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Mehr teilen, um Innovationen zu fördern, und präzisere Technologien für die klinische Anwendung – so lauteten einige der Erkenntnisse, die beim Finance Day, anlässlich des 25. Erscheinens der Biotechnologie-Ausgabe der GoingPublic Media AG am vergangenen Dienstag in den Räumen des Innovations- und Gründerzentrums Biotechnologie (IZB) in Martinsried gewonnen wurden. Über 100 Experten, spannende Vorträge, lebendige Diskussionen – und am Ende gab es Geburtstagstorte und Cocktails für alle. Fragen zur Finanzierung und zum richtigen Börsenplatz wurden ebenso erörtert wie Aussichten im M&A-Markt und Standortfaktoren.
IZB einer der größten Biotech-Hubs Europas
Begrüßt wurden die Teilnehmer von Dr. Peter Hanns Zobel, Geschäftsführer des Innovations- und Gründerzentrums Biotechnologie (IZB). Sein Fazit auf die letzten 25 Jahre: „Biotech hat die Welt verändert!“ Zobel blickte auch zurück auf 27 Jahre Biotechnologie im IZB. Man werde dem Anspruch gerecht, einer der größten Biotech-Hubs in Europa zu sein. So wurden seitens der im IZB vertretenen Unternehmen allein seit 2015 Deals im Wert von mindestens 5,6 Mrd. EUR abgeschlossen. (Link zur Präsentation)
„Wir wollen eine Krankheit heilen“
„25 Jahre sind ein Grund ‚Danke‘ zu sagen für das, was man tun darf“, sagte Dr. Werner Lanthaler von Evotec in seiner Key Note. „Der Anspruch ist nicht mehr ‚Wir machen ein Medikament‘, sondern ‚Wir wollen eine Krankheit heilen‘.“ Der Werkzeugkasten für Innovationen sei nie besser gefüllt gewesen und viele der einstigen Träumereien seien inzwischen Wirklichkeit geworden, so Lanthaler und nannte als Beispiele CRISPR, mRNA, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die Personalisierte Medizin oder PanOmics.
Dennoch gelte es dran zu bleiben und weiteren Fortschritt zu ermöglichen, damit alle Menschen Zugang zu Innovationen erhalten. Dafür sei es auch notwendig, Inhalte zu teilen, um bessere Zugänge zu moderner Medizin zu ermöglichen und gleichzeitig Entwicklungskosten zu senken. Die Entwicklung zu Innovationen und die Zugänge zu eben diesen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. (Link zur Präsentation)
Venture Capital im Wandel der Zeit
In seinem Panel „Venture Capital und Finanzierungstrends im Wandel der Zeit“ diskutierte Prof. Dr. Horst Domdey vergangene, aktuelle und zukünftige Fragen zum Finanzierungsgeschehen. Domdey blickte teils kritisch, teils wehmütig zurück: „Im Jahr 2000 gab es allein in München 35 Venture Capital-Investoren in München. Wo sind die geblieben?“ Dr. Sascha Berger von TVM Capital Life Science verwies auf die Partnerschaften zwischen Investoren und Pharmaunternehmen. Diese seien ein „geben und nehmen“. Als Investor profitiere man von der Expertise der Pharmaunternehmen (als Fondsinvestoren) sowie vom regen Austausch unter Experten.
„Im Jahr 2000 gab es allein in München 35 Venture Capital-Investoren in München. Wo sind die geblieben?“
Marco Winzer vom High-Tech Gründerfonds unterstrich die Notwendigkeit sich immer weiterentwickelnder Finanzierungsmodelle. „Das Standardmodell hat ausgedient“, so Winzer. Er verwies auch auf sich verändernde Finanzierungsrunden. Beispielsweise würden heute schon im Rahmen von Erstfinanzierungen höhere Summen ausgegeben und dies immer häufiger in Konsortien, auch unter Beteiligung von Corporate-VCs. Wünschenswert sei auch die Installation von Evergreen-Fonds, um VC-Investoren mehr Zeit für ihre Engagements zu geben.
Dr. Marianne Mertens von Apollo Health Venture betonte, Venture Capital sei kein Glücksspiel, sondern eine Industrie mit Potenzial und Mehrwert. Man investiere in Innovationen, damit Menschen länger gesund bleiben und fit ins Alter gehen. Mathias Klozenbücher von FCF Fuchs Corporate Finance erläuterte, dass immer häufiger auch US-Investoren als strategische Fondsinvestoren in Deutschland auftreten. „US-Investoren agieren als Fund-of-Fund-Investoren um in Deutschland Fuß zu fassen.“ Vor allem größere Finanzierungsrunden oberhalb einer Serie B würden dann gerne direkt von US-Investoren angeführt.
