Life Sciences und hier insbesondere die Biotechnologie, gelten seit Jahren als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Deutschland ist hier gut aufgestellt und kann auf eine hohe Innovationskraft, gute Ausbildungsbedingungen oder Rahmenbedingungen für Drittmittel verweisen. Herausfordernd bleibt jedoch die Finanzierung durch private und institutionelle Investoren.
So wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des Branchenverbandes BIO Deutschland allein in die Biotechnologie rund 674 Mio. EUR investiert. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Wert um rund ein Drittel gestiegen. Die börsennotierten Firmen erreichten zweistellige Wachstumsraten von 36% und nahmen rund 352 Mio. EUR ein. Wagniskapitalgeber investierten in 2017 rund 236 Mio. EUR in deutsche Biotech-Firmen, ein Zuwachs von 9%. Mehrere auf Life Sciences spezialisierte Fonds vor allem in BeNeLUx oder Frankreich konnten in 2017 ein erfolgreiches Closing vermelden, etwa der LSP HEF Fonds mit einem Volumen von 280 Mio. EUR oder Edmond de Rothschild mit 345 Mio. EUR, die auch in Deutschland investieren können. In diesem Jahr kamen bislang weitere Fonds von Forbion, Abbingworth oder SHS dazu. Auch von TVM darf man in den nächsten Wochen positive Neuigkeiten in dieser Hinsicht erwarten. Insgesamt dürften seitens europäischer Fonds in den kommenden Jahren zwischen drei und vier Mrd. EUR für Life Science-Investitionen zur Verfügung stehen, mutmaßen Experten. Davon werden sicher auch deutsche Firmen profitieren. Zwar fallen diese Zahlen im ewigwährenden Vergleich zum US-Finanzierungsmarkt vergleichsweise klein aus. Doch gibt sich ja auch die heimische Life Science-Industrie vergleichsweise bescheiden. Ergo: Ein Vergleich kann auch hinken.
Auch beim Thema „IPO“ sind in den vergangenen Wochen einige Namen deutscher Firmen gefallen: Phenex, Aicuris, Biontech oder NDI – welche Überlegungen auf Tatsachen beruhen und wo nur die schleierhafte Gerüchteküche brodelt, wird man sehen.
Nicht nur die guten Zahlen sehen
Trotzdem: Noch immer gibt es in Deutschland kaum Fonds, die sich ausschließlich auf Life Sciences spezialisiert haben und hier insbesondere auf die so wichtige wie kostenintensive Sparte der Medikamentenentwicklung. Nicht nur die immens hohen Forschungs- und Entwicklungskosten von mehreren hundert Millionen Euro bis hin zu einem erfolgreichen Markteintritt eines neuen Medikaments schrecken viele potenzielle Geldgeber ab. Dazu kommen lange Entwicklungszeiten und hohe Ausfallrisiken. Zwar ist das Thema an sich weiterhin dynamisch. So ermöglicht die rote, pharmazeutische Biotechnologie nicht nur effektivere Therapien in der personalisierten Medizin. Die weiße, industrielle Biotechnologie kann sie zur Optimierung industrieller Prozesse angewandt werden. Die deutsche BRAIN AG gilt hier als einer der wichtigsten Vertreter in der Branche. Deren Börsengang in Frankfurt sorgte für Aufsehen. Allerdings wurden hier auch Investoren angesprochen, die gerne in traditionelle Industriesegmente, etwa der Chemie, investieren.
Die grüne Biotechnologie kann die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel befördern. Wichtige Durchbrüche sind in der Sequenzierung oder Editierung menschlicher Genome zu verzeichnen. In Letzterem hat in der jüngsten Vergangenheit die in Deutschland entdeckte CRISPR/Cas-Methode für Aufsehen gesorgt – bevor diese unlängst durch eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofes einen herben Dämpfer einstecken musste. Weitere Trends lassen sich in der Analyse, der Diagnostik sowie in der Krebstherapie festmachen.
Neue Traditionen schaffen
Im Zuge der Industrie 4.0 Initiativen sind eine Reihe neuer Corporate Venture Capital Fonds entstanden, die aber wenn überhaupt nur in digitale Health Themen wie Fitness Apps investieren. Doch leider gibt es in Deutschland weiterhin wenig Tradition, in die medizinische Biotechnologie zu investieren. Auch in der öffentlichen Meinung stehen Pharmaunternehmen häufig noch als „Abzocker“ da, obwohl sich tatsächlich sehr viele innovative Medikamente auf den Markt gekommen sind die vorher unheilbare Krankheiten wie etwa Hepatitis C heilen können. Investments in Pharma und Biotechnologie gelten als „nicht schick“, im Pflanzenschutz wird ein Merger Bayer/Monsanto torpediert und ein Mittel wie Glyphosat, dass von allen relevanten EU-Institutionen als für den Menschen unschädlich eingestuft wird, soll verboten werden.
Eine Ausnahme schien sich vor einigen Jahren ihren Weg zu bahnen, als im Zuge der Digitalisierung zunehmend in Fitness-Apps und andere Hilfsmittel der elektronischen Medizin investiert wurde. Vor allem Berlin hat sich zu einem Hot Spot der Digital Health-Szene entwickelt. Doch stand hier lange Zeit der klare B2C-Bezug im Fokus. Inzwischen interessieren sich Global Player wie Amazon, Google und Apple, aber auch „Big Pharma“-Vertreter wie Roche, Sanofi und andere für Innovationen aus dem Bereich der digitalisierten Medizin. Doch schafft die Digitalisierung alleine noch keine neuen Medikamente.
Eine Hemmschwelle bei der Gründung von Life Science-Unternehmen: Bedingt durch die langen und kostspieligen Entwicklungszeiten erwirtschaften sie in den ersten Jahren keinen Gewinn. Die entscheidende Frage also lautet: Wie kann man also größere Unternehmen schaffen, die zunächst keinen direkten Cash Flow erwirtschaften?
Gegen behäbige Strukturen
Was also tun? Viele halten die Strukturen der großen Finanzwelt für zu behäbig. Die eher kleinteilige Venture-Szene agiert hier wesentlich innovativer. Ausgereifte Dachfonds könnten hier helfen, und dass große Investoren wie die KfW aber auch einige Versicherer sich wieder als Fondsinvestor betätigen und so indirekt auch vermehrt in Wachstumsbereich wie Life Sciences investieren, darf als Fortschritt wahrgenommen werden. Immer häufiger interessieren sich auch Krankenkassen für Life Science-Innovationen, stehen Start-ups mir Rat und Tat zur Seite, nicht nur hinlänglich Zulassungsverfahren. So hat beispielsweise der Finanzier Earlybird in 2016 mit der Barmer erstmals einen Investor für seinen neuen VC-Fonds gewinnen können.
Weitere Forderungen finden sich in einer direkten Forschungsförderung wieder, ebenso wie in der steuerlichen Besserstellung von Small-Cap-Investitionen. Und es braucht mehr institutionelle Investoren! Beispielsweise könnten Versicherer in die Lage versetzt werden, zu bestimmten Prozentsätzen auch in risikoreichere Assets wie Venture Capital zu investieren.
Fazit
Gut 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes gibt es in Deutschland wieder gute Bedingungen für Biotech-Gründungen. Ein Problem bleiben die Folgefinanzierungen. Doch es ist derzeit und in näherer Zukunft viel Geld im Markt, um Innovationen zu finanzieren. Und so dürfte es in den kommenden Monaten wohl die ein oder andere positive Neuigkeit geben.
Autor/Autorin
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