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Viele Biotechfirmen sind unterfinanziert. Ihr Kapitalbedarf kann sich auf 100 Mio. bis 4 Mrd. EUR belaufen; Summen, die oft nicht erreicht werden. Das liegt nicht nur an den generell rar gesäten Investoren in dieser Branche, dem schlicht nicht vorhandenen Kapital – sondern auch an einigen „Todsünden“, die Gründer bei ihrer Unternehmensfinanzierung begehen. Zumindest diese ließen sich aber vermeiden.

 

Gründer unterschätzen häufig die tatsächlichen Kosten für die Entwicklung neuer Medikamente oder Technologien. Gleichzeitig überschätzen sie die Geschwindigkeit, mit der sie regulatorische Meilensteine erreichen können. Aufgrund dieser Fehleinschätzungen ist das meist ohnehin knappe Kapital schneller als geplant aufgebraucht.

Unterfinanzierung: Optimistische Fehleinschätzungen als Stolperstein

Diese Situation zwingt Unternehmen oft dazu, Kapital zu ungünstigen Bedingungen aufzunehmen, was langfristig erst recht die finanzielle Stabilität gefährdet. Diese Notsituation entsteht meist zu Beginn der klinischen Phase.

Abb. 1: Kritische Punkte im Entwicklungszyklus eines Biotechunternehmens. Quelle WTS Advisory AG
Abb. 1: Kritische Punkte im Entwicklungszyklus eines Biotechunternehmens. Quelle WTS Advisory AG

Abb. 1 veranschaulicht den typischen Verlauf der Unternehmensbewertung im Verlauf der klinischen Entwicklung. Auffällig ist dabei die anfänglich sehr hohe Bewertung in der Entdeckungsphase, die ein sogenanntes Hope Premium beinhaltet. Im Anschluss folgt das sogenannte Valley of Death, eine Phase, in der häufig die Finanzierung stockt, da das Risiko hoch und der Erfolg noch ungewiss ist. Nur Unternehmen, die diese kritische Phase zu überwinden vermögen – etwa durch mehrere Revenue Streams (beispielsweise Licensing-Modell, R&D Sharing) –, haben realistische Chancen, ihre Produkte zur Marktreife zu bringen und den Unternehmenswert erheblich zu steigern. Mit wachsender Erfolgswahrscheinlichkeit und Fortschritten in Richtung Zulassung (siehe POA und LOA) erhöht sich der Unternehmenswert, während das damit einhergehende Risiko sinkt.

Verwässerung: Zu früh zu viele Anteile abgeben

Eine weitere Todsünde ist die übermäßige Verwässerung der Unternehmensanteile, besonders in den frühen Phasen. Gründer neigen dazu, frühzeitig zu viele Anteile abzugeben, um Kapital zu beschaffen, oft ohne Einholung professionellen Rats. Die Folge ist eine erhebliche Verwässerung der Gründeranteile, was den Anreiz für das Gründerteam verringern kann, weiterhin engagiert am Unternehmenserfolg zu arbeiten. Lösungsansätze wie „Waterfall-Mechanismen“ oder Anteilsklassen sowie „Sweat-Equity-Programme“, die zusätzliche Anteile bei Erreichung bestimmter Ziele gewähren, können hier Abhilfe schaffen und die langfristigen Interessen der Gründer wahren.

Kurzfristiges Denken: Den Exit zu früh fokussieren

Der Biotechsektor zeichnet sich durch lange Entwicklungs- und Finanzierungszyklen aus. Setzen Unternehmen zu früh auf einen schnellen Exit, laufen sie Gefahr, die Notwendigkeit mehrerer Finanzierungsrunden zu unterschätzen. Ein frühzeitiger Exitfokus kann dazu führen, dass strategisch wichtige Schritte, wie die Weiterentwicklung von Produkten oder der Ausbau von Partnerschaften, vernachlässigt werden. Es ist entscheidend, ein langfristiges Finanzierungsmodell zu entwickeln, das mehrere Finanzierungsrunden berücksichtigt und den Fokus auf nachhaltigen Erfolg legt.

Zurücklehnen nach der Finanzierung: Die Gefahr der Passivität

Ein weitverbreiteter Fehler ist es, nach einer erfolgreichen Finanzierungsrunde in Passivität zu verfallen. Viele Unternehmen unterschätzen, dass nach der Finanzierung vor der Finanzierung ist. Die Sicherung weiterer Einnahmequellen und die fortlaufende Entwicklung von Geschäftsmöglichkeiten sind essenziell, um das Unternehmen auf Kurs zu halten. Mehrere Revenue Lines erhöhen die Resilienz gegenüber Marktveränderungen und tragen dazu bei, dass das Unternehmen nicht ausschließlich von einer Finanzierungsquelle abhängig ist. Dies erfordert jedoch eine proaktive Haltung und ständige Überprüfung der Finanzierungsstrategie.

