„Therapietreue“ trägt maßgeblich zum Therapieerfolg für den Patienten und zur Arzneimittelsicherheit bei. Doch laut Weltgesundheitsorganisation WHO nehmen bis zu 50% aller Patienten Medikamente gar nicht oder nicht komplett ein. In vielen Fällen führen Folgeschäden zu stationären Aufenthalten.
Falsch dosierte oder eingenommene Medikamente, versehentlich am falschen Ort infundierte Wirkstoffe oder eine Kombination verschiedener Arzneimittel mit ungünstiger Wechselwirkung – Fehler bei der Medikamentengabe sind die häufigste Ursache von sogenannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Das Spektrum der Folgen reicht von leichten Gesundheitsstörungen bis hin zum Tod der Patienten. UAW sind verantwortlich für 5% aller Einweisungen in Krankenhäuser – und enden bei etwa 2% der Betroffenen tödlich. Etwa jede zweite UAW gehe auf Medikationsfehler zurück, sei also grundsätzlich vermeidbar, sagen Experten. Dabei erleiden ältere Patienten häufiger UAWs, weil sie krankheitsbedingt oft mehrere Medikamente einnehmen. Zudem verändert sich ihr Stoffwechsel altersbedingt, was die Wirkung und Verträglichkeit von Medikamenten beeinträchtigen kann. Neben der gesundheitlichen Schädigung der Patienten belasten Medikationsfehler durch ihre Folgekosten auch das Gesundheitssystem. Die aktuelle Problematik dürfte sich also durch den zunehmenden demografischen Wandel nochmals verschärfen. Und gleichzeitig werden die Abläufe in der Gesundheitsversorgung immer komplexer.
Mittel- vs. Therapiesicherheit
Die Behandlung mit Arzneimitteln wird zunehmend als komplexer Prozess wahrgenommen, der das koordinierte Zusammenwirken von Patient, Angehörigen und Heilberuflern erfordert. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Arzneimittelsicherheit und der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Während die Arzneimittelsicherheit die Sicherheit eines Medikamentes beschreibt bei der Anwendung, basierend auf der Fach- oder Gebrauchsinformation, versteht man unter AMTS die Gesamtheit der Maßnahmen zur Gewährleistung eines optimalen Medikationsprozesses mit dem Ziel, Medikationsfehler und damit vermeidbare Risiken für den Patienten bei der Arzneimitteltherapie zu vermeiden. Da zum Zeitpunkt der Zulassung eines neuen Arzneimittels oft unzureichende Informationen vorliegen zu potenziellen Risiken neuer Wirkstoffe, sind weitere Kontrollmaßnahmen, einschließlich weiterer Studien nach der Zulassung, von großer Bedeutung. Ziel dieser Maßnahmen ist es, weitere Erkenntnisse zur Arzneimittelsicherheit zu gewinnen, vor allem auch zur Anwendung neuer Wirkstoffe unter Alltagsbedingungen, wie zum Beispiel zur Behandlung von älteren Patienten mit Begleiterkrankungen und Begleitmedikation.
Über die genauen Angaben zur Häufigkeit von Medikationsfehlern streiten Experten derweil. Diese sind unter anderem abhängig von den Studienbedingungen, den analysierten medizinischen Fachdisziplinen und den untersuchten Bereichen.
Risiko Medikationsfehler
Medikationsfehler wiederum werden definiert als das Abweichen von dem für den Patienten optimalen Medikationsprozess, das zu einer grundsätzlich vermeidbaren Schädigung des Patienten führt oder führen könnte. Sie können daher von jedem am Medikationsprozess Beteiligten verursacht werden, insbesondere von Ärzten, Apothekern oder Pflegepersonal sowie von Patienten und deren Angehörigen. Der Medikationsprozess umfasst alle Stufen
der Arzneimitteltherapie. Dabei sind verschiedene Faktoren verantwortlich dafür, dass von der Verordnung eines Arzneimittels bis hin zur Verabreichung und Einnahme Fehler auftreten. Heute gilt die ärztliche Verordnung als derjenige Schritt im Medikationsprozess, bei dem die meisten schwerwiegenden Fehler auftreten. So können Fehler zum Beispiel bei der Medikamentenverordnung entstehen, wenn der Arzt einen Patienten mit seinen Krankheiten und Befunden nicht gut kennt und ein ungeeignetes Medikament oder eine falsche Dosierung verschreibt. Weitere Fehlerquellen können handschriftliche Anordnungen in der Kurve sein, die unleserlich sind oder möglicherweise falsch gelesen werden. Auch der Schritt der Verabreichung von Arzneimitteln birgt Risiken: So könnte zum Beispiel ein Patient unbeabsichtigt die Medikation seines Bettnachbarn erhalten oder seine Medikation zum falschen Zeitpunkt bekommen.