Bildnachweis: Andrey Popov – stock.adobe.com, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), Ronald Bonss / HZDR, Dr. Nicole Berndt, HZDR.
Der schwarze Hautkrebs, das maligne Melanom, ist eine der gefährlichsten Formen des Hautkrebses. Jährlich erkranken in Deutschland rund 24.000 Menschen an dieser Krebsart, die durch ihre schnelle Metastasierung besonders gefürchtet ist. Die Zehn-Jahres-Überlebensrate liegt bei unter 20%, was den dringenden Bedarf an neuen, effektiveren Behandlungen unterstreicht. Ein interdisziplinäres Projekt aus Sachsen verspricht nun neue Hoffnung für Patienten. Forscher aus Leipzig und Dresden erarbeiten gemeinsam die Grundlagen für eine innovative CAR-T-Zelltherapie zur Bekämpfung des aggressiven Tumors.
Die CAR-T-Zelltherapie hat sich inzwischen als vielversprechende neue Behandlungsmethode für bestimmte Krebsindikationen etabliert. Besonders bei bestimmten Arten von Blutkrebs wurden bereits beeindruckende Ergebnisse erzielt. In den letzten Jahren hat sie jedoch auch erstes Potenzial bei der Behandlung solider Tumore gezeigt. Die Tumormikroumgebung solider Tumore ist jedoch komplexer und ihre Antigenprofile heterogener. Damit die CAR-T-Zellen also auch bei ihnen wirksam werden können, müssen sie in die Lage versetzt werden, auch diese anspruchsvollen Umgebungen zu durchdringen und sich gegen eine Vielzahl von Antigenen zu richten. Gleichzeitig gilt es, die langzeitliche Antitumorwirksamkeit zu verbessern und die Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe zu reduzieren.
KI-CARs: Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt
In Leipzig und Dresden entwickeln Wissenschaftler im Projekt KI-CARs die CAR-T-Zelltherapie nun entsprechend weiter – mit dem initialen Fokus der Behandlung des malignen Melanoms. Der Name des Projekts spiegelt die zentrale Rolle der künstlichen Intelligenz in der Weiterentwicklung der CAR-T-Zelltherapie wider. Das im Juni 2024 begonnene Drei-Jahres-Pilotvorhaben wird mit einem Gesamtbudget von 780.000 EUR durch das Sächsische Forschungsministerium (SMWK) finanziert. Es wird von der Abteilung Diagnostik des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig geleitet und in Zusammenarbeit mit der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Leipzig (UKL) und dem Institut für Wirkstoffentwicklung der Universität Leipzig (UL) sowie dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) durchgeführt. Die Partner aus Klinik und Forschung vereinen in diesem Projekt ihr Wissen aus Molekularbiologie, Bioinformatik, künstlicher Intelligenz, Biotechnologie und klinischer Praxis. Mittels regelmäßiger Feedbackloops werden Ergebnisse aus technologischen Entwicklungen und der KI-Analyse kontinuierlich miteinander abgeglichen, um den Fortschritt zu maximieren.
„Unsere baukastenartige RevCAR-Plattformtechnologie kann flexibel auf verschiedene Krebszielstrukturen und Krebsarten übertragen werden.“
RevCAR-T-Zelltechnologie: Flexibilität und Präzision
Der Schwerpunkt des Projekts liegt zunächst auf der Identifizierung neuer Strukturen auf Krebszellen, die gezielt von modifizierten T-Zellen angegriffen werden können, um die CAR-T-Therapie als solche zu optimieren. Dazu setzen die Forscher hoch entwickelte Einzelzell- und räumliche Sequenzierungstechnologien ein. Mit ihnen erstellen sie detaillierte Datensätze, die das Verhalten der Zellen im Tumorgewebe präzise abbilden. Diese umfangreichen Daten werden anschließend durch maschinelles Lernen und computergestützte Modelle analysiert, um potenziell wirksame Zielstrukturen zu identifizieren. Die molekularbiologischen Experimente – räumlich aufgelöste Sequenzierung und bioinformatische Datenanalyse von Patientenproben – sind eine Kooperation zwischen der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Leipzig und dem Fraunhofer IZI. Zusätzlich erfolgt eine Modellierung der Zielstrukturen mittels KI an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig (Institut für Wirkstoffentwicklung).