Fremdfinanzierung meiden: Die unterschätzten Vorteile von Fremdkapital

Viele Biotech-Start-ups scheuen Fremdkapital, da sie es als risikoreich und teuer empfinden. Diese Sichtweise ist jedoch oft zu kurz gedacht. Fremdkapital kann eine wertvolle Finanzierungsquelle sein, die die Verwässerung der Eigenkapitalanteile verringert und gleichzeitig finanzielle Flexibilität bietet. Instrumente wie Venture Debt ermöglichen es, das Wachstum zu finanzieren, ohne die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren. In der Regel ist Fremdkapital kostengünstiger als Eigenkapital, besonders wenn die langfristigen Auswirkungen einer Verwässerung berücksichtigt werden.

Zu lange auf Unabhängigkeit bestehen: Die Rolle strategischer Investoren

Aufgrund der Angst, Kontrolle über das eigene Unternehmen zu verlieren, bestehen Biotechunternehmen oft zu lange auf ihre Unabhängigkeit und meiden strategische Investoren. Diese Haltung kann jedoch die langfristige Durchfinanzierung gefährden. Strategische Investoren bieten nicht nur Kapital, sondern auch wertvolles Know-how und Zugang zu Netzwerken, die das Wachstum beschleunigen können. Darüber hinaus können sie durch Kooperationen sicherstellen, dass das Unternehmen auch in späteren Entwicklungsphasen ausreichend finanziert ist, was besonders in der kostenintensiven Biotechbranche wichtig ist.

Auf eigene Faust: Die Grenzen des Do-it-yourself-Ansatzes

Zudem begehen viele Start-ups den Fehler, die erste Finanzierungsrunde auf eigene Faust zu in Angriff zu nehmen. Zwar kann dies als „Proof of Concept“ dienen und zeigen, dass das Team in der Lage ist, sich am Markt zu behaupten. Doch spätestens nach der ersten Runde ist es ratsam, M&A-Berater oder Finanzierungsberater ins Boot zu holen, um das Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln. Diese Experten können helfen, Finanzierungsoptionen zu optimieren und das Unternehmen auf die nächste Wachstumsphase vorzubereiten. Gleichzeitig ermöglicht es dem Gründerteam, sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren und das operative Geschäft voranzutreiben.

Fazit

Die Finanzierung spielt von Beginn an eine zentrale Rolle, um kostspielige Fehler zu vermeiden, die den Erfolg des gesamten Projekts gefährden könnten. Insbesondere in der kapitalintensiven Biotechbranche ist es entscheidend, frühzeitig Finanzierungsexperten hinzuzuziehen. Diese entwickeln nicht nur maßgeschneiderte Finanzierungsstrategien, sondern sind auch mit den klassischen „Todsünden“ vertraut und wissen, wie sich deren Risiken minimieren lassen, um das Unternehmen auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zu führen. Investitionen in professionelle Beratung zahlen sich aus, da viele dieser Leistungen erfolgsabhängig angeboten werden und das finanzielle Risiko für das Unternehmen somit überschaubar bleibt. Wer von Anfang an die richtigen Schritte einleitet, legt den Grundstein für den langfristigen Erfolg seines Biotechprojekts.

Autor/Autorin

Armin Schöpke
Armin Schöpke
Projektleiter für M&A- und Corporate-Finance-Projekt at WTS Advisory AG | Website

Armin Schöpke blickt auf langjährige Erfahrung als Projektleiter für M&A- und Corporate-Finance-Projekte bei der WTS Advisory AG zurück. Sein Fokus liegt auf der Unterstützung mittelständischer Unternehmer bei der Umsetzung Ihrer M&A-Aktivitäten im Rahmen von Sell-Side- und Buy-Side-Mandaten.

Martin Engelmann
Martin Engelmann
Manager at WTS Advisory AG | Website

Martin Engelmann verfügt als Manager über langjährige Erfahrung in der Transaktionsberatung bei der WTS Advisory AG. Im Rahmen von unterschiedlichen M&A-Projekten bewertet er Unternehmen – vor allem in Krisen- und Sondersituationen – und begleitet diese bei einem Kauf oder Verkauf.