Trends im LifeScience Recruiting #2 – Experten-Talk

Dilsâd Babayigit im Gespräch mit Georg Kääb

Bildnachweis: ageneo lifesciences.

Dilsâd Babayigit hat vor über zehn Jahren die auf Biotechnologie, Pharmazeutische Industrie und Medizintechnik spezialisierte Personalagentur ageneo Life Science gegründet. Sie ist seit 18 Jahren in der Recruiting-Branche aktiv und bietet mit ihrem Team neben der Rekrutierung in den Bereichen Festanstellung und Projekt-Consulting (Freelancer-Vermittlung) ein breites Angebot an Services zur Personal- und Unternehmensentwicklung an.

In einer ersten Folge hatten wir uns bereits über verschiedene Themen im Rekrutierungsgeschehen in den LifeSciences unterhalten, vom Fachkräftemangel an „Data Scientists“ über Unterschiede von KMU zum Großunternehmen bis zu einigen Tipps für die erfolgreiche Stellenbesetzung.

Heute geht es im Schwerpunkt um: startups und Rekrutierungsfragen.

Plattform Life Science: Wie kann ein startup den „war for talents“ gegen die Großen gewinnen? Oder hat das startup sogar die besseren Argumente auf seiner Seite?

Dilsâd Babayigit: Eine spannende Frage, die uns so auch oft von kleinen Unternehmen gestellt wird. Im Grunde genommen ist es natürlich richtig: Alle kämpfen um die gleiche Gruppe von KandidatInnen. Es folgt – glücklicherweise – ein „aber“: Nicht jeder Mensch fühlt sich wohl in einem großen Konzern, nicht jede/r ist dafür gemacht. Und genau das können und müssen sich die kleineren Unternehmen zu Nutze machen. Was sind denn die Gründe für diese Menschen, nicht in einem Konzern arbeiten zu wollen? Mir fällt da etwa ein: fehlende Visibilität des Einzelnen, starre Hierarchien, langwierige Entscheidungswege, enges Aufgabenfeld, wenig Möglichkeiten, eigenständig Ideen auszuprobieren etc. Das sind Themen, die oftmals genannt werden. Da müssen die kleinen Unternehmen ansetzen. V.a. für diese Unternehmen ist wichtig, dass sie den richtigen „Kriegsschauplatz“ (um einmal bei der „war for talents-Terminologie zu bleiben) wählen. Hier ein Beispiel: Entwicklungsperspektiven, die Firmen-Marke („Brand“) und Sicherheitsaspekte rings um den Job sind tendenziell die Schauplätze der großen Firmen; das sind Argumente, die seltener für ein Start-Up sprechen. Das Start-Up sollte sich eher auf Schauplätze wie eine innovative Story, die Möglichkeit, als einzelne/r Mitarbeiter/in einen echten Unterschied zu machen, ein hohes Maß an Flexibilität oder auch den Grad an „Involvement“ direkt mit der Unternehmensleitung konzentrieren. Auch das sind sehr überzeugende Argumente, bei denen die kleinen Player richtig punkten können.

 

PLS: Gibt es „häufige Fehler“, die kleine Unternehmen beim Rekrutieren machen, etwa schon in der Stellenanzeige?

Dilsâd Babayigit: Ein häufiges Manko in den Stellenanzeigen der kleinen Firmen ist das Fehlen von Informationen bzgl. der „besonderen Story“ des Unternehmen. Stellenanzeigen sind nach wie vor sehr generisch; gerade Unternehmen, die noch keine „Marke“ sind, die also nicht jeder kennt, sollten zumindest in einer kurzen Einleitung erwähnen, was sie besonders macht und was sie bieten können. Ich denke da z.B. an einen hoch-innovativen, ganz neuen technologischen Ansatz auf der fachlichen Seite oder flache Hierarchien, eine direkte Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und eine offene Atmosphäre auf der funktionalen Seite oder auch die Möglichkeit, eigenständig einen Unterschied zu machen als eine/r von zehn Mitarbeitern auf der ganz persönlichen Seite, das so aktuelle „purpose“.

„Stellenanzeigen sind nach wie vor sehr generisch“

PLS: Stichwort „Bewerber-Pool“, eine kleine Firma hat meist nicht die Ressource sich interessante KandidatInnen „warm“ zu halten. Was gibt es da für Möglichkeiten interessante Personen, denen man im Augenblick keine Position anbieten kann, nicht aus den Augen zu verlieren?