Deutsche Biotechs zieht es an die Nasdaq
Dr. Stephan Mahn von Blättchen Financial Advisory referierte anschließend über „Biotech – die Rolle der Börse“. „An der Börse gibt es Eigenkapital für immer“, so sein Fazit. Die Frage, warum es deutsche Biotech-Unternehmen vor allem an die US-Börse Nasdaq ziehe, antwortete Mahn, die USA überzeugen durch einen starken Markt, eine Fülle an Investoren und Kapital sowie eine ausgewiesene Biotech-Expertise. Zudem seien Crossover-Investoren für einen Börsengang unverzichtbar und diese gebe es vor allem in den USA. Allerdings seien die kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern nicht zu unterschätzen, und damit auch die unterschiedlichen Regularien, deren Bewältigung eine ständige Vertretung des Unternehmens im Ausland notwendig mache. (Link zur Präsentation)
Der Weg an die Börse ist nicht für jedes Unternehmen geeignet
Einen Überblick über „Börsengang und Börsennotiz“ gab Markus Rieger, GoingPublic Media, in seinem Panel. Dr. Thomas Taapken von InflaRx betonte, die aktuellen Makrofaktoren seien vor allem für kleine und mittlere börsennotierte Unternehmen schwierig. Der Markt sei zudem von kurzfristigen Erwartungen getrieben. Und schließlich konkurrieren in den USA gelistete Unternehmen mit rund 750 Mitbewerbern um Kapital und Anleger. Enno Spillner von Formycon betonte, die Börse sei ein gutes Mittel, um sich auch kurzfristig mit frischem Geld zu versorgen. Es gebe verschiedene Tools, die Unternehmen nutzen könnten. Er verwies allerdings auf die unterschiedlichen Sichtweisen zwischen angelsächsischen und deutschen Investoren. „Vor allem in den USA sind die Investoren immer noch an einer guten Equity Story interessiert“, so Spillner. Bezüglich der aktuellen Situation gab sich Spillner entspannt: „Nach dem Down kommt auch wieder ein Up!“
„Vor allem in den USA sind die Investoren immer noch an einer guten Equity Story interessiert“
Ulrich Sommer von WTS Advisory verwies auf die Herausforderungen, die mit einem Börsengang verbunden sind. Nicht jedes Unternehmen sei bereit für die Börse. Vor allem die Erfüllung der notwendigen Regularien werde vielerorts unteraschätzt. Auf dem Weg hin zum Börsengang sei die Hinzuziehung externer Berater unumgänglich. Eine Professionalisierung des Unternehmens sei auch abseits der reinen Wissenschaft notwendig, so Sommer.
Rückgang im M&A Geschehen, aber Besserung in Sicht
Als Gründe für den aktuellen Rückgang im M&A-Geschehen nannte Dr. Heiko Frank von WTS Advisory in seinem Vortrag „M&A als Wachstumstreiber in Healthcare & Biotech“ unter anderem das gestiegene Zinsniveau, eine krisenbedingte Zurückhaltung, zu hohe Erwartungen auf der Verkäuferseite bei Bewertungen oder die zunehmende Schwierigkeit bei Finanzierungen. Doch er gab sich optimistisch.
M&A bleibe ein Wachstumstreiber: „Das Dry Powder ist da“, so Frank. Er erwartet einen Anstieg im M&A-Geschehen für das 2. Halbjahr 2024. Überhaupt seien M&A-Deals im Biotech-Segment relativ stabil, im Gegensatz zu Healthtech und Medtech. Doch die Notwendigkeit spezifischer Ansprachen der Unternehmen an die jeweiligen Investoren und die Präsentation einer attraktiven Equity Story steige immer mehr – „übrigens auf Englisch!“ (Link zur Präsentation)
Exit-Erfahrungen
Auf dem Panel „Exitstrategien“, moderiert von Benedikt Mahr, Weitnauer Rechtsanwälte, gab Dr. Andreas Schmidt, interessante Einblicke in seine Exit-Erfahrungen. „Ursprünglich waren wir auf der Suche nach einem strategischen Partner. Schnell entwickelte sich jedoch die Einsicht, dass ein Verkauf des Unternehmens für beide Seiten Sinn machen würde. Die andere Seite war gut finanziert und verfügte über ein gutes Netzwerk“, so Schmidt. „Die Motivation war weniger monetär getrieben, sondern von der Frage: Wie können wir unsere Technologie am besten weiterentwickeln? Und was kann man mit einem viel größeren Team alles erreichen?“ Eine besondere Frage sei jedoch immer, wie man im Rahmen eines Exits mit sensiblen klinischen Daten umgehe oder welche Folgen ein Exit für die eigene Belegschaft habe.