„Mit der CAR-T-Zelltherapie verbinden wir aktuell große Potenziale und ebenso große Hoffnungen, zukünftig möglichst vielen Patient*innen damit zu helfen. Die Kombination moderner molekularbiologischer Technologien mit Methoden der künstlichen Intelligenz eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten, um diesem Ziel einen großen Schritt näherzukommen.“
Auf Grundlage dieser neu identifizierten Zielstrukturen werden dann am HZDR spezielle CAR-T-Zell-Ansätze entwickelt und präklinisch getestet. Dabei kommt eine innovative Plattformtechnologie des HZDR zum Einsatz: die sogenannte RevCAR-T-Zelltechnologie. Dabei werden universelle RevCAR-T-Zellen durch ein zusätzliches lösliches Targetmodul gezielt an die Krebszellen herangeführt und aktiviert. Im Gegensatz zu herkömmlichen CAR-T-Zellen, die permanent auf spezifische Tumormarker ausgerichtet sind, ermöglicht die Rev-CAR-Technologie somit eine kontrollierte und anpassbare Aktivierung der Zellen. Das bedeutet, dass die CAR-T-Zellen nur dann aktiviert werden, wenn ein zusätzliches Targetmodul vorhanden ist, das spezifisch an den Tumormarker bindet. Dadurch wird das Risiko von Nebenwirkungen, die bei Immuntherapien auftreten können, deutlich reduziert. Das Institut für Wirkstoffentwicklung unterstützt die Arbeiten des HZDR durch KI-gestützte Modellierung. Experimentelle CAR-T-Zell-Entwicklungen und Modellierung optimaler Zielstrukturen werden dabei in mehreren Feedbackrunden miteinander abgeglichen.
„Mit modernsten Analyseverfahren können wir Krebszellen sowie ihre Interaktion mit umgebenden Zellen detailliert charakterisieren, generieren dabei auch enorme Datenmengen. Daraus die relevanten Informationen zu extrahieren ist die Grundlage für eine zielgerichtete Therapieentwicklung und fasziniert mich deshalb besonders.“
Beispielhafte Anwendung: Maßgeschneiderte Therapie
Die RevCAR-T-Plattformtechnologie soll eine maßgeschneiderte Therapie ermöglichen, bei der die Immunzellen individuell auf die Krebszellen der Patienten abgestimmt werden. Das ist vor allem bei der Behandlung maligner Melanome von Interesse, da diese Krebsart oft eine heterogene Oberflächenprofilierung mit unterschiedlichen Antigenen aufweist, was eine präzise und gezielte Therapie bisher besonders erschwerte. Die Fähigkeit der RevCAR-Technologie, durch zusätzliche Targetmodule flexibel auf verschiedene Tumorantigene einzugehen, soll nun eine gezielte Anpassung der Therapie an die spezifische Antigenexpression jedes einzelnen Melanoms ermöglichen.
„Methoden der künstlichen Intelligenz in der Strukturvorhersage und im Proteindesign unterstützen KI-CAR dahin gehend, dass wir Daten aus der Transkriptomanalyse schneller auswerten können. Darauf basierend entwickeln wir dann neue CAR-Bausteine, die im Konsortium getestet werden. KI-Anwendungen für die Entwicklung neuer Medikamente zu verwenden ist ein Schlüsselbaustein für die kosteneffektive Bereitstellung von CAR-T-Zelltherapeutika in der Zukunft.“
Ein vielversprechender Schritt in der Krebsforschung
Langfristig soll das Projekt KI-CARs nicht nur die Lebensqualität und Überlebensraten von Patienten mit malignem Melanom verbessern, so die Wissenschaftler. Sie möchten die Immuntherapie insgesamt weiterentwickeln und ihre Forschungserkenntnisse auch auf andere Arten solider Tumore anwenden. Damit ergäbe sich ein breites Anwendungsspektrum mit entsprechendem Verwertungspotenzial. Auf dem Weg dahin wollen sie ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zunächst auf internationalen Konferenzen vorstellen und schließlich in peer-reviewten internationalen Open-Access-Zeitschriften veröffentlichen.
„Wir sehen unsere Untersuchungen als einen wichtigen Schritt hin zu zukünftigen innovativen Immuntherapien beim malignen Melanom, die nach heutiger Erkenntnis vermehrt zellbasiert sein werden.“
Nach erfolgreicher präklinischer Validierung im Anschluss an dieses Vorhaben streben alle Beteiligten langfristig technologischen Transfer und die klinische Translation an. Für die klinische Weiterentwicklung von Zell- und Gentherapien, die mit hohen regulatorischen Hürden und finanziellen Kosten verbunden sind, benötigen sie dazu zusätzliche Partner aus Kliniken und der Industrie sowie Experten für den technologischen Transfer und regulatorische Fragen. Genau dieses Kompetenzfeld wird durch ein Expertennetzwerk von SaxoCell bereitgestellt, einem von mehreren im Rahmen des Clusters4Future-Wettbewerbs geförderten Zukunftsclustern.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.