. Hohe Kosten, begrenzte Flächen und bürokratische Hürden sind nur einige der Stolpersteine. Wir fragten Dr. Margarete Nawrath, Lab Manager der Life Science Factory Munich, und Dr. Christina Port, Gründerin von 2NA FISH, wie der neue Shared Lab Space in München Abhilfe schaffen soll und warum Deutschland sich in Sachen Innovationsförderung einiges von Singapur abschauen könnte.

Plattform Life Sciences: Liebe Frau Dr. Nawrath, welches sind die größten Herausforderungen für ein Start-up beim Aufbau eines eigenen Labors?

Dr. Nawrath: Wenn ein junges Start-up ein Labor aufbauen will, steht es vor vielen Hürden. Der erste Schritt ist die Suche nach einer geeigneten Immobilie. Hier in München ist bezahlbarer Raum schwer zu finden, und man muss gleichzeitig bedenken, dass man in einer Region ist, die Fachkräfte bietet, falls eine Expansion geplant ist. Ist das Gebäude gefunden, müssen bauliche, technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen eingeplant werden – das reicht von der Beschaffenheit der Wände und Böden bis zur Platzierung von Waschbecken. Oftmals erfordert dies nervenaufreibende Umbauarbeiten. Am Ende wird die Laborausstattung ­installiert, was das Budget nochmals stark beansprucht.

Liebe Frau Dr. Port, das sind Heraus­forderungen, die Sie sicherlich als ­Gründerin von 2NA FISH kennen. Sie ziehen daher die Factory einem eigenen Labor vor …

Dr. Port: Ja, denn für frühphasige Biotech-Start-ups wie 2NA FISH ein eigenes Labor aufzubauen wäre extrem kostspielig und zeitaufwendig für uns. Daher sind vollausgestattete, anmietbare Laborplätze an sich für uns durchaus eine essenzielle Ressource. Die Life Science Factory in München mit dem Standort am Helmholtz-Zentrum bietet zusätzlich die Einbettung in wichtige Infrastrukturen des Forschungszentrums. Grundsätzlich profitieren wir bei einem Inkubator auch von dem Austausch mit der Community und dem Zugang zu relevanten Angeboten und ­einem Netzwerk.

Frau Dr. Nawrath, Sie haben ­bereits sechs Jahre in Singapur gelebt und ­geforscht. Wie unterscheiden sich die Laborvoraussetzungen dort im ­Vergleich zu Deutschland? Was könnte Deutschland sich von Singapur abschauen oder umgekehrt?

Dr. Nawrath: Während meiner Zeit in Singapur habe ich hauptsächlich eigenständig für meine Doktorarbeit geforscht und ­lange Zeit im Labor verbracht. Die Laborvoraussetzungen unterscheiden sich kaum von denen in Deutschland, da beide ­Länder ihre nationalen Leitlinien von ­globalen Richtlinien der WHO und den US-amerikanischen National Institutes of Health, NIH, ableiten. Ein wesentlicher ­Unterschied liegt in der finanziellen Förderung wissenschaftlicher Projekte. In ­Singapur fließen die Mittel ohne große ­bürokratische Hürden. Ein einfaches ­Beispiel: Wenn ich für meine Forschung bestimmte Enzyme, Chemikalien oder ­Sequenzierservices benötigte, wurde dies sofort und formlos genehmigt. Mein deutscher Kollege und Gastwissenschaftler hingegen musste sich durch Anträge und Formulare kämpfen, nur um z.B. eine ­Packung Eppendorf-Tubes zu erhalten. Diese schnelle und risikofreie Unterstützung ermöglicht es, Proof-of-Concept-­Studien ohne große Risiken durchzuführen. Natürlich gibt es auch dort Projekte, die im Sande verlaufen und buchstäblich Geld verschwenden, aber das ist ein normaler Teil des Innovationsprozesses. Hohe Investitionen in Forschung und ­Entwicklung sind entscheidend und legen den Grundstein für zukünftige Biotech-Start-ups.