Dilsâd Babayigit: Oh, die Kraft des Bewerberpools wird unheimlich überschätzt! Das gilt für Personalberatungen übrigens genauso wie für Life-Science-Unternehmen. Selbst die großen Player, die eine entsprechende Software nutzen, um Kandidatendaten zu speichern und zu verwalten und die zahlreiche MitarbeiterInnen im Bereich Recruiting beschäftigen, schaffen es kaum, den Bewerber-Pool wirklich aktuell zu halten. Nur, weil ich ein CV habe, weiß ich noch lange nicht, wie das Leben, die Vorstellungen und Wünsche des Menschen gerade aussehen. Diese können sich ändern. Es verhält sich mit den Daten aus einem Bewerberpool ähnlich wie mit dem Journalismus: Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern [trotz intensivem Bemühen der Redaktion, konnten wir diesen Vergleich leider nicht verhindern!;-)] Genauso ist es mit Kandidatendaten – wenn Sie wirklich einen belastbaren Kandidatenpool möchten, sollten Sie relativ regelmäßig mit „allen“ Bewerbern in Kontakt treten, Daten updaten und nachhorchen, ob sich irgendwas im Leben bzw. der Karrierevorstellung verändert hat. Ich kenne kein Unternehmen, das das rein zeitlich schafft. Gerade kleinen Unternehmen würde ich daher raten, die „Beziehungspflege“ über Networking-Plattformen zu betreiben. Vernetzen Sie sich auf z.B. LinkedIn mit interessanten Bewerbern, halten Sie so den Kontakt, auch informell; das bindet viel mehr. Dort aktualisieren die Leute i.d.R. auch, wenn sich etwas verändert – immer ein guter Zeitpunkt, einmal wieder Kontakt aufzunehmen.

„Wenn man nicht kompromissbereit ist, dann ist das Start-Up schlicht nicht die beste Wahl“

PLS: Aus der Bewerbersicht gefragt: wieviel „Rücksicht“ sollte man auf die Situation eines startups nehmen?

Dilsâd Babayigit: Gerade im Hinblick auf finanzielle Situationen „muss“ man Rücksicht nehmen, wenn man in einem Start-Up arbeiten möchte; für die Freiheiten, die Möglichkeiten und Chancen, die ein Start-Up bietet, birgt es eben auch Einschränkungen und Limitationen. Hier können i.d.R. auch die Führungskräfte wenig ändern; das Geld ist meist knapp, gerade in unseren Branchen ist man erst einmal eine ganze Weile fremdfinanziert. Wenn man dahingehend nicht kompromissbereit ist – was auch legitim wäre – dann ist das Start-Up schlicht nicht die beste Wahl.

 

PLS: Und wie erkennt man, dass man eine ganz besondere Qualifikation besitzt, die man bisher aber nicht ausreichend „vermarktet“?

Dilsâd Babayigit: Wenn man eine Qualifikation besitzt, die man aber nicht ausreichend vermarktet, liegt es meist an zu wenig Reflexion; man muss sie ja erst selbst einmal als solche erkennen. Daher ist die Antwort erst einmal ganz einfach: Man muss sich selbst reflektieren und wissen, was man zu bieten hat. Die Selbstreflexion hinterlässt immer blinde Flecken; hier können Gesprächspartner helfen, die man ganz offen um eine Einschätzung bitten kann. Am besten nicht nur den Ehepartner oder gute Freunde – denn diese sind natürlicherweise biased, aber KollegInnen, (ehemalige) Vorgesetzte oder auch MitarbeiterInnen können bereichernd sein, wenn man sich nur traut, zu fragen. Wie genau ich diese Qualifikationen dann kommunizieren und „vermarkten“ kann, ist ein gesondertes Thema für sich.

PLS : Ein perfekter „cliff hanger“. Vielen Dank hierfür! Fortsetzung folgt…

Autor/Autorin

Dr. Georg Kääb ist seit 1. Februar Redaktionsleiter der Plattform LifeSciences. Davor war er über 10 Jahre Manager Communications bei der Biotech-Netzwerkagentur BioM. Von der Ausbildung her Biologe waren die ersten Berufsstationen als freier Journalist bei u.a. Süddeutscher Zeitung sowie DIE ZEIT und dann ebenfalls ein gutes Jahrzehnt als Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift des Verbandes dt. Biologen, vdbiol.