„Wie können wir unsere Technologie am besten weiterentwickeln?“
Dr. Marc Struhalla, c-LEcta, beschrieb, wie vor allem die langjährig engagierten Investoren den Exit vorangetrieben hätten. „Dabei sind wir zunächst nach einer Doppelstrategie verfahren, indem wir sowohl Finanzinvestoren, als auch strategische Investoren angesprochen haben.“ Dr. Holger Reithinger von Forbion verwies darauf, dass jeder Exit individuell zu betrachten sei. Vor allem betonte er: „Firmen werden gekauft, nicht verkauft.“ Vor allem solle das Pipeline-Projekt bei der kaufenden Firma weiterentwickelt werden. „Das ist nicht selbstverständlich“ so Reithinger. Häufig werde der Hauptkandidat von der kaufenden Firma eingestellt, um sich eine Konkurrenz vom Hals zu schaffen.
Standort Deutschland im Vergleich
Joachim M. Greuel, Bioscience Valuation BSV, gab anschließend einen Überblick „Biotechnologie-Standorte: eine Makroperspektive“. Die Zuschauer waren sich in der anschließenden Diskussion einig, dass die USA den Unternehmen klare Standortvorteile zu bieten hätten. Das Land, so Greuel, überzeuge mit der schieren Anzahl an universitären Abschlüssen, Unternehmensgründungen und der Verfügbarkeit von Kapital. Für Deutschland wünschten sich manche, das Fach „Wirtschaft“ fester in den Lehrplänen der Schulen zu verankern. (Präsentation auf Anfrage)
Im letzten Panel „Standorte der Zukunft“, moderiert von Dr. Julia Schaft vom Cluster BioRN und amtierende Sprecherin des Arbeitskreises der Bioregionen, nannte sie zunächst wichtige Standortfaktoren, die den Erfolg eines Unternehmens maßgeblich beeinflussen, etwa die Verfügbarkeit von Laboren und geeigneten Räumlichkeiten sowie Fachleuten, aber auch günstigen Wohnraum, Schulen oder Kitas.
„alle Player müssen sich fragen, was sie tun könnten, um einen Standort attraktiver zu machen.“
Dr. Mathias Kromayer, MIG Capital, meinte, der Standort eines Unternehmens sei für einen Investor nicht erstrangig. Trotzdem könnten auch Investoren dazu beitragen, Standorte attraktiver zu machen. Niederlagen, so Kromayer weiter, seien keine Fragen des Standortes. Allerdings müssten sich alle Player fragen, was sie tun könnten, um einen Standort attraktiver zu machen.
Anne Burger, Catalym und Seamless Therapeutics, warf ein, viele Gründer würden es vorziehen, in der Heimat oder an ihrem Unistandort zu bleiben. Entscheidend sei die Verfügbarkeit an personellen Ressourcen. Die Forschungsförderung für Biotech-Unternehmen sei immer noch zu niedrig. Und auch das Thema „Mitarbeiterbeteiligung“ sei mit steuerlichen Herausforderungen verbunden. Britta Thiele-Klapproth vom Swiss Business Hub Germany stellte die Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz heraus. Die Schweiz, so Thiele-Klapproth, verfolge anders als Deutschland keine nationale Clusterpolitik. Auch sei das Land weniger reguliert und es gebe weniger kollaborative Systeme: „Die Schweiz tickt anders!“ Gemeinsam war man sich einig, starke Standorte weiter zu stärken, anstatt verfrüht neue Standorte zu gründen.
Am Abend ging es beim Netzwerken im Campus At Home mit Jubiläumstorte sowie im Faculty Club beim Austausch an der Cocktailbar weiter.
In Planung sind derzeit zwei weitere Finance Days für 2024:
- Klassisch im Rahmenprogramm der analytica (Weltleitmesse für Labortechnik, Analytik, Biotechnologie und analytica conference) am Donnerstag, 11. April 2024
- sowie im Herbst 2024 in Leipzig in Kooperation mit biosaxony.
Autor/Autorin
Die Redaktion der Kapitalmarkt Plattform GoingPublic (Magazin, www.goingpublic.de, LinkedIn Kanal, Events) widmet sich seit Dezember 1997 den aktuellen Trends rund um die Finanzierung über die Börse. Ob Börsengang (GoingPublic) oder die vielfältigen Herausforderungen für börsennotierte Unternehmen (Being Public), präsentiert sich GoingPublic cross-medial als Kapitalmarktplattform für Emittenten und Investment Professionals.