Dr. Margarete Nawrath, Verantwortliche für den Aufbau der Laborfllächen der Life Science Factory in München
Dr. Margarete Nawrath, Verantwortliche für den Aufbau der neuen Laborflächen der Life Science Factory in München

Wenn Deutschland international wettbewerbs­fähig bleiben will, müssen wir flexibler und internationaler denken – so, wie es Singapur bereits tut.

Gibt es weitere Aspekte, die man sich von Singapur abschauen könnte?

Dr. Nawrath: Ja, z.B. die Amtssprache. Die Sprache der Wissenschaft ist Englisch, und vermutlich bestehen 99% aller wissenschaftlichen Arbeitsgruppen aus internationalen Teams. Wenn deutsche Behörden verlangen, dass man vor der Gründung eines Start-ups erst einen längeren Deutschkurs besucht, hindert dies den ­Innovationsprozess extrem. Deutschland könnte von Singapur lernen, wie man ­bürokratische Hürden abbaut und die Internationalität in der Wissenschaft fördert, um ein dynamischeres und wettbewerbsfähigeres Innovationsökosystem zu schaffen.

Der neue Shared Lab Space in München steht kurz vor der Eröffnung. Was können Start-ups davon erwarten?

Dr. Nawrath: Der Shared Lab Space wird wie der in Göttingen funktionieren. Start-ups erhalten Zugang zu vollausgestatteten Laboren, Infrastruktur und einem breiten Netzwerk von Experten. In den vollaus­gestatteten Laboren haben Teams neben ihrer eigenen Laborbank Zugriff zu allen Geräten in den Funktionslaboren wie Zellkultur, Mikrobiologie, DNA/RNA Space und Proteinbiochemie. Wir unterstützen die Teams im kompletten Prozess, von der Anmeldung ihrer Projekte über regulato­rische Hürden bis hin zu Themen wie Finanzierung und Teamaufbau. Zusätzlich fördern wir den Austausch mit Forschenden am Helmholtz Pioneer Campus. Die Eröffnung ist für Ende des Jahres geplant.

Dr. Christina Port, CEO 2NA FISH.
Dr. Christina Port, CEO 2NA FISH.

Ich hoffe, dass wir hier einen Raum finden, in dem wir uns voll und ganz auf unsere Forschung konzentrieren können.

Frau Dr. Port, was ist Ihre Mission und welche Erwartungen haben Sie an den neuen Standort in München?

Dr. Port: Unsere Mission ist es, durch ­bessere diagnostische Tests die richtige Therapie für jeden Krebspatienten zu finden – besonders für jene Krebsarten, die noch schwierig zu behandeln sind. Dafür haben wir eine neue Plattformtechnologie entwickelt, aus der wir aktuell einen ­ersten diagnostischen Test zur Therapieentscheidung für Blasenkrebs entwickeln. Da dies eine riesige Aufgabe darstellt, sind wir über jede fachkompetente Unterstützung froh, die wir erhalten. Ich hoffe, dass wir hier einen Raum finden, in dem wir uns voll und ganz auf unsere Forschung konzentrieren können, und Unterstützung durch das Netzwerk, Investoren und das Team vor Ort bekommen, bei Themen wie etwa der Regulatorik.

Frau Dr. Nawrath, was wünschen Sie sich für die Zukunft der Life-Sciences-Start-up-Szene in Deutschland?

Dr. Nawrath: Ich wünsche mir, dass bürokratische Hürden weiter abgebaut werden und wir ein innovationsfreundlicheres ­Klima schaffen. Wenn Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben will, müssen wir flexibler und internationaler denken – so, wie es Singapur bereits tut.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Urs Moesenfechtel.

 

Zu den Interviewpartnerinnen:

Dr. Christina Port ist Unternehmerin und promovierte Molekularbiologin. 2021 startete sie das Spin-off-Projekt 2NA FISH zur Entwicklung einer neuen Diagnostik­technologie basierend auf Nanostrukturen.

Dr. Margarete Nawrath ist Biotechnologin mit umfangreicher Erfahrung in der Lebensmittel- und Biotechnologie. Seit Ende 2023 ist sie bei der Life Science Factory für den Aufbau der neuen Laborflächen in München verantwortlich.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at GoingPublic Media AG | